Eine Welt aus Bildern

Das fertige Werk kommt bei der gelern-ten Schreinerin Regine Ramseier (59) an die Wand. «Wenn es mir ans Herz wächst, ist das Bild beseelt, wenn nicht, wird es über-malt.» Bild: Primax, Max Marti

Regine Ramseier ist in einem «hölzigen» Umfeld gross geworden. Wen wunderts also, dass auch aus ihr später eine «Hölzige» wurde. Sie liess sich in der «Lädere» in Bern zur Schreinerin ausbilden und folgte damit der Tradition der Familie. Eigentlich hatte die Emmentalerin, die bereits als Kind ihre kleine Welt mit Papier und Zeichenstift erwanderte, ganz anderes im Sinn. «Ein Leben ohne das Malen könnte ich mir nicht vorstellen», sagt sie. Heute lebt die 59-Jährige von der sprichwörtlich brotlosen Kunst, es ist etwas «Rächts» aus ihr geworden, so wie es sich der Vater das ausgemalt hatte, nur eben ein bisschen anders. Das Haus ihres Grossvaters, der zu seinen Lebzeiten dort eine Zimmerei und Schreinerwerkstatt betrieb, ist ihr Daheim und ihr Arbeitsplatz. Hier entstehen Aquarelle, Ölgemälde und Pigmentmalerei. Regine Ramseier bestreitet ihr Auskommen mit der Kunst, den Weiterbildungskursen im In- und Ausland und den Möbelrestaurationen, welche sie in der Ramseier Holzbau AG, bei Ihrem Bruder Hanspeter, ausführen darf. Gezeichnet hat sie immer. Aber es waren Begegnungen mit Menschen und Orten, die wegweisend in ihr künstlerisches Leben gespielt haben.

Im Tessin, wo sie mit ihrem damaligen Mann hinzog und 23 Jahre blieb, reifte sie zur Künstlerin mit einer eigenen Bildsprache. Das Emmental, wohin sie nach der Trennung vor fünf Jahren zurückkehrte, hatte sie nie zum Malen inspiriert. «Künstlerisch wusste ich nicht viel anzufangen mit dieser hügligen, grünen Landschaft.» Ganz anders das Tessin: Steinhäuser und wild mäandrierende Flüsse statt Linien und Strukturen, die Natur schien sich hier nicht in eine Form pressen zu lassen. «Das Ungerade und Unperfekte inspirierte mich», sagt sie, «im Tessin fühle ich mich dem Ursprung nah.» Die Natur beflügelt Regine Ramseier. Sie geht durch Landschaften, beobachtet sie und prägt sich ihre Farben und Formen ein.

«Wenn ich wandere, studiere ich die Farbtöne und überlege, wie ich diese mischen könnte», sagt sie. Manches zeichnet sie, wie schon ihr ganzes Leben lang, in ein Skizzenbuch. «Das ist eine Art Fingerübung. Ähnlich wie sie auch der Pianist am Klavier macht.» Was später in ihrem Atelier entsteht, hat nichts mehr gemein mit diesen gegenständlichen Zeichnungen. Die Künstlerin spart aus, reduziert, vereinfacht und interpretiert, wenn sie ihre gesammelten Eindrücke und Beobachtungen auf die Leinwand bringt – wie der Pianist, der losgelöst von Notenblättern improvisiert. Trotz der Liebe zur Kunst – dem Schreinern hat Regine Ramseier über all die Jahre hinweg immer die Treue gehalten. Weil Routine sie langweilt, hat sie sich früh schon auf Restaurationen spezialisiert. «Jedes Stück ist anders und verlangt eine individuelle Problemlösung», erklärt sie. Ihr gefällt es, die alten Möbel «aus der Vergangenheit in die Gegenwart rüberzuretten», wie sie sagt.

Weder die Kunst noch die Arbeit mit dem Holz möchte sie missen, mitunter ergänzen sich die beiden Berufe auch: «Meine handwerklichen Fertigkeiten erlauben es mir, Rahmen selber zu bauen und zu bespannen.»

Die Neugierde treibt Regine Ramseier an immer neue Ufer. Vor einigen Jahren entdeckte sie die Installation als Mittel künstlerischen Ausdrucks. Seither entstehen hie und da Werke, die eingebettet in die Landschaft immer auch eine Botschaft tragen und vergänglich sind. Kunst ist harte Arbeit.

Inspiration kommt nicht herbeigeflogen, sie will gefunden werden. «Man darf nicht darauf warten, dass einen die Muse küsst, sondern muss aktiv etwas dafür tun», sagt die Emmentalerin.

«Wenn ich wandere, studiere ich die Farbtöne und überlege, wie ich diese mischen könnte.»

sas

Veröffentlichung: 06. August 2015 / Ausgabe 32-33/2015

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