Ein schnelles Unikat aus dem Valsertal

Florin Berni und zwei Valser Ritbrätter, die er hergestellt hat. Bild: PD

Früher benutzten Bergträger das Ritbrätt, um auf ihm schneebedeckte Hänge hinunterzufahren und Lebensmittel zu transportieren. Heute werden die Bretter nur noch zum Spass benutzt. Florin Berni hat sich auf Spurensuche begeben.

Sein Ururgrossvater war einer der letzten Bergträger, die von Vals im Kanton Graubünden wöchentlich den langen, mühsamen und steilen Weg über den Valserberg auf sich nahmen, um in Hinterrhein Lebensmittel und weitere Güter einzukaufen. Die Geschichte über sein Dorf und die Bewohner von früher faszinieren Florin Berni, weshalb er seine Vertiefungsarbeit im Fach Abu über das Valser Ritbrätt geschrieben und dabei selbst mehrere Exemplare hergestellt hat. Ohne Ritbrätter wären die gefährlichen Abfahrten damals nicht möglich gewesen.

«Das Ritbrätt gibt es in dieser Form nur bei uns in Vals. Früher hatte jede Familie eines», erzählt der Schreinerlernende im vierten Lehrjahr, der in der Engadiner Lehrwerkstatt in Samedan GR seine Ausbildung absolviert. Normale Schlitten hätte man nicht verwenden können, weil die Hänge nach Hinterrhein zu steil sind und sie im weichen und tiefen Schnee zu sehr einsinken würden. Zudem waren sie aufwendiger herzustellen. «Die Ritbrätter wurden jeweils auf der Passhöhe des Valserbergs deponiert. Für die Abfahrt nach Hause benutzten die Männer mit ihrer Ladung dann einen Handschlitten.»

Suche nach Bäumen mit Krümmung

Beim Ritbrätt handelt es sich um ein Brett, das vorne leicht gebogen ist. «Man hat dafür Nadelbäume, Fichten oder Lärchen gefällt, die in steilen Hängen wuchsen und deswegen unten eine natürliche Krümmung aufwiesen. Sie waren ideal, weil es schwierig war, die Biegung künstlich zu erzeugen, und sie nicht lange hielt.» Die Bauern hatten einen einfachen Holzklotz am Brett festgeschraubt und in der Spitze ein Loch gebohrt, durch das ein Strick gezogen wurde. So konnte man das Brett nach oben ziehen, damit die Spitze nicht im Schnee versank, hängen blieb und den Fahrer abwarf.

«Ein Problem der damaligen Ritbrätter war, dass die Spurhaltung beim Fahren schwierig war. Wenn der Schnee hart war, rutschte es seitlich weg. Deswegen wurde dem mit einem gebogenen Metallblech am unteren hinteren Rand entgegengewirkt», erzählt er. Zusätzlich half das Blech beim Bremsen auf hartem Schnee. «So eine Fahrt war aber alles andere als angenehm. Man spürte jede Bodenwelle.» Eine Polsterung der Sitzfläche federte die Schläge etwas ab. Damit der Fahrer das Ritbrätt bei einem Sturz nicht verlor, sicherte er dieses mit einem Lederriemen um seinen Bauch.

«Da die Bretter früher nur aus einem Stück bestanden, brachen diese gerne auseinander, wenn man einen grossen Stein erwischte. Für eine bessere Stabilität werden heute deswegen fünf Holzschichten verleimt», beschreibt der Bündner. Dafür wird eine Schablone mit einer Krümmung benötigt, und die Schichten werden kreuzweise, jeweils um 90 Grad gedreht, mit Leim zusammengepresst. «Ein Ritbrätt ist so kaum zerstörbar.»

Andere Bretter als Vorlage

Im Rahmen seiner Vertiefungsarbeit hat Florin Berni selbst mehrere Exemplare hergestellt. «Ich hatte kein eigenes, da sie recht teuer sind. Ich durfte ein altes Ritbrätt eines Nachbarn und ein neueres eines Kollegen ausleihen und konnte so Pläne zeichnen», erzählt er. Zudem habe er von ihnen Tipps erhalten, was man verbessern könnte. «Ein genaues Budget gehörte auch zur Arbeit, und ich weiss nun, weshalb ein Brett so um die 1000 Franken kostet.»

Für den Theorieteil der Dokumentation hat der Bündner nach alten Büchern über die Zeit der Valser Bergträger gesucht. «Es gibt nicht viele, aber meine Grossmutter hatte zwei, drei, die ich verwenden konnte. In der Kantonsbibliothek fand ich keine weiteren Bücher.» Um noch mehr zu erfahren, hat er seinen Opa interviewt, dessen Grossvater noch Bergträger war und weil er als junger Mann noch viel von der Herstellung mitbekommen hatte.

Die Produktion der Ritbrätter verlief gut. «Ich wurde immer schneller. Am Schluss habe ich 15 Stück hergestellt, weil mein Berufsbildner und andere Lernende von der Idee begeistert waren und auch eines wollten. Das hat mich überrascht, aber gefreut.»

Verwendet hat Florin Berni 7 Millimeter dickes Sägefurnier, um den Verschnitt auf ein Minimum zu reduzieren. Da die Querlagen nur 320 Millimeter lang waren und es viele kurze Teile geben würde, machte er Mehrfachlängen. Diese wurden nach dem Verleimen in kurze Teile aufgetrennt, was effizienter war. «Für die Mittellage verwendete ich Engadiner Lärche-Rift mit gerade stehenden Jahresringen, weil Riftholz die geringste Formveränderung beim Schwinden und Quellen aufweist», begründet der Lernende. Als Deckschicht wählte er Arve oder Lärche. «Damit die Oberfläche nicht langweilig wirkt, nutzte ich die gesamte Brettbreite mit einer geflammten Struktur und kleinen Ästen.» Als Brettsohle diente Ahorn, ein feinporiges Hartholz.

Mit 160 Bar gepresst

Vor dem Verleimen hat der Bündner das Sägefurnier zugeschnitten, geschliffen und die Kanten gefügt. «In der Lehrwerkstatt haben wir eine spezielle Maschine, um Sägefurnier in der Breite zusammenzuleimen. Verwendet wird dafür Harnstoffformaldehydleim, der mit Wärme schnell aushärtet.» Die Schablone für die Krümmung hat er aus einer MDF-Platte gefräst. Für die Verleimung der Lagen benutzte er Polyurethanleim und verteilte diesen grosszügig auf den Schichten, ehe diese in die Furnierpresse kamen. «Mit 160 Bar wurde alles gepresst, und ich musste 4 bis 6 Stunden warten, bis der Leim komplett ausgehärtet war. Sonst wäre die Krümmung des Bretts zurückgegangen.»

Danach wurde das Furnier mit der Schablone bündig gehobelt, und das Brett wurde aufs Fertigmass geschnitten, ehe die Spitze ausgeschnitten wurde. Dann kam der Holzklotz aufs Brett. Die Querleiste ganz hinten leimte er ebenfalls fest und schraubte sie durch das Chromstahlblech fest. Dann wurden in der Spitze die zwei Löcher für das Seil gebohrt, und das Brett wurde zwei- bis dreimal geölt. Dann kam hinter den Holzklotz ein Schaumstoff, welcher mit Leder überzogen wurde. Fertig.

Polsterüberzug war zu Beginn etwas mühsam

«Die Herstellung hat gut funktioniert und hat Spass gemacht. Ich wurde immer schneller und konnte immer wieder Arbeitsschritte verbessern», bilanziert Florin Berni. Für ein Ritbrätt benötigte er zwischen 17 und 20 Stunden. Etwas Mühe hätte ihm zu Beginn der Polsterüberzug des Schaumstoffs bereitet. «Die Formverleimung fand ich interessant, da ich das zuvor noch nie gemacht habe.» Er sei nun gespannt, wie gut die Bretter halten. Vor Weihnachten haben er und seine Kollegen sie nicht ausprobieren können, weil es zu wenig Schnee hatte. «Ich hoffe, dass wir dann in den Ferien oder im neuen Jahr ein Rennen machen können.»

Die Dokumentation hat er vor Weihnachten abgegeben, im Februar folgt die Präsentation. «Die Geschichte hat mich beeindruckt. Die Bergträger haben körperlich extrem viel geleistet, haben weite Wege auf sich genommen und sind dabei Risiken eingegangen. Das ist heute kaum mehr denkbar. Zum Glück sind damals nur wenige Unfälle passiert, soweit überliefert wurde.»

Aus einer Schreinerfamilie

Zu Hause hat der Valser noch Holz aus einem gekrümmten Stamm. «Daraus möchte ich einen Davoser Schlitten machen, mein nächstes Freizeitprojekt», sagt er. Zuvor steht allerdings noch die IPA an. «Im Lehrbetrieb werden dafür Kundenaufträge verteilt. Ich bin gespannt, was ich machen darf.» Er findet gut, dass im Sommer der Berufsabschluss ansteht. «Die vier Jahre sind schnell vorbeigegangen.» Dass er Schreiner wird, wurde Florin Berni quasi in die Wiege gelegt, denn beide Grossväter und sein Vater seien Schreiner. «Zu Hause haben wir eine kleine Werkstatt, in der ich viel Zeit verbringe. Ich wusste schnell, dass ich auch Schreiner werden möchte. Es ist ein toller Beruf.»

Ebenfalls bald klar war, dass er die Ausbildung in der Engadiner Lehrwerkstatt macht. Sein Grossvater hatte diese früher geführt und sei in Samedan Berufschullehrer gewesen. Berni hatte im Betrieb geschnuppert, und es gefiel ihm sofort. «Ich wohne im Lehrlingshaus. Für die Fahrt nach Hause benötige ich mit dem Zug drei Stunden. Es gefällt mir, und ich freue mich auf das letzte halbe Jahr.»

Nicole D’Orazio

www.lehrwerkstatt.ch

 

Veröffentlichung: 11. Januar 2024 / Ausgabe 1-2/2024

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