Ein Ort für kreative Holzliebhaber


Ein Handwerker baut ein mittelalterliches Saiteninstrument, ein Vorläufer der Gitarre. Bild: Christian Bärtschi
Ein Handwerker baut ein mittelalterliches Saiteninstrument, ein Vorläufer der Gitarre. Bild: Christian Bärtschi
Schreinerei für alle. In der Stadt Basel kann jeder, der mit Holz kreativ sein möchte, in einer professionell eingerichteten Werkstatt arbeiten. Einzige Bedingung: Er oder sie muss Mitglied des Vereins Neue Freizeitwerkstatt sein. Ehrenamtliche Schreiner sind vor Ort und helfen mit.
Die Neue Freizeitwerkstatt in Basel bietet ihren Vereinsmitgliedern seit 1996 die Möglichkeit, auch ehrgeizige Holzprojekte unter Anleitung erfahrener Schreiner und Betreuer zu verwirklichen. Damit dieser Service überhaupt möglich ist, ist der Verein auf ehrenamtliche Schreiner angewiesen.
Einer davon ist Paul Roser, 75-jährig, der seit zweieinhalb Jahren jeweils an einem Nachmittag pro Woche für seine Kunden da ist. Was sind seine Gründe für den ehrenamtlichen Einsatz? «Ich treffe gern neue Leute und bin generell ein neugieriger Mensch. Zudem ist mir viel Gutes im Leben widerfahren und ich möchte davon etwas weitergeben. Nicht zuletzt bereitet es mir grosse Freude, wenn meine Kunden nach einem erfolgreich realisierten Projekt vor Glück strahlen.» Roser, der die Lehre 1962 abgeschlossen hat, leitete lange ein Arbeitslosenprojekt am selben Standort, in welchem er auch schon Menschen anleitete.
In der Freizeitwerkstatt gibt es eine ungeschriebene Regel: Nicht der unterstützende Schreiner soll die Fertigungsschritte ausführen, sondern möglichst der Kunde selbst. Deshalb müssen die ehrenamtlichen Profis auch flexibel sein: Basierend auf dem Kenntnisstand des Kunden, muss schon mal die Technik angepasst werden, zum Beispiel bei Holzverbindungen.
Paul Roser, der als ehemaliger Möbelschreiner ein sehr genaues Arbeiten gewohnt ist, muss manchmal ein Auge zudrücken und ein wenig von seinen professionellen Ansprüchen abweichen, um einem Projekt zum Erfolg zu verhelfen. Unter seiner Anleitung sind schon ambitionierte Werke entstanden: Kürzlich hat jemand einen Schreibtisch ohne rechte Winkel auf Grundlagen der Anthroposophie gefertigt.
Ein regelmässiger Gast ist auch ein Musikliebhaber, der grosse Trommeln baut. Auch Holz zu furnieren und dieses nachher auf der grossen Bandschleifmaschine zu schleifen, ist eine Herausforderung, die ohne die Unterstützung eines Profis kaum zu bewerkstelligen wäre. Am beliebtesten sind übrigens Bettgestelle, Esstische, Bürotische und Schränke. Abgelehnt werden Projekte nur selten; meist, weil sie zu viel Platz in der Werkstatt beanspruchen würden.
Das System in der Neuen Freizeitwerkstatt ist einfach: Für 70 Franken pro Jahr wird man Vereinsmitglied. Damit hat man Zutritt zur Werkstatt und kann auf die Unterstützung von ehrenamtlichen Schreinern zurückgreifen. Bei normalen Arbeiten mit Kleingeräten, also zum Beispiel mit kleinen Bandsägen, Bohrmaschinen, Oberfräsen und diversen Handmaschinen, fallen pro Arbeitsstunde Kosten von 3.50 Franken an. Kleinmaterial wie Schrauben und Schleifpapier ist dabei inklusive. Wer die Profimaschinen beansprucht – beispielsweise eine grosse Bandschleifmaschine, eine Abrichthobelmaschine, eine Kehlmaschine und diverse Kreissägen – braucht dazu den ehrenamtlichen Schreiner und zahlt 60 Franken pro Stunde für die Maschinenbenützung und die Werkzeugkosten.
Wie die Kundenwünsche umgesetzt werden, zeigt sich an der Drechselbank: Eine Kundin versucht gerade, ein Werkstück zu bearbeiten, hat aber Mühe, den richtigen Ansetzwinkel für die Röhren und Schaber zu finden. Paul Roser zeigt kurz vor, wie das Werkzeug zu halten ist, gibt zwei, drei Tipps und lässt seine Kundin dann wieder selbst Hand anlegen. Nun gelingt die Arbeit auf Anhieb. Als Beobachter spürt man, dass dank der professionellen und wertschätzenden Beratung der Holzprofis rasche Lernfortschritte möglich sind. Und so nimmt an diesem Nachmittag in der Freizeitwerkstatt nicht nur das Werk der Drechslerin, sondern auch eine geschnitzte Schale, ein mittelalterliches Musikinstrument und ein Bettgestell weiter Gestalt an. Was auch auffällt: Die Kunden tauschen sich untereinander und mit den Betreuern häufig und gerne aus, es herrscht eine emsige, aber auch fröhliche und lockere Atmosphäre.
Mittlerweile hat Paul Roser Unterstützung von einem Schreinerkollegen erhalten. Der 44-jährige Alex Hänggi ist in Südafrika aufgewachsen und hat seinen Beruf später in der Schweiz erlernt. Da seine Muttersprache Englisch ist, betreut er oft Expats, die meistens in den Basler Pharmaunternehmen arbeiten.
Die Expats unterscheiden sich laut Hänggi in zweierlei Hinsicht von den Schweizer Kunden: «Erstens sind sie es eher gewohnt, handwerkliche Arbeiten noch selbst auszuführen und deshalb sehr froh, wenn sie hier eine komplett ausgerüstete Werkstatt vorfinden.» Der zweite Unterschied liegt in den Ansprüchen an die Qualität der Holzarbeiten: «Für Expats muss nicht immer alles auf den Millimeter genau sein. Sie schätzen das Ergebnis, auch wenn es nicht vollkommen ist. Schweizer Kunden achten viel mehr auf Genauigkeit.» Für ihn sind solche Mentalitätsunterschiede und Ansprüche jedoch Nebensache.
Ähnlich wie Paul Roser findet es auch Hänggi immer wieder toll, wenn er ein Kundenprojekt ermöglichen kann. «Diese Freude zu sehen, gibt mir sehr viel», sagt er. Gleichzeitig lobt er das entspannte, freundliche Arbeitsklima in der Werkstatt. Er hat mal ein Burn-out durchlebt und schätzt es deshalb, dass man sich – anders als im heutigen Berufsalltag eines Schreiners – auch mal viel Zeit für einen Arbeitsschritt nehmen oder eine Technik anwenden kann, die eigentlich unrentabel ist.
Die beruflichen Hintergründe der Kundinnen und Kunden sind sehr vielfältig: Laut Roser und Hänggi gibt es auffällig viele Architekten – aber auch Ärzte, Banker, Studenten, Musikprofessoren und Stellensuchende sind vertreten. Eine Gemeinsamkeit zeichnet alle aus: «Es sind Leute, die etwas Kreatives mit den eigenen Händen schaffen wollen», erklärt Roser. Häufig geht es auch um Gegenstände, die eine emotionale Bedeutung haben, ergänzt das Vorstandsmitglied Thomas Flatt: «Oft möchten Leute, die heiraten, ihr eigenes Ehebett bauen oder ein Kinderbett oder eine Wiege herstellen.»
Die Freizeitwerkstatt, die ganz auf ehrenamtliche Helfer angewiesen ist, ist immer auf der Suche nach einsatzwilligen Schreinern. Ob diese Fachleute sich für einen halben Tag pro Woche oder nur stundenweise verpflichten, spielt keine Rolle. Vorstandsmitglied Thomas Flatt sagt dazu: «Man kann uns auch abends nach der Arbeit unterstützen oder an wechselnden Tagen – wir sind für jede Hilfe dankbar.» Wichtig ist eine hohe Motivation, die Wünsche der Kunden zu verwirklichen und so dazu beizutragen, dass das kreative Arbeiten mit Holz für Laien weitergeführt werden kann.
Paul Roser erwähnt einen wichtigen Vorteil der ehrenamtlichen Mitarbeit: «Heutige Schreiner arbeiten oft nur noch in Teilbereichen, stellen zum Beispiel ausschliesslich Küchen her. Hier betreut man die ganze Palette an Holzarbeiten und erhält auch die Chance, von Kollegen und Kunden etwas zu lernen und so den Horizont zu erweitern.» Zudem, ergänzt Kollege Alex Hänggi, treffe man hier auf interessante Menschen, zu denen man im Alltag sonst wohl keinen Kontakt haben würde.
Die Neue Freizeitwerkstatt befindet sich an der Eptingerstrasse 20 in Basel. Früher handelte es sich um eine staatliche Werkstatt, in welcher Arbeitslose seit den 1930er-Jahren Fensterrahmen für die ganze Stadt Basel bauten. In den 1950- und 1960er-Jahren wurde die Arbeitslosenwerkstatt für weitere Kreise, auch Private, geöffnet. Als der Kanton Basel-Stadt die Werkstatt 1992 aus Kostengründen auflösen wollte, formierte sich eine Interessengemeinschaft und später ein Gründerverein zu ihrer Erhaltung. Seit 1996 ist die Freizeitwerkstatt als «Verein Neue Freizeitwerkstatt» organisiert und steht allen Mitgliedern für Holzarbeiten offen. Elf ehrenamtliche Schreiner (Zimmerleute) und neun Betreuer unterstützen die Kunden bei ihren Projekten.
holzwerken.infoVeröffentlichung: 08. März 2018 / Ausgabe 10/2018
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