Der Beschützer der Drachen

Olivier Sugnaux (63) kümmert sich als Materialwart um alle möglichen Anliegen und Probleme seines Herzensclubs HC Fribourg-Gottéron. Bild: HC Fribourg-Gottéron

Leute.«On a envie de faire les Playoffs», hatte Olivier Sugnaux zu Beginn der Saison gesagt. Als Materialwart des Eishockeyclubs HC Fribourg-Gottéron hatte er sich, wie der Rest des Teams, mit Leib und Seele für dieses Ziel eingesetzt.

Doch dieses Jahr sollte es nicht sein. Die Saanestädter haben die Ausscheidungsrunde der besten acht Mannschaften knapp verpasst. «Das ist eine riesige Enttäuschung», sagt Sugnaux. «Man bereitet sich den ganzen Sommer vor, spielt 52 Matches, um dann kurz vor den Playoffs auszuscheiden.» Fünfmal sind die Freiburger Vize-Schweizermeister geworden. Doch noch nie hat es zum Titel gereicht. Fribourg-Gottéron steht für Tradition: Der Name geht auf das «Vallée du Gottéron» zurück, wo der Club 1937 gegründet wurde, der Drache auf den Trikots steht für das Sagentier, das eben in jenem Galterntal gehaust haben soll. So gefährlich die Drachen auf dem Eis sind, so handzahm sind sie im Umgang mit Sugnaux. Denn sie wissen, was sie dem Materialwart zu verdanken haben. Er kümmert sich um alles, stellt die Ausrüstung bereit, richtet die Garderobe für die Spieler her, macht die Wäsche, schleift die Kufen der Schlittschuhe, repariert alles, was es zu reparieren gibt, vom Helm über die Protektoren bis hin zum Trikot. «Ohne handwerkliches Geschick würde das nicht funktionieren», erklärt der gelernte Schreiner.

«Was in der Garderobe besprochen wird, bleibt in der Garderobe.»

1999 trat Sugnaux seinen Posten als Materialwart bei seinem Herzensclub an. 2007 bis 2012 war er als Abwart in einem Golfclub tätig, bevor es ihn wieder zurück zum Hockey zog. Und so steht der 63-Jährige Match für Match an der Bande und kümmert sich «um jedes Bobo» der Spieler, wie er mit einem Lächeln erzählt. Er wechselt defekte Kufen oder Helmvisiere, hat stets den richtigen Ersatzstock bereit und sorgt dafür, dass immer alles da ist, was die Spieler brauchen, von der Trinkflasche bis zum Frotteetuch. Trotz hektischer Situationen wirkt er wie die Ruhe in Person. «Das war nicht immer so», gibt er unumwunden zu. Er habe sogar einmal eine Zwei-Minuten-Strafe erhalten, weil er ausgeflippt sei. Der Posten des Materialwarts verlangt eine hohe Stressresistenz. Sugnaux erinnert sich an viele kleine Anekdoten. So etwa an jene, als er bei einem Auswärtsspiel versehentlich die Heimtrikots eingepackt und eine Disqualifikation riskiert hatte, oder an jenen Tag, als die Schleifmaschine beim Transport aus dem Fahrzeug gefallen war. «Ich habe erst gemerkt, dass sie total verstellt war, als einer der Spieler mit seinen frisch geschliffenen Kufen gleich beim Betreten des Eises hingefallen ist», erzählt er. «J’étais mal dans mes baskets», erinnert er sich an sein schlechtes Gewissen. Hockey war schon immer eine Priorität in Sugnaux Leben. «In der Rekrutenschule habe ich eine Nacht im Gefängnis verbracht, weil ich mich abgeschlichen habe, um einen Match schauen zu gehen», erzählt er. 230 bis 250 Stunden pro Monat steht er während der Saison im Einsatz. Unterstützt wird der dreifache Vater aus Hennens FR dabei von seinem jüngsten Sohn, der in einem 60%-Pensum für den Club tätig ist. Auch für die jungen Spieler ist Sugnaux zu einer Art Vaterfigur geworden. Sie vertrauen ihm und suchen auch immer wieder Rat in persönlichen Angelegenheiten. Für Sugnaux ist klar: «Was in der Garderobe besprochen wird, bleibt in der Garderobe.»

«Einmal den Titel zu gewinnen, wäre die Krönung», sagt er. Vielleicht gelingt dies dem Club ja nächste Saison. Es wäre mit Sicherheit das schönste Abschiedsgeschenk für Sugnaux, vor seiner Pension.

Monika Hurni

Veröffentlichung: 20. März 2023 / Ausgabe 11/2023

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