Eine lebenslange Leidenschaft

Schreiner Johannes Schranz (69) baut schon über sein halbes Leben lang Alphörner. Bild: Tobias Kilchör

Am Anfang stand eine kleine, krumm gewachsene Tanne im Engstligental. Der damals 28-jährige Johannes Schranz fällte die Tanne, halbierte sie, höhlte den Baumstamm aus und verleimte ihn wieder. Entstanden ist ein Alphorn in Miniausführung. «Und man konnte es tatsächlich spielen», erinnert sich der Berner Oberländer. Seit er klein war, träumte er davon, Alphorn zu blasen, doch das Geld für das teure Instrument fehlte in der kinderreichen Grossfamilie. Mittlerweile baut der bald 70-Jährige seit über 40 Jahren Alphörner. 129 hat er bis heute gefertigt. Einige davon haben ihren Weg bis ins Ausland gefunden, sogar nach Argentinien und Kanada. Zu Beginn seiner Alphornbauerkarriere fertigte Johannes Schranz die Instrumente in der Freizeit an – nach der Arbeit in einem Holzbauunternehmen oder am Wochenende. Er erlernte das Handwerk autodidaktisch und perfektionierte es über die Jahre. «Als gelernter Schreiner hatte ich natürlich besonders gute Voraussetzungen dafür», sagt er. Nachdem er an Alphorn-Bibelwochen des Volksmusikers und des Komponisten Lorenz Schwarz teilgenommen hatte und mit den Gleichgesinnten an Konzerten auftrat, stieg die Nachfrage stark an. Die Aufträge mit dem Berufs- und Familienleben unter einen Hut zu bringen, war für den vierfachen Familienvater und mittlerweile dreizehnfachen Grossvater nicht immer einfach. Mehr Zeit für den Alphornbau bleibt ihm seit seiner Pensionierung vor bald sieben Jahren.

Die Alphörner baut der Rentner in einer kleinen Werkstatt neben dem Elternhaus in Achseten, das er mit seiner Frau bewohnt. Gegen 60 Stunden arbeitet er an einem Alphorn. Viele Werkzeuge – darunter Hobel in allen Variationen – hat er selbst entwickelt. So gelinge ihm eine besonders sorgfältige, dünnwandige und regelmässige Ausarbeitung, erklärt er.

Schranz' Alphörner sind in der Szene bekannt dafür, dass sie einfach zu blasen sind. Als aktiver Alphornbläser testet der Handwerker stets jedes Instrument selbst. «Es ist immer ein emotionaler Moment, wenn ich einem Alphorn die ersten Töne entlocken kann», sagt er. «Das Alphorn klingt eigenartig friedlich und beruhigt Herz und Gemüt. Mit einer Alphornmelodie kann man mich zu Tränen rühren», erklärt er seine Lei-denschaft für das Instrument. Die Wirkung der Alphornklänge könne man auch bei Tieren beobachten. Die Kühe würden jeweils den Kopf heben und zuhören.

Zwischendurch erlaubt sich der Alphornbauer auch mal einen Jux. So hat er unter anderem einen Reisigbesen oder einen Wanderstock angefertigt, die sich auch spielen lassen. Der Stock begleitet ihn immer auf seinen Bergwanderungen. «Wenn ich dann beginne, auf meinem Wanderstock zu spielen, schauen mich die Leute an, als ob ich von einem anderen Planeten wäre», sagt er lachend.

Noch immer baut der Achseter eine Handvoll Alp- hörner pro Jahr. Zu seinem 65. Geburtstag hatte er vor fünf Jahren das 100. Alphorn angefertigt und es Lorenz Schwarz geschenkt. Nun stehen die Rohlinge für das 130. Instrument in der kleinen Werkstatt. Johannes Schranz wird es vielleicht schon zu seinem 70. Geburtstag Anfang Juli fertigstellen.

«Das Alphorn klingt friedlich und beruhigt Herz und Gemüt. Mit einer Alphornmelodie kann man mich zu Tränen rühren.»

fg

Veröffentlichung: 22. Juni 2017 / Ausgabe 25/2017

Artikel zum Thema

27. Mai 2024

Tixer87 brettert über den Rundkurs

Leute. Die Fans auf der Tribüne sind parat. Kevin Tix hört sie jubeln. Es ist heiss hier in Budapest.

mehr
20. Mai 2024

Auch für guten Speck brauchts Holz

Leute. Seinen Bastelraum im Keller nutzt Simon Schifferle nicht fürs Schreinern. Er baut darin auch keine Modellflugzeuge und stellt keine Modelleisenbahnanlagen auf.

mehr

weitere Artikel zum Thema:

Leute