Der Prozess definiert die Maschine

Die Vielseitigkeit der CNC-Maschine führt zu veränderten Arbeitsprozessen im Betrieb. Bild: Homag

CNC-Maschine.  Beabsichtigt ein Schreiner, seinen Betrieb mit einem CNC-Bearbeitungszentrum zu erweitern, so ist ein gewisses Grundwissen unabdingbar. Viel wichtiger als Kenntnisse der Maschinendetails sind jene des eigenen Betriebes und dessen künftiger Ausrichtung.

Ein CNC-Bearbeitungszentrum (Baz) schafft man nicht eben mal so an. Dem Kauf einer solchen Maschine geht in der Regel ein längerer Entscheidungsprozess voraus. Im Zentrum steht dabei selbstredend erst einmal die Finanzierung. Es empfiehlt sich, gemeinsam mit einem Finanzexperten einen Kostenrahmen zu erstellen und die Zahlungsmethode festzulegen. Allein schon dieser Schritt würde Stoff bieten für einen Artikel. Doch die Schritte, welche auf das vorläufige Finanzierungskonzept folgen, sind nicht minder knifflig.

Dabei betont Michael Gwerder, Gebietsverkaufsleiter von Biesse, einen Grundsatz: «Der Prozess bestimmt das Produkt.» Damit spricht er einen der häufigsten Fehler bei der Herangehensweise zur Auswahl einer solchen Neuanschaffung an. Laut Gwerder verlieren sich viele Schreiner bereits in den Details der unterschiedlichen CNC-Bearbeitungszentren (Baz), bevor sie sich die Frage nach dem Ziel gestellt haben.

Analyse des eigenen Betriebs

Peter Niederer, Geschäftsführer der Homag Schweiz AG, sagt ganz klar: «Erst muss der Kunde genau erfassen, welche Produkte er herstellt und in welche Richtung er mit seinem Betrieb gehen will.» Niederer rät, die effektiv produzierten Objekte nicht nur prozentual, sondern auch in Stückzahlen festzuhalten. Produziert ein Betrieb beispielsweise zu 40 Prozent Küchen, zu weiteren 40 Prozent Objekte im allgemeinen Innenausbau und die restlichen 20 Prozent Türen, so entsteht erstmal der Eindruck, dass das Türensegment einen gewichtigen Anteil an der Produktion hat. Werden dann aber die effektiven Stückzahlen eingesetzt, so kommt unter Umständen heraus, dass im Laufe eines Jahres 50 Türen produziert werden, was gerade mal einer Tür pro Woche entspricht. Da stellt sich dann die Frage, ob diese Stückzahl einen massiven Preissprung bei der Anschaffung des neuen Baz rechtfertigt. In einem solchen Fall sollte unbedingt eine genaue Kosten-Nutzen-Rechnung erstellt werden.

Gerade KMU haben häufig ein sehr breites Arbeitsspektrum. Da kann es sich lohnen, die einzelnen Bereiche genau unter die Lupe zu nehmen und zu analysieren, mit welchen Arbeiten der Betrieb Geld verdient und welche mehrheitlich der Auslastung der Maschinen und der Mitarbeitenden dienen. «Es ist wichtig, zu erkennen, welcher Bereich die Stütze des Betriebes ist», sagt Niederer. Eine solche Analyse kann erstaunliche Erkenntnisse zutage fördern und ist deshalb nicht nur wertvoll bei der Entscheidungsfindung betreffend dem neuen Baz, sondern auch bezüglich der künftigen Ausrichtung des Betriebes.

Auf das Wesentliche reduzieren

Die Ziele des Betriebes haben wiederum einen grossen Einfluss auf die Wahl des Baz. Die Möglichkeiten bei der Konfiguration der Maschinen sind schier unendlich. Für den Schreiner, der sich im Unterschied zum Maschinenhersteller oder -händler nicht täglich mit den Weiterentwicklungen beschäftigt, ist es kaum möglich, die Thematik in ihrer gesamten Tiefe zu erfassen. Es lohnt sich für ihn deshalb nicht, allzu viel Zeit in das Studium der einzelnen technischen Maschinendetails zu investieren. «Das Pflichtenheft des Kunden sollte auf das erhoffte Ergebnis, also den erhofften Mehrwert für den Betrieb, fokussiert sein», sagt Niederer. «Das technische Wissen bringen wir mit.» Wichtig sei es, die Ansprüche auf des Wesentliche zu reduzieren. Denn oft führe der Sprung von den 70 bis 80 Prozent Erfüllungsgrad auf 100 Prozent zu einer unverhältnismässigen Kostenzunahme.

Vertikal als echte Alternative

Es ist also nicht zwingend notwendig, sich vor dem Kauf des ersten Baz zum absoluten Maschinenexperten zu entwickeln. Dennoch kann es nicht schaden, sich ein gewisses Grundwissen anzueignen, um das Feld bereits im Voraus etwas abzustecken. Eine zentrale Frage ist dabei, ob ein vertikales Bearbeitungszentrum in Betracht gezogen werden kann. Zu Anfangszeiten nicht als vollwertige Alternative zum horizontalen Pendant wahrgenommen, hat sich dieses für gewisse Produktionsbereiche längst etabliert. So insbesondere bei der Fertigung von Schrank- oder Korpuselementen.

Bei der horizontalen Bearbeitung stellt sich die Frage, ob sich der Konsolen- oder der Rastertisch besser eignet für die jeweilige Produktion. Der Konsolentisch kommt oft im klassischen Innenausbaubetrieb zum Einsatz. Dank der verschiebbaren Konsolen und der frei darauf positionierbaren Vakuumsauger lassen sich die zu bearbeitenden Werkstücke ohne Mühe aufspannen. Der grosse Vorteil des Konsolentisches liegt darin, dass die Werkstücke ohne Zusatzeinrichtung auch formatiert oder horizontal bearbeitet werden können, dafür sind die Spannmöglichkeiten je nach Werkstück und Vakuumsauger begrenzt.

Grosse Spannung für kleine Teile

Rastertische eignen sich mit ihrer geschlossenen Platte insbesondere zur Produktion von Formteilen oder eher kleineren Werkstücken. Die Form der Werkstücke lässt sich durch das Einlegen von Moosgummischnüren in das rechteckige Raster gut nachbilden und damit mittels Öffnungen im Tisch eine starke Vakuumspannung aufbauen. Rastertische werden deshalb oft auch im Modellbau eingesetzt. Grosser Nachteil dieses Systems: Horizontalbearbeitung oder Bearbeitungen der gesamten Plattendicke wie das Formatieren sind nur mit zusätzlichen Einrichtungen möglich. Das ist aber nur die halbe Wahrheit, denn der Rastertisch ermöglicht das Nestingverfahren, bei welchem verschiedene Plattenkonturen mit möglichst wenig Verschnitt aus einer aufgelegten Platte ausgefräst werden. Dies durch eine auf den Maschinentisch aufgeschraubte Verschleissplatte aus MDF, durch welche hindurch die zu bearbeitende Platte per Vakuum angesaugt wird. Nesting eignet sich insbesondere für das Ausfräsen von Freiformen und kann bei Teilen unterschiedlicher Länge und Breite eine Alternative sein zur Plattensäge.

Vom Haupt- zum Nebenschauplatz

Etwas in den Hintergrund gerückt ist hingegen die Frage nach der Bauform der Maschine. Bestand früher ein grosser Unterschied zwischen Ausleger- und Portalmaschinen, ist dieser heute nur noch marginal. Bis 2013 durften Auslegermaschinen vorne offen gebaut werden, womit auch überbreite Platten aufgelegt werden konnten. Heute muss die Haube aufgrund verschärfter Sicherheitsvorschriften vorne heruntergezogen sein. Die Auslegermaschine ist seither nicht mehr bei allen Herstellern im Angebot. Biesse verfügt mit der Rover A 1632 noch über ein Modell. «Der Vorteil ist, dass bei einer Tiefe des Maschinentisches von 1660 mm trotzdem 2100 mm breite Platten aufgelegt werden können», erklärt Michael Gwerder. Zur kompletten Bearbeitung werden diese dann gedreht. «Bei einer Portalmaschine müsste man dafür auf ein grös-seres und teureres Modell gehen», sagt Gwerder. Standard ist heute die Portalmaschine, die im Gegensatz zur Auslegermaschine auf beiden Seiten abgestützt ist, was sie stabiler macht und eben dieses Portal bildet. Ein ähnliches Erscheinungsbild haben Gantrymaschinen. Diese verfügen jedoch über beidseitig angetriebene Fahrportale und sind an den Motoren auf beiden Seiten zu erkennen.

Achsen als Glaubensfrage

Und dann ist da noch die Frage der Achsen, die in Schreinerkreisen immer mal wieder diskutiert wird – genau wie auch unter den Maschinenexperten. Peter Niederer beispielsweise ist nach eigenen Aussagen sehr zurückhaltend mit dem Verkauf von 5-Achs-Maschinen. Er vertritt die Meinung, dass 80 % der Fälle mit einer 4-Achs-Maschine abgedeckt werden können und die Bearbeitungsprozesse mit den nötigen Aggregaten schneller und effizienter durchführbar sind. «Die 5-Achs-Maschinen sind wegen der aufwendigen Konstruktion teilweise ungenau, wenn sie nicht wirklich als 5-Achs-Maschinen gebaut sind», sagt er. Ausserdem seien die Prozesse langsamer und komplizierter sowie die Wartungs- kosten höher. Anders sieht das Michael Gwerder: «Viele Schreiner entscheiden sich bewusst für eine 5-Achs-Maschine, da der Aufpreis von gut 10 000 Franken pro zusätzlicher Achse beim Gesamtpreis nicht mehr so sehr ins Gewicht fällt und sie so auf keine Zusatzaggregate angewiesen sind.» Im Endeffekt hängt auch die Anzahl der Achsen von der Ausrichtung des Betriebes und der Zukunftsorientierung ab.

Einfluss auf die gesamte Produktion

Beginnt sich der Schreiner mit dem Kauf eines Bearbeitungszentrums zu beschäftigen, so können bereits die rudimentärsten Fragen zu einer kniffligen Sache werden, und dabei ist man noch weit entfernt von den technischen Details und von den schier endlosen Möglichkeiten der Programmierung und der Datenübertragung.

Deshalb sind sich die beiden Experten einig: Je besser der Schreiner die Prozesse und die Ziele des eigenen Betriebes definieren kann, desto einfacher wird es, die Maschine auf die Bedürfnisse anzupassen. Im Bezug auf die Maschine genüge ein Grundwissen. «Kommt der Schreiner mit zu konkreten Anforderungen an eine Maschine auf uns zu, so ist der Preis in vielen Fällen höher, als wenn wir ein passendes Angebot für ihn ausarbeiten», sagt Peter Niederer. Diese Aussage bestätigt auch Michael Gwerder. Er erstelle nie eine Offerte, ohne sich vor Ort ein Bild gemacht zu haben. Damit spricht er ein wichtiges Thema an: Der Kauf eines Baz beeinflusst die gesamte Produk-tion und ist deshalb zwingend im Zusammenhang mit den Betriebsabläufen zu planen. «Wir verkaufen keine Maschinen, wir verkaufen Prozesse», bringt es Peter Niederer auf den Punkt.

www.biesse.comwww.homag.com

Monika Hurni

Veröffentlichung: 02. Februar 2021 / Ausgabe 6/2021

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