Die Wirkung des Schattens

Wenn der Schatten fast wichtiger wird als die Leuchte selbst: Die Ständerleuchte «Maranga» von Christophe Mathieu für das spanische Label Marset. Bild: SchreinerZeitung

Messebericht Euroluce.  Jedes zweite Jahr strahlen an der Möbelmesse in Mailand auch Leuchten um die Wette. Letzte Woche war es so weit. Die SchreinerZeitung hat in den vier Messehallen nach Leuchten gesucht, die nicht nur gut aussehen, sondern auch interessante Schatten werfen.

Letzte Woche fand auf dem Messegelände im Mailänder Vorort Rho die 27. Ausgabe der Euroluce statt. Zumindest am Wochenende dürfte den Messebesuchern das Bedürfnis nach künstlichem Licht etwas vergangen sein, denn das frühsommerliche Wetter lockte nach draussen. Dennoch waren die vier Hallen gut besucht, in denen auf insgesamt 38 000 m2 Ausstellungsfläche rund 450 internationale Labels ihre Leuchten ins beste Licht rückten.

Funktions- und Akzentlicht

Generelle Trends waren kaum auszumachen. Vielmehr ist eine wachsende Diversifizierung zu beobachten. Die Bandbreite an Technologien, Philosophien und Kreationen war wohl so gross wie noch nie.

Aus technologischer Sicht schreitet die Entwicklung der OLED voran. Philips zeigte verschiedene Produkte auf Basis der flachen Lichtplatine. Zu sehen waren beim niederländischen Leuchtmittelproduzenten nebst einiger Installationen und zukunftsgerichteter Anwendungsmöglichkeiten vor allem quadratische Leuchtmodule mit einer Seitenlänge von 124,5 mm, einer Dicke von lediglich 3,3 mm und einer Betriebsspannung von 14,5 Volt. Ab einer gewissen Bestellmenge sind laut Hersteller auch andere Platineformen erhältlich. Obwohl nicht nur in technischer Hinsicht sehr inspirierend, liegt die «Lumiblade» mit einer Lichtausbeute von 16,7 lm/W bezüglich Effizienz nur knapp über der Glühbirne. Auch wegen des relativ hohen Preises dürfte die OLED-Technologie für den flächendeckenden Einsatz als Funktionslicht also noch nicht in jedem Fall geeignet sein.

Wo Licht ist, ist auch Schatten

Dafür erwärmt die flache Leuchtplatine die Herzen – gerade weil sie im Gebrauch kaum Wärme entwickelt. Auch dank der geringen Dicke wird das Leuchtmittel den Umgang mit Licht noch revolutionieren. Denn zum Glück sind nicht bei allen Anwendungen in erster Linie technische Werte gefordert – in manchen Situationen ist Stimmungslicht genau das Richtige. Wer auf der Suche nach solchem war, wurde an der diesjährigen Euroluce ebenfalls fündig. Etliche internationale Labels setzten dieses Jahr auf Kreationen, bei denen sich der Schatten bezüglich Lichtstimmung angenehm in den Vordergrund drängte und die Wand modulierte. Solche Lösungen stehen dem Innenausbau nahe, denn sie zeigen neue Wege und Alternativen auf, wie Licht in diesem Bereich eingesetzt und geleitet werden kann. Aus diesem Grund hat sich die SchreinerZeitung vor allem auf Lichtbilder fokussiert und zeigt in der Folge einige Fundstücke.

Vom Wasser inspiriert

Vielfach umgesetzt wurden von den ausstellenden Firmen die Lichteffekte, die von fliessendem Wasser ausgehen. Im Sommer ist das Phänomen jeweils sicht- und erlebbar: Scheint die Sonne auf eine Wasseroberfläche, reflektiert diese die Lichtstrahlen und wirft ein Wellenmuster in den Raum. Den bewegenden und beruhigenden Effekt, der von dieser Projektion ausgeht, haben sich nun einige Designer zunutze gemacht.

Unter diesem Aspekt betrachtet, stach auf dem Salone Satellite, einer Sonderausstellung von jungen Designern, besonders ein Projekt heraus: «Beyond Object» nannten Poetic Lab und Studio Shikai ihre Installation. Ein rotierendes Ei aus zerknittertem Glas wurde von geballtem Licht angeleuchtet und warf seine Konturen an die Wand. Durch die Rotation waren diese ständig in Bewegung, so dass ein fliessendes Muster entstand, welches eine fast hypnotisierende Wirkung entfaltete.

Glaskugeln wie Regentropfen

Eine etwas statischere, aber nicht weniger wirkungsvolle Umsetzung des Prinzips war bei Terzani sichtbar. Das italienische Label wurde vor vierzig Jahren von Sergio Terzani in Florenz gegründet. Sein Sohn und jetziger Geschäftsführer Nicolas Terzani zeichnet fürs Design der Leuchte «Mizu» verantwortlich. Der Namenszusatz «Flowing Light» ist für das Produkt sehr bezeichnend. Denn auch hier ist es Wasser, das den entscheidenden gestalterischen Impuls gab – nicht nur für den Schattenwurf, sondern auch für die Tropfenform der einzelnen Lampen. Dank individueller Fertigung ist gemäss Hersteller keine Kugel gleich wie die andere. Sie sind von Hand aus Kristallglas gefertigt, welches per Definition einen Bleianteil von 24% oder mehr enthält. In hohen Räumen kommt «Mizu» besonders gut zur Geltung. Oder – um die Schattenwirkung zu zelebrieren – von oben hängend nahe an einer Wand. Zu tief hängend im Raum verteilt dürften die Glaskugeln nur an einer Messe Sinn machen. Zu schnell schlägt man sich an den schweren Tropfen den Kopf an.

Ganz schön nützlich

Etwas weniger Poesie, dafür einen Anteil an gerichtetem Licht nach unten hin bietet die Leuchte «Maranga» vom katalanischen Label Marset. Ihre Grundform ist wie das Gehäuse eines überdimensionalen Seeigels. Der Name bezeichnet laut Hersteller eine imaginäre Frucht. 32 scharf geschnittene Sektoren aus Polycarbonat fügen sich zum flachgepressten Rund zusammen. Aus den Zwischenräumen scheint das Licht, für dessen gleichmässige Verteilung eine Kunststofflinse im Innern besorgt ist. Je nach Montageort und -winkel entstehen auf der Wand oder an der Decke langgezogene, dreieckige Lichtkegel, welche das Objekt wie eine Sonne erscheinen lassen. Für die Gestaltung war Christophe Mathieu zuständig. Der in Hamburg geborene Designer lebt und arbeitet in Barcelona.

Irritierende Konturen

Bei der Wandleuchte von Bomipark steht der Schatten zwar nicht im Zentrum, bildet aber dennoch ein zentrales Element. Er widerspiegelt das Flechtwerk, aus dem die Leuchte aufgebaut ist, und verleiht damit auch flachen, einfarbigen Wänden eine gewisse Kontur. Das junge Label Bomipark stellte in Mailand am Salone Satellite eine ganze Möbelkollektion aus, die vollends irritiert und daher eher in der Kunst als im Design anzusiedeln ist. Sie umfasst diverse Tische, Stühle, Leuchten und sogar Kombinationen aus diesen Objekttypen. Das Spezielle daran: Durch den Aufbau aus Gitterdraht scheinen sich die Objekte optisch richtiggehend aufzulösen, während sie faktisch dennoch ihre angestammte Funktion wahrnehmen.

Die Wand miteinbeziehen

Es ist bekannt, dass Schatten farblich verfälscht werden, wenn sie von zwei unterschiedlichen Lichtfarben herrühren. Sie erscheinen dann in der komplementären Farbe zur Lichtquelle. Wer mit Schatten arbeitet, der sollte sich immer auch Gedanken über die Beschaffenheit der Wand machen. Sobald diese eine Eigenfarbe besitzt, ist auch die Abstrahlung von Interesse. Sie kann die angegebene Lichtfarbe deutlich verfälschen. Wer eine gute Farbwiedergabe wünscht, wird demnach auf weisse Wände setzen.

Wer Spannung und Dramatik mag, der dürfte nichts gegen ein Spiel mit dem Schatten einzuwenden haben. Die dadurch entstehenden Kontraste versprühen nicht zuletzt auch in Innenräumen eine sommerliche Atmosphäre. Eine solche dürfte vielerorts gefragt sein. Auch im Winter. Und der kommt bestimmt.

www.lumiblade.comwww.shikaitseng.comwww.terzani.comwww.marset.comwww.bomipark.com

Dass interdisziplinäre Zusammenarbeit den Horizont weitet und Projekte beflügeln kann, ist bekannt. Ebenfalls bekannt ist, dass alles Wissen nichts nützt, wenn man es nicht umsetzt und etwas daraus macht.

Synergien uneingeschränkt nutzen

Das eigentlich für Mode bekannte Label Diesel hat es gemacht: Kürzlich brachte es in Kooperation mit dem italienischen Leuchtenhersteller Foscarini seine ersten Leuchten auf den Markt. Diese liessen sich nun in Mailand begutachten. In einer Spezialausstellung waren zudem etliche Prototypen von jungen Designern zu sehen, die den Gedanken der Materialkombination weitertragen. Da gab es Leuchten aus verwaschenem Jeansstoff oder Schirme mit dick ausgeprägten Nähten. Das Credo scheint zu lauten: Furniture goes Fashion. Ob das auch für die Lebensdauer von Objekten gilt? Jedenfalls hat Diesel mit Moroso (Möbel) und Scavolini (Küchen) auch hier Partner gefunden.

www.diesel.comwww.foscarini.com

Euroluce in Zahlen

Licht am laufenden Band

Die Euroluce fand im Rahmen der alljährlich stattfindenden Mailänder Möbelmesse vom 9. bis am 14. April statt. In vier Hallen präsentierten sich rund 450 internationale Aussteller auf 38 000 m2 Ausstellungsfläche. Die Messeschwerpunkte lagen bei energiesparenden, nachhaltigen Lichtkonzepten. Ebenso wurde von den Messeverantwortlichen Wert auf die Bekämpfung von Lichtverschmutzung gelegt. Besonders im öffentlichen Bereich war damit zielgerichtetes Licht im Trend.

www.cosmit.it

MW

Veröffentlichung: 18. April 2013 / Ausgabe 16/2013

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