Ein Läufer mit Orientierungssinn

Ein Läufer mit Orientierungssinn (Urs Müller). Ein Läufer mit Orientierungssinn (Urs Müller)

 

Der kleine Timo strahlt. Wie ein König sitzt der Eineinhalbjährige in der Schaukel und signalisiert mit Händen und Juchzen: «Mehr, Papi, mehr.» Mit diesem Wunsch ist er an der richtigen Adresse: Wenn einer Ausdauer hat, dann sein Vater. Was Timo noch nicht weiss: Sein Papi Urs Müller hat als «grösster Amriswiler Orientierungslaufstar aller Zeiten» ein Stück Thurgauer Geschichte geschrieben. Wer jetzt denkt, da habe der Amriswiler OL-Verein aber dick aufgetragen, soll schnell weiterlesen. Denn Urs Müllers Karriere präsentiert sich wie eine einzige Erfolgssträhne: Bronze an der Junioren-Weltmeister-Staffel 1996, als 20-Jähriger. Gold in der Europameister-Staffel 2000, Silber in der Mitteldistanz Schweizermeisterschaft 2004 – um nur einige zu nennen. Angefangen hatte die Leidenschaft des Schreiners in seiner Familie. Der Vater, ein erfolgreicher Orientierungsläufer, meldete eines Tages seine Frau und Urs, damals sieben, zu einem OL-Kurs an. «Mir gefiel die Kombination von Laufsport und Kopfarbeit sofort», erinnert sich Urs Müller und erzählt von den ersten, kurzen Läufen rund ums Schulhaus. Auch die Mutter entpuppte sich als begeisterte OL-Läuferin, bald darauf zog der jüngere Bruder nach, und so wurde der OL bei Müllers zur Familiensache. Der 35-Jährige denkt gern an die Wochenenden zurück, die sie gemeinsam an Läufen verbracht haben: «Wir fühlten uns wie in einer grossen Familie, und lernten an den Wettkämpfen immer neue Gegenden kennen.» Im Kollegenkreis allerdings stand Urs mit seinem Hobby allein da. Trafen sich seine Freunde auf dem Fussballplatz, zog er seine Runden im Unterholz. Er rannte und rannte, übte und feilte an seiner Kondition und wurde prompt zuerst ins Re­gional-, dann ins Nationalkader aufgenommen. Schon mit 15 Jahren fuhr er allein nach Schweden an einen Lauf – es war der Auftakt zu vielen Reisen in unzählige Länder in Europa und, auf dem Höhepunkt seiner Karriere, nach Japan, China und Australien. Der Beginn seiner Laufbahn im Spitzensport fiel just in die Zeit der Ausbildung. Trotzdem schloss der junge Sportler seine Schreinerlehre erfolgreich ab: «Natürlich war es streng, aber ich betrachtete den OL stets als Hobby, und es war ein idealer Ausgleich zur Werkbank», blickt er zurück. Den Beruf ganz aufzugeben, wäre für den Thurgauer nie in Frage gekommen: «Gerade wenn es im Sport nicht so gut lief, hat mich das Schreinern wieder auf den Boden geholt.» Andererseits sorgte ausgerechnet ein Arbeitsunfall für einen Tiefpunkt: Müller, selektioniert für einen wichtigen Lauf, musste auf die Teilnahme verzichten. «Das war hart.»

Vom Spitzensport hat er sich vor rund fünf Jahren verabschiedet. Als es nicht mehr so lief, wie es laufen sollte, als er vor der Entscheidung stand, nochmals Vollgas zu geben oder dem OL als Hobbysportler zu frönen, hat er sich für die zweite Version entschieden. Ein wenig wehmütig sei er schon, wenn er Meisterschaften verfolge, räumt er ein. Gleichzeitig geniesst er es, wieder mehr Zeit zu haben – vor allem für Timo. Selbstredend verfügt Timo bereits über erste OL-Erfahrungen. Diesen Sommer hat der ganze Müller-Clan an einem internationalen 6-Tage-OL in Flims teilgenommen. hid

Veröffentlichung: 06. Oktober 2011 / Ausgabe 40/2011

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