Das Glas für die Plattensäge


Die fliessende Form von der Tischfläche in die Seite geben diesem Salontisch eine sehr schlichte Eleganz. Bild: SchreinerZeitung
Die fliessende Form von der Tischfläche in die Seite geben diesem Salontisch eine sehr schlichte Eleganz. Bild: SchreinerZeitung
Verarbeitungswissen. Gebogene, transparente Elemente sowie durchsichtige Behältnisse aus Glas sind oft zu schwer, zu empfindlich und zu teuer. Moderne Kunststoffe ermöglichen immer exklusivere Ausführungen mit vertretbarem Aufwand. Welche Möglichkeiten hat der Schreiner?
Für manche erscheint die Verwendung von Glas etwas gewagt und aufwendig, vor allem bei einer kleinteiligen Anwendung. Im Bereich transparenter Kunststoffplatten sind aber längst für viele mögliche Situationen geeignete Produkte erhältlich. Bei den entsprechenden Verarbeitern kann also fast jeder Wunsch erfüllt werden. Um im Kundengespräch gute und kompetente Vorschläge unterbreiten zu können, benötigt es aber grundsätzliches Wissen.
Es gibt unendlich viele verschiedene Kunststoffe und immer wieder kommen neue dazu. Was aber für den Innenausbau und für Möbel Transparentes angeboten wird, ist überschaubar: Polycarbonat (PC) ist von Schutzbrillen, Helmvisieren und aus dem Automobilbau bekannt. Es ist sehr schlagzäh und kaum zu zerbrechen, was jeder einfach mit einer Speicher-CD ausprobieren kann. Auf Kratzer und Lösungsmittel reagiert es dafür sehr empfindlich mit Spannungsrissen. Um das zu verhindern und auch gegen die UV-Empfindlichkeit, braucht es eine sehr gute Oberflächenveredelung – beispielsweise mit Acryl. Der Schreiner wird vor allem mit fertigen Produkten konfrontiert.
Polyethylenterephthalat mit Glykol modifiziert (PET-G) besitzt die gleichen gutmütigen Eigenschaften wie Hart-PVC und kann auch mit fast den gleichen Verfahrensweisen bearbeitet werden. Es hat eine hervorragende, klare Transparenz sowie einen günstigen Schmelzweg, wodurch es gut verformbar ist. Die Oberfläche ist etwas kratzempfindlich, aber problemlos polierbar. Somit eignet es sich mehr für den Front- und Trennglasbereich, wo entsprechend schöne Platten angeboten werden.
Acryl (PMMA) ist weitherum als Plexiglas bekannt. Dies ist aber der geschützte Markenname des von Otto Röhm 1933 erfundenen Acrylglases. Dieses Produkt scheint von allen genannten ein gewisses Mass an guten Eigenschaften übernommen zu haben und ist zudem recht unempfindlich gegenüber Kratzern und UV-Licht. Die Verarbeitung unterscheidet sich zu der von PVC und ähnlichen Materialien deutlich, was dazu führt, dass sich Verarbeitungsfirmen auf die eine oder andere Sorte spezialisieren. Für den Schreiner entspricht dieses Ma-terial am meisten den Anforderungen und Möglichkeiten, die sich in seinem Bereich ergeben.
Neben all den guten Materialeigenschaften werden zur Bearbeitung von Acrylplatten weitgehendst die gleichen Werkzeuge benötigt, wie sie in den meisten Schreinereien vorhanden sind. Wer also über einen staubfreien Raum verfügt, gute, laufruhige Maschinen besitzt, scharfes, geeignetes Werkzeug hat und speziell auf Sauberkeit achtet, sollte zahlreiche Produkte selber herstellen können.
Für all diejenigen, die das nicht können oder wollen, gibt es natürlich den spezialisierten Fachbetrieb. Es lohnt sich aber denoch, etwas weiter zu lesen, denn in einem Kundengespräch soll Kompetenz vermittelt werden. Wo gibt es schnelle und unkomplizierte Übersichten und Hilfen?
Wer mit Erfahrung in der Kunstharzbearbeitung an Acrylplatten herangeht, liegt schon recht gut. Bei diesen Platten sollten keine scharfkantigen Innenausschnitte gemacht werden, da es sonst Spannungsrisse geben kann. Auch können die Ränder beim Durchbohren splittern. «Unsere Werkzeuge, vorwiegend VHM-Schaftfräser, VHW-Bohrer, HW-Sägen werden von unseren Kunden immer wieder auch für die Bearbeitung von Kunststoffen aller Art eingesetzt», sagt Thomas Oertli, Geschäftsleiter der Oertli Werkzeuge AG in Höri bei Bülach.
Hartmetallsägeblätter mit Trapez-Flachzahn oder Wechsel-Zahn mit Fase und einer Zahnteilung von rund 13 mm sind speziell geeignet, ebenso Hartmetallfräser. Wichtig ist ein ruhiger Lauf, eine saubere Auflage und ein an Werkzeug und Materialstärke angepasster Vorschub. Zu grosse Reibung führt zum Anschmelzen der Bearbeitungskante und bewirkt die Bildung von Brauen. Dies ist besonders beim Bohren ein grosses Problem, wo die Bohrwände durch Anschmelzen leicht aushöhlen können. Kühlung ist da sehr hilfreich. Es können Metallbohrer verwendet werden, wenn deren Spitzenwinkel auf 60 bis 90° umgeschliffen worden sind. Gut bewährt haben sich Stufenbohrer und dreischneidige Kegelbohrer. Letztere verhindern speziell dieses Aushöhlen.
Acrylplatten haben eine zehnmal so grosse Wärmedehnung wie Stahl. In der Anwendung bedeutet das, dass sie nicht einfach fix mit anderen Materialien verschraubt werden sollten. Die Dehnungsdifferenzen bei Temperaturschwankungen führen sonst zu Spannungen, die dann punktuell bei den Schrauben zu Rissen führen oder die Platten «schüsseln». Abhilfe schaffen in solchen schwierigen Situationen oft Silikonhülsen und Unterlagsscheiben, wie sie beim Verschrauben mit Glas Verwendung finden. «Selbstschneidende Schrauben sind, auch mit Vorbohren, mit grosser Vorsicht zu verwenden. Die Verletzung kann auch nachträglich noch zu Rissen führen. Optimal sind dehnungsgerechte Einfassungen», erzählt Jürg De Pietro, Geschäftsleiter des Kunststoff-Ausbildungs- und Technologie-Zentrums in Aarau (Katz). «Moderne Klebsysteme für Kunststoffe sind elastisch und lassen somit minimale Bewegungen zu. Transparente Kunststoffe sind etwas empfindlicher als andere. Dies gilt besonders auch beim Einfluss von Chemikalien. Es ist also sehr wichtig, bei der Verwendung von Spiegelklebebändern, Montageklebern und Silikonen auf die Angaben des Herstellers zu achten, ob diese Mittel für Acryl geeignet sind.»
Zur Reinigung eignet sich lauwarmes Wasser mit wenig Geschirrspühlmittel. Stärkere, fettige Verschmutzung kann mit benzolfreiem Reinbenzin (Waschbenzin) entfernt werden. Jegliche agressive Mittel und Tücher sind zu vermeiden.
Neue Platten sind mit Polyethylenfolien geschützt. Diese sollte man erst ganz am Schluss entfernen. Sind die Platten Witterungseinflüssen ausgesetzt, muss die Folie aber innerhalb von vier Wochen entfernt werden, da sie verspröden kann oder ihre Haftung vergrössert wird. Der spanende Bearbeitungsbereich kann dann auch mit Paketklebeband geschützt werden.
Acrylglas nimmt in begrenztem Masse Feuchtigkeit auf und gibt diese bei Erwärmung auch wieder ab. Grosse Aufmerksamkeit ist dem Verleimen von Platten zu widmen, vor allem, wenn deren Flächen aufeinander liegen sollen. Werden die Platten nicht vorher getrocknet, kann es zur Blasenbildung kommen. Die besten Klebeer-gebnisse werden erreicht, wenn die Teile vor und nach dem Verkleben auf 70 °C erwärmt werden. Spannungen werden somit aufgehoben. Dies erfordert aber einen entsprechenden Ofen. Verleimt wird mit speziellen Reaktionsklebstoffen. Diese sind optimal auf das Material abgestimmt, farblos, lichtecht und beim Plattenhändler erhältlich. Sie sind fugenfüllend und führen zu hochfesten, optisch anspruchsvollen Verbindungen. Ob stumpf oder auf Gehrung: Mit einfachen Fixierschablonen können auch recht komplexe Formen relativ einfach verleimt werden. Eine saubere und staubfreie Umgebung ist dabei zwingend.
Geschnittene und gefräste Kanten haben noch nicht die perfekte, glatte, klare Optik der Oberfläche. Durch Schleifen und Polieren mit herkömmlichen Handmaschinen lässt sich das ändern. Nass schleifen vermeidet Wärmespannung und das Zusetzen der Schleifmittel. Der Schleifvorgang erfolgt in drei Stufen: grob mit Körnung 80 bis 240, mittel mit Körnung 400 und fein mit Körnung 600 bis 1000. Anschliessend wird poliert. Handelsübliche Wachse, Pasten oder Autopolitur in Verbindung mit einer Stoffschwabelscheibe oder einer Filzdisc führen zu guten Resultaten. Kratzer in der Fläche werden auf die gleiche Weise herauspoliert. Zur Vorbereitung der sägerohen Kanten und zum Entgraten eignet sich eine Ziehklinge.
Die meisten Acrylplatten sind inhaltlich identisch. Unterschiedliche Eigenschaften, wie beispielsweise eine erhöhte Kratzfestigkeit, werden durch Beschichtung der Oberflächen erreicht. Diese ist nach dem Polieren in der Regel nicht mehr gegeben. Ob ein Nachlackieren im eigenen Betrieb möglich ist, muss mit dem Plattenhersteller abgeklärt werden.
Acrylglas hat eine Dauergebrauchstemperatur von maximal 79 °C, bleibt formbeständig bis 102 °C und lässt sich im Bereich von 140 bis 160 °C verformen. Wird der Bereich, welcher nicht verformt werden soll, abgedeckt, kann, je nach Materialstärke, ein Heizstrahler genügen, um eine ausreichende, gleichmässige Erwärmung der Plat-te zu erreichen. Somit kann diese anschliessend mit einer Schablone linienförmig gebogen oder abgekantet werden. Die Furnierpresse erwärmt die ganze Platte. Da sich beim Verformen leichte Längendifferenzen ergeben, empfiehlt es sich, mit etwas Zumass zu arbeiten und anschliessend auf Länge zu formatieren. Die Längskanten können aber vorgängig fertig bearbeitet werden. Kunststoffe sind schlechte Wärmeleiter. Bei dickeren Platten muss unter Umständen beidseitig erwärmt werden. Ein direkter Kontakt mit der Wärmequelle ist aber zu vermeiden. Es sollte ein Luftzwischenraum von mindestens 1 cm eingehalten werden. Beim Verformen sollten keine besonderen Kräfte notwendig sein, da sonst die optimale Temperatur noch nicht erreicht ist. In der fixierten Stellung muss sich dann das Material bis auf mindestens 60 °C abkühlen, bevor ausgespannt werden kann. Durch das Biegen entsteht im Radiusbereich an den Kanten eine kleine Verwerfung. Wenn diese stört, muss sie nachgeschliffen werden.
«Wir bieten unseren Kunden gratis die statische Berechnung von konstant oder dynamisch belasteten Teilen an», so Simon Gäumann, Geschäftsführer von Röhm (Schweiz) AG in Brüttisellen. «Auch vermitteln wir den nächstgelegenen Verarbeitungsbetrieb, welcher das gewünschte Material an Lager hat, wodurch Kleinmengen ermöglicht werden.» Über die Website der Firma gibt es noch viele ergänzende Verarbeitungshinweise, was eine gezielte Arbeitsvorbereitung ermöglicht.
Für Handwerker, die mehr wissen möchten und eher den praktischen Weg bevorzugen, bietet das Katz in Aarau, jeweils im April und Oktober, den Kurs «Plexiglas-Verarbeitung» an.
Wer jetzt zu dem anfänglichen Wunsch nach einem bezahlbaren Produkt berücksichtigt, dass enorm viele Farben, Oberflächen und Funktionen in Acrylglas erhältlich sind, kann seine Kunden gut beraten.
Veröffentlichung: 06. Februar 2014 / Ausgabe 6/2014
Generalversammlung. Die rund 170 Teilnehmenden der 26. Generalversammlung von Küche Schweiz durften bereits zum vierten Mal in Folge mehr Mitgliederbetriebe als im letzten Jahr in ihrem Verband begrüssen.
mehrForschungsprojekt. Der Satellit «Biomass» der Europäischen Weltraumorganisation (ESA). umkreist seit dem 29. April die Erde. Er soll Einblicke in die Wälder der Welt und ihre Rolle im globalen Kohlenstoffkreislauf liefern.
mehrPaidPost. Jedes Jahr steht bei den Schreiner-Lernenden die IPA an: die praktische Arbeit, die innert vorgegebener Zeit hergestellt wird. Hier die diesjährigen Projekte.
mehr