Tixer87 brettert über den Rundkurs

Schreiner Kevin Tix (36) begeistert sich für virtuelle Formel-1-Rennen. Das Cockpit baut er sich selbst. Bild: Beatrix Bächtold

Leute. Die Fans auf der Tribüne sind parat. Kevin Tix hört sie jubeln. Es ist heiss hier in Budapest.

Der Asphalt flimmert. Gerade schaut ein Mechaniker ins Cockpit seines Formel-1-Boliden. Tix hält den Daumen hoch. Und dann zieht er sich seine Rennhandschuhe an. So ein Hightechlenkrad mit Riemenantrieb muss man fest im Griff haben, um nicht neben der Strecke zu landen. Heute entschied sich Tix für harte Reifen und 41 Kilo Sprit. Formel-1-Piloten sind coole Typen. Die Welt liegt ihnen zu Füssen, aber eben nur in der realen Welt. Doch das Cockpit des Alfa Romeo, in dem Tix da an den Start geht, ist aus Holz und selbst gebaut – wie könnte es bei einem Schreiner anders sein. Es nimmt ein Drittel seines Gamer-Zimmers am Stadtrand von Frauenfeld ein. Vor einem Jahr packte den 36-Jährigen das Formel-1-Fieber. Es begann mit einem Aufruf auf Facebook. Und dann ging es im Formel-1-Tempo weiter. «Angeklickt, vorgestellt, angenommen, Proberennen», sagt er. Aktuell fährt «Tixer87», wie er sich in der Szene nennt, Ligarennen in der «Sim Racing League» als Stammfahrer im Rookiesplit, das heisst im Feld der Neulinge. Als Rennleiter ist er zudem Planer und Organisator. Bei ihm laufen nicht nur die Fäden zusammen. Er ist es auch, der die heissgelaufenen Jungs im Team auseinanderbringt, wenn die Nerven blank liegen.

«Im Rennen räumen wir uns auch gegenseitig ab. Und dann rumpelts und blinkts gewaltig.»

Simracing ist Spass und doch kein Spass. Zwar ist man im Team wie eine Familie und hält zusammen wie Pech und Schwefel. «Aber im Rennen räumen wir uns auch gegenseitig ab. Und dann rumpelts und blinkts gewaltig», sagt er. Wie in der richtigen Formel 1 geht es zur Sache. Aber eben nur virtuell. Die Finanzierung jedoch, die ist real. Ein Bremspedal ist teuer, ein Lenkrad auch – und die Zeit darf man nicht rechnen. Ob er nicht Sauber in Hinwil fürs Sponsoring anfragen könnte? Immerhin fährt er ja einen Alfa aus diesem Rennstall. Tix winkt ab. «Vergiss es! Ich muss selber investieren», sagt er. Doch halt, stopp, Ruhe! Noch einen Schluck aus der Cola-Dose. Die Fans auf der Tribüne werden unruhig. Das Rennen geht gleich los. Seine Mitfahrer haben schon eingecheckt. Sie sitzen jetzt irgendwo in Deutschland, Österreich und der Schweiz am Lenkrad vor dem Bildschirm, genauso ready wie Tixer87. Die Fahne schwenkt. Nach einer kurzen Quali gibt es acht Runden Sprintrennen, dann das Haupt- rennen von rund einer Stunde Dauer. Tix kommt erst spät ins Bett. «Wenn das Rennen fertig ist, bin auch ich fertig. Nach so einer Session ist der Kopf ganz schön beansprucht», sagt er. Immer mittwochs und sonntags ist Renntag. «Den Rest bin ich ein normaler Mensch», sagt er. Dann trifft man den Schreiner beim Wandern oder auf dem Golfplatz. Über die Mittagszeit oder am Wochenende baut er sich an der CNC in der Werkstatt seines Arbeitgebers, der A&S Holzbau GmbH in Wiesendangen ZH, einen «Sim Rig». So heisst die komplexe, dem Formel-1-Fahrzeug nachempfundene Sitzgelegenheit. «Selbstverständlich zahle ich einen Unkostenbeitrag, und die 150 auf 300 Zentimeter grosse Platte aus Birke-Multiplex geht auch auf meine Rechnung», sagt er. Die Pläne dafür kaufte er auf Ebay als PDF-Datei und schrieb sie dann für die CNC um. Den fertigen Sitz wird Tixer87 auspolstern.

Das wird er im eigenen Interesse sorgfältig machen, denn bei jedem Schalten brettert das Möbel wie auf der richtigen Strecke. Kevin Tix teilt sein Hobby mit Weltmeister Max Verstappen. Medienberichten zufolge soll dieser Anfang März, vier Stunden nach seinem Sieg in Jeddah, bereits wieder am Lenkrad gesessen sein – zum Runterfahren und virtuell.

Beatrix Bächtold

Veröffentlichung: 27. Mai 2024 / Ausgabe 21/2024

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