Durchdachte Produktionsgemeinschaft

Die Kehlmaschine wird zwar gemeinsam ge-nutzt, aber jede Firma hat ihr eigenes Kehl-werkzeug in ihrer Hälfte des Werkstatt-möbels.

Gemeinsame Maschinennutzung.  Vieles muss stimmen, damit zwei Betriebe einen gemeinsamen Maschinenpark unterhalten können. Wenn die Abläufe funktionieren und die Zuständigkeiten klar geregelt sind, ist es aber eine Bereicherung für alle Beteiligten.

Eine Schreinermaschine muss «laufen» und produzieren. Je nach Betriebsorganisation und Auslastung kommt es jedoch vor, dass die Maschinen über längere Zeit im Produktionsprozess stillstehen. Um eine optimale Auslastung des Maschinenparks zu erhalten, ist die gemeinsame Nutzung der Produktion eine interessante Möglichkeit. Das Beispiel im Artikel zeigt, wie sich zwei autonome Schreinerbetriebe gemeinsam einen Standort eingerichtet haben und sich Teile der Infrastruktur teilen.

Schicksalsgemeinschaft

Wie es zum örtlichen Zusammenschluss der beiden Schreinerbetriebe aus Aeschi BE kam, ist im Nachhinein eine Abfolge glücklicher Ereignisse. Die Schreinerei P. von Känel GmbH stand durch eine Umnutzung der bisherigen Liegenschaft plötzlich vor einem auslaufenden Mietverhältnis. Die Thomann Holzbau AG war ihrerseits gerade in der Optimierungsplanung des bestehenden Betriebsgebäudes. «Für mich stand die Entscheidung im Raum, ob ich meinen Betrieb auflöse oder mich an einem anderen Standort geografisch neu orientiere», sagt Peter von Känel, Inhaber der P. von Känel GmbH. Schon lange pflegten die beiden Firmen einen regelmässigen Austausch und arbeiteten auch bei vergangenen Aufträgen zusammen. «Wir hatten immer ein gutes Verhältnis untereinander und die Sympathie war stets vorhanden», sagt Patrick Thomann, Inhaber der Thomann Holzbau AG.

Nach einigen Gesprächen war schnell klar, dass die zwei Schreinereien sich auf das Experiment einlassen wollten.

Es wurde ein zehnjähriger Mietvertrag abgeschlossen und da sich die Thomann Holzbau AG ebenfalls gerade in einer Optimierungsphase der Betriebsräume befand, entschieden sich die Geschäftsführer, eine aktive Planungsgemeinschaft einzugehen. Das Gebäude sollte erweitert und die Ablaufplanung den neuen Gegebenheiten angepasst werden. Seit 1. November 2014 produzieren die zwei Betriebe mit insgesamt 20 Mitarbeitern nun am gleichen Standort.

Ergänzende Produktion

Dass sich das Angebot der beiden Schreinereien ergänzt und somit nicht in Konkurrenz steht, war ein wichtiges Element für den Entscheid zur Zusammenarbeit. Die P. von Känel GmbH fertigt Küchen, Schränke und Möbel und die Thomann Holzbau AG hat sich im Schreinerbereich auf Fenster, Türen sowie Innenausbau spezialisiert und hat eine zusätzliche Zimmereiabteilung. Die Vielfalt des Angebots bietet die optimalen Voraussetzungen, um sich produktionstechnisch zu ergänzen.

Neben den planerischen Vorteilen, wie beispielsweise der Maschinenauswahl, mussten Fertigungsengpässe so gut wie möglich vermieden und die gemeinsame Platznutzung mit eingeplant werden. «Wir konnten unsere bestehenden Maschinen vergleichen und uns die besten für die neue Produktion heraussuchen», sagt Peter von Känel. Das Projektteam hat Abläufe und Szenarien durchgespielt, um die optimale Produktionsplanung für die Betriebe zu erhalten.

Anlieferung und Zuschnitt

In diesem Bereich ist die gemeinsame Maschinennutzung gut erkennbar. Das ganze Plattenmaterial wird nach der Anlieferung auf der neueren Striebig der Firma P. von Känel GmbH zugeschnitten. Massivholz- und Mehrschichtplatten werden auf der älteren Striebig der Thomann Holzbau AG verarbeitet. Das gesamte Massivholz wird ganz von der Thomann Holzbau AG verarbeitet. «Beim Massivholz kann ich die Maschinen und die Erfahrungen meines Partners voll für meinen Betrieb nutzen», sagt von Känel.

Die Material- und Beschlägeanlieferung erfolgt noch einzeln für jeden Betrieb. Durch die grösseren Abnahmemengen wäre hier noch Raum für weitere Optimierungen. «Sobald uns Ende Jahr die ersten Kennzahlen vorliegen, werden wir uns sicher mit unseren Zulieferern zusammensetzen und unsere Margen besprechen», sagt Thomann.

Produktion

Der grosse gemeinsam genutzte Produktionsraum kann optisch in der Mitte unterteilt werden. Auf der einen Seite befindet sich der Winkelautomat für die Fensterproduktion und auf der Gegenseite die CNC und der Kantenleimautomat für die klassische Schreinerproduktion. Die grossen Maschinen werden ausschliesslich durch die Maschinisten der jeweiligen Firmen bedient. In der Mitte der Produktion stehen die Maschinen, die beide Betriebe gemeinsam nutzen. Die Zylinderschleifmaschine und die Kehlmaschine haben aber eine besondere Benutzungsregelung. «Wir haben uns auch lange überlegt, ob und wie wir uns die Maschinennutzung gegenseitig verrechnen. Nun haben wir uns dazu entschlossen, dass diese Leistung nicht verrechnet wird», sagt von Känel. Dafür hat auch jeder Betrieb für sein eigenes Werkzeug an der jewei- ligen Maschine zu sorgen. Das bedeutet, dass die Kehlwerkzeuge und Schleifbänder, also die Verbrauchsmaterialien, individuell von den jeweiligen Betrieben organisiert werden.

Bankraum

Ein ähnlich offenes Bild wie im Maschinenraum bietet sich im gemeinsamen Bankraum. Die beiden Abschnitte werden optisch in der Mitte durch die Absaugung getrennt. Zentral und von beiden Bankraumbereichen gut zu erreichen ist die Tischfräse. Diese wird von beiden Belegschaften gemeinsam genutzt. «Wir haben uns dazu entschlossen, die Tischfräse als zentrales Element im Bankraum zu platzieren, weil sie eine Verbindung und gleichzeitig eine Abgrenzung darstellt», sagt Patrick Thomann.

Umgang mit Berührungspunkten

Ein Schlüsselelement im Produktionsablauf beider Betriebe ist die Hebebühne. Sie verbindet das Erdgeschoss mit dem Obergeschoss. Im Erdgeschoss befinden sich der Massivholzzuschnitt sowie die An- und Auslieferung. Im Obergeschoss befindet sich die Produktion, mit dem Plattenzuschnitt und dem gemeinsamen Bankraum. Deshalb müssen mehr oder weniger alle Aufträge die Hebebühne passieren. Die Handhabung der Hebebühne habe die Belegschaft vorbildlich gemeistert, lobt Thomann.

Es brauchte Rücksicht und eine gute Auslastungsplanung, um die Berührungspunkte möglichst klein zu halten. «Da sich viele Mitarbeiter auch privat gut verstehen oder sich aus einem Verein kennen, ergibt sich ein regelmässiger Austausch. Für uns ist es wichtig, dass Probleme sofort angesprochen werden», sagt von Känel. Auf diese Weise können gewisse Punkte gerade bei der Entstehung beseitigt oder eine gemeinsame Einigung gefunden werden. Deshalb ist beiden Firmeninhabern die Sauberkeit im Betrieb sehr wichtig. Vor allem bei der gemeinsamen Maschinennutzung beugt dies vielen Problemen vor. «Wir erwarten, dass jeder die Maschinen nach der Arbeit sauber und aufgeräumt hinterlässt», ergänzt von Känel.

Optimierungspotenzial

Da die beiden Betriebe schon zu Beginn mit einer Planungsgemeinschaft die Produktion auf ihre Bedürfnisse abstimmten, konnten schon viele Punkte im Vorfeld optimiert werden. «Wir haben aber schon einige neue Ideen im Kopf, wie wir unsere Betriebsabläufe noch effizienter gestalten und die Synergien besser nutzen könnten», sagt Thomann.

Die Vorteile überwiegen

Durch die Zusammenführung hat sich nicht nur die Kapazität erhöht. Beide Seiten können auch vom Know-how und den Kontakten des anderen profitieren. Der Zusammenschluss bietet ebenfalls Vorteile für die Lernenden. Sie haben die Möglichkeit, in die unterschiedlichen Bereiche beider Betriebe zu sehen, und können viele praktische Erfahrungen sammeln. «Wir setzen die Lernenden gezielt im anderen Betrieb ein und bilden sie gemeinsam aus», sagt Thomann. Die gemeinsame Nutzung der Produktionsmaschinen und die enge Zusammenarbeit sind ein Ansporn für die Inhaber und die Belegschaft. «Durch den Einblick in die anderen Arbeitsweisen und die neuen Konstellationen ist ein ganz neuer Drive eingekehrt», sagt von Känel.

Für Interessierte gibt es die Möglichkeit, die «Aeschi Gwärb 2015» in der Kanderarena von Mülenen BE vom 20. bis 22. November 2015 zu besuchen und sich persönlich mit den beiden Betriebsinhabern über ihre Erfahrungen auszutauschen.

www.thomann-holzbau.chwww.vonkaenelgmbh.ch

njg

Veröffentlichung: 21. Mai 2015 / Ausgabe 21/2015

Artikel zum Thema

02. Mai 2024

Automatisiert auf engstem Raum

Kleinroboter.  Ob Bestücken, Palettieren, Schleifen, Lackieren, Bohren oder Schrauben: Die Anwendungsbereiche von Kleinrobotern in Handwerksbetrieben sind vielfältig. Die Schreinerzeitung hat einige Hersteller und Roboter genauer angeschaut.

mehr
02. Mai 2024

Damit kein Loch aus der Reihe tanzt

Bohrautomaten.  Wo gebohrt wird, entstehen Löcher. So viel ist sicher. Wie gebohrt wird, ist hingegen je nach Betrieb unterschiedlich. Die Nachfrage bei den Händlern zeigt, dass CNC-gesteuerte Maschinen Standard sind. Aber es gibt sie noch, die klassischen Bohrautomaten.

mehr

weitere Artikel zum Thema:

Maschinen