Ein Gurt ist kein Gurt

So nicht: Lose Gegenstände auf der Ladefläche und nicht gebündelte, abgespannte Latten auf den Trägern. Bild: Zurrfix AG

Ladungssicherung.  Das korrekte Sichern von schwerer sowie kleiner und vermeintlich ungefährlicher Ladung wird oft vernachlässigt. Mit dem entsprechenden Know-how und der richtigen Ausrüstung lässt sich dies aber schnell und sicher bewerkstelligen.

Leicht angespannt lauscht man, ob irgendwelche Geräusche von der Ladefläche zu vernehmen sind. Dann die Erleichterung, kein Rutschen oder Scheppern zu hören, die fertig lackierten und mit einem Strick festgebundenen Türen scheinen zu halten. Hand aufs Herz – wer hatte nicht schon einmal ein mulmiges Gefühl, als er mit dem vollbeladenen Lieferwagen nach dem Verlassen der Werkstatt durch die erste Kurve fuhr?

Das Gesetz ist klar

Während in anderen Branchen das sachgemässe Sichern der Ladung zur Ausbildung gehört, fristet das Thema bei den Handwerkern manchmal ein nebensächliches Dasein. Vor allem dann, wenn die Fahrstrecke kurz und die Zeit knapp ist. Das Gesetz und auch ein Bundesgerichtsentscheid sprechen aber eigentlich eine deutliche Sprache (siehe Box Seite 11 sowie Artikel auf Seite 15) . Wie eine Ladung im Detail korrekt gesichert werden muss, damit sie den Anforderungen genügt, findet man in umfassenden Dokumentationen des Schweizerischen Nutzfahrzeugverbandes (Astag), des Chauffeurverbandes Les Routiers Suisses sowie der Anbieter von Fahrzeugeinrichtungen und Zurrmitteln.

Zurrmittel zur Verfügung stellen

Die Grundsätze sind aber immer dieselben und beginnen bereits bei der richtigen Ausrüstung des Fahrzeuges und der Zurrmittel. Viele, insbesondere ältere Transportfahrzeuge sind auf der Ladefläche nur mit einigen wenigen oder gar keinen Zurrpunkten versehen. Der Fahrzeuglenker hat also gar nicht die Möglichkeit, seine Ladung richtig festzuzurren. Patrick Schneider, Geschäftsführer der Schneider Fahrzeugeinrichtungs GmbH in Döttingen, kennt diese Problematik und appelliert auch an die Verantwortung der Vorgesetzten: «Der Chef hat dafür zu sorgen, dass seine Angestellten die nötigen Mittel und Möglichkeiten zur Ladungssicherung zur Verfügung haben. Denn wenn etwas passiert, hat nicht nur der Fahrer ein Problem, sondern auch der Chef kann in Bedrängnis geraten.» Jetzt einfach ein paar Zurrösen irgendwo an die Karosserie zu schrauben, ist aber auch nicht zielführend. «Vom Fahrzeughersteller gibt es genau vorgegebene Stellen, welche für die Befestigung von Fahrzeugeinrichtungen und Zurrösen vorgesehen sind», ergänzt Schneider. Moderne Fahrzeugeinrichtungen sind ohnehin mit Zurrschienen ausgestattet. Sie erlauben ein individuelles Platzieren von Zurrpunkten und Klemmbalken. Wichtig dabei ist die Beachtung der maximal zulässigen Belastung.

Das Etikett muss dran sein

Ebenfalls kennen muss man die Werte seiner Zurrmittel. Normalerweise sind diese auf einem aufgenähten Etikett zu finden. Bei einer Kontrolle dienen diese Werte der Polizei als Berechnungsgrundlage, ob die Ladung ausreichend gesichert ist. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, Gurte mit abgerissener oder nicht mehr lesbarer Beschriftung zu entsorgen. «Aufgrund der fehlenden Beschriftung und Kennzahlen sind auch irgendwelche Stricke und Seile nicht geeignet», ergänzt Othmar Meyer, Geschäftsführer der Zurrfix AG in Sursee.

Gurte mit Schnitten, defekten Nähten oder anderen starken Abnutzungserscheinungen sowie verbogene Spann- und Befestigungselemente sind auch zu ersetzen. «Ein Verfallsdatum haben Zurrgurte aber nicht. Das Datum auf der Etikette sagt lediglich aus, wann sie produziert wurden», sagt Othmar Meyer.

Die Reibung erhöhen

Bei der Ladungssicherung unterscheidet man grundsätzlich zwischen folgenden Methoden:

  • Schräg- oder Diagonalzurren
  • Kraftschluss (Niederzurren)
  • Formschlüssig

Für den Schreiner sind im Besonderen die letzten beiden Varianten interessant. Beim Niederzurren wird die Ladung mithilfe der Spanngurte auf die Ladefläche gezurrt. Die dadurch entstehende Reibung verhindert horizontale Verschiebungen der Ladung. Zudem werden auch vertikale Bewegungen verhindert. Bei diesem Zurrverfahren spielen der STF-Wert, der Spannwinkel des Gurtes und der Gleitreibwert eine wesentliche Rolle. Sprich: Je mehr Spannung man aufbringt, desto mehr Reibung entsteht und desto besser hält die Ladung. Kann man also die Ladung fast senkrecht auf die Ladefläche zurren und verwendet man zusätzlich noch eine Antirutschmatte, braucht es weniger starke oder insgesamt weniger Spanngurte.

Entsprechende Tabellen und Hilfsmittel zur einfachen Berechnung findet man ebenfalls in den Dokumentationen der Verbände und Händler. Allgemein gilt: Ein Gurt ist kein Gurt – immer mindestens zwei Zurrgurte anbringen.

Kombinierte Methode

Bei der formschlüssigen Sicherung wird die Ladung direkt an die Stirn- oder Seitenwand angelehnt. Wichtig dabei ist, dass Hohlräume mithilfe von Paletten oder Klötzen aufgefüllt werden. Diese Art von Ladungssicherung funktioniert aber nur, wenn die Fahrzeugwände entsprechend aufgebaut sind, einfache Blachen reichen hierfür nicht aus.

Häufig werden die kraft- und formschlüssige Methoden kombiniert angewandt, weil die Ladung auch zur Seite und nach hinten gesichert sein muss. Alternativ bietet sich zudem der Einsatz der erwähnten Klemmbalken an.

Ladeeinheit und Kantenschutz

Egal, für welche Sicherung man sich entscheidet, wenn möglich sollten einzelne Teile wie zum Beispiel ein Stapel Türen auf einem Palett oder mehrere Montagelatten immer zu einer Ladeeinheit gebündelt werden. Dies erleichtert das Handling beim Be- und Entladen und verhindert, dass ein Teil aus dem Stapel rutscht, wodurch die ganze Sicherung versagt. Dafür empfehlen sich Umreifungsgurte mit Ratsche oder Klemmschloss sowie Einwegumreifungsbänder aus Kunststoff oder Metall.

Ist der Kantenradius kleiner als die Dicke des Gurtes, gilt die Kante als scharf. Deshalb empfiehlt sich grundsätzlich der Einsatz von Ecken- und Kantenschutzmittel, um die Zurrgurte zu schützen. Zudem verteilt sich so die Spannung besser über die ganze Ladung.

Ein Netz reicht nicht immer

Vielfach werden aber schwere Ladungen lediglich mit einem Netz auf der offenen Ladefläche gegen das Herunterfallen gesichert. Eine Situation, die gemäss Kantonspolizei Zürich öfters angetroffen wird und in keiner Weise den Vorschriften genügt, denn mit einem gewöhnlichen Netz kann die Ladung nicht ausreichend festgezurrt werden. Bei einer Vollbremsung oder einem Unfall gerät das Material unweigerlich ins Rutschen und entwickelt zerstörerische Kräfte. Einfache Netze oder Blachen werden deshalb nur für leichte Materialien wie zum Beispiel Karton empfohlen.

Ab in die Kiste

Oft trifft die Kapo Zürich im Laderaum lose herumliegendes Werkzeug und Kleinmaterial an. Insbesondere bei Fahrzeugen ohne Trennwand zum Fahrgastraum stellt dies eine Gefahr für alle Insassen dar. Dasselbe gilt übrigens auch für Kombis, die zum Beispiel im Aussendienst im Einsatz sind. Abhilfe schaffen hier wie bei den schweren Transportgütern nur entsprechende Fahrzeugeinrichtungen und Sicherungen. Alles Montagematerial, das in Kisten und Schubladen verstaut oder mit Zurrmitteln gesichert ist, gilt als unproblematisch.

Einrichtung selber bauen?

In der Schweiz gibt es bezüglich Fahrzeugeinrichtungen aber noch kaum Vorschriften, sofern sie wieder rückbaubar sind. Der Schreiner kann also ohne Weiteres seine eigene Einrichtung aus Multiplex-Platten bauen. «In Frankreich ist es aber mittlerweile so, dass nur noch geprüfte und zertifizierte Fahrzeugeinrichtungen verbaut werden dürfen», weiss Patrick Schneider. Er räumt ein, dass diese Entwicklung natürlich Wasser auf die Mühlen der Fahrzeugeinrichter ist, relativiert aber: «Wenn aufgrund schlecht gesicherter Ladung ein Unfall passiert, gehen die Probleme erst richtig los.» Nebst Bussen und Verfahren schauen dann auch die Versicherungen genau hin, vor allem wenn Personen zu Schaden kommen. Fahrzeugeinrichter und Zurrmittelhersteller bieten ausserdem Schulungen an, in denen verschiedene Zurrmöglichkeiten anhand von Alltagsbeispielen des jeweiligen Betriebes angeschaut werden.

www.schneider-gmbh.chwww.zurrfix.chwww.astag.chwww.routiers.chwww.kapo.zh.ch

Gesetze und Begriffe

Strassenverkehrsgesetz Art. 30 Abs. 2

Fahrzeuge dürfen nicht überladen werden. Die Ladung ist so anzubringen, dass sie niemanden gefährdet oder belästigt und nicht herunterfallen kann. Überhängende Ladungen sind bei Tag und Nacht auffällig zu kennzeichnen.

Bundesgerichtsentscheid 97 II 238

Soll eine Ladung diesen Anforderungen (Art. 30 Abs. 2 SVG) genügen, so muss ihre Stabilität nicht nur für den normalen Verkehr, sondern auch für den Fall leichter Unfälle gewährleistet sein.

Deka-Newton (daN)

Entspricht 10 Newton, also etwa der Gewichtskraft, die auf eine Masse von 1 kg wirkt.

Standard hand force (SHF)

Gibt an, wie viel Handkraft mit dem Spannhebel erreicht wird.

Standard tension force (STF)

Die erreichbare Vorspannkraft, die unter normalen Bedingungen mit der Ratsche möglich ist.

Lashing capacity (LC)

Die maximale Belastbarkeit des Zurrgurtes direkt oder als Umreifung.

Gleitreibbeiwert (μ)

Der Wert hängt von der Oberflächenbeschaffenheit der Ladung und der Ladefläche ab. Ein hoher Gleitreibbeiwert bedeutet viel Reibung, die Ladung gerät weniger schnell in Bewegung.

Checkliste Ladungssicherung

  • Wird das Gesamtgewicht nicht überschritten?
  • Ist die Schwerpunktlage in Ordnung?
  • Sind genügend und ausreichend starke Zurrpunkte vorhanden?
  • Kann formschlüssig geladen werden?
  • Ist die Ladefläche sauber und trocken?
  • Werden Antirutschmatten benötigt?
  • Braucht es Kantenschutzmittel?
  • Sind die Zurrgurte in einwandfreiem Zustand?
  • Sind die Gurte nicht verdreht oder verknotet?
  • Wurde wirklich alles fixiert, auch nicht benötigtes Zurrmaterial und zu lange Zurrgurte?
  • Nach kurzer Fahrt die Zurrgurten prüfen.

ph

Veröffentlichung: 25. September 2014 / Ausgabe 39/2014

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