«Entscheid der Basis ist zu akzeptieren»

Basil Gasser

Meinungen.  Die VSSM-Delegierten haben für klare Resultate gesorgt: Ja zum GAV, Nein zum Vorruhestandsmodell (VRM). Doch was heisst das nun konkret? Die Schreinerzeitung hat bei den Mitgliedern der GAV-Verhandlungsdelegation nachgefragt.

In vielen Sitzungen haben die Mitglieder der GAV-Verhandlungsdelegation mit den Gewerkschaften im Vorfeld diskutiert und um optimale Verträge für die Schreinerbranche gekämpft. Nun stehen die Resultate fest.

Schreinerzeitung: Die Entscheidungen zum GAV und VRM sind deutlich ausgefallen. Waren Sie überrascht oder haben Sie solch klare Resultate erwartet?
Thomas Iten: Aufgrund der intensiven und konstruktiven Diskussionen in den Gremien und an den Infoveranstaltungen der Sektionen und Fachgruppen hatte sich bereits im Vorfeld ein deutliches Ja zum GAV und ein klares Nein zum Vorruhestandmodell (VRM) abgezeichnet. Daher war ich, genauso wie meine Kollegen der Verhandlungsdelegation, des Zentralvorstandes, der GAV-Kommission und der Präsidentenkonferenz, wenig überrascht vom Ergebnis.
Welchen Einfluss hatte die schriftliche Form der Abstimmung?
Thomas Iten: Selbstverständlich bedauere ich es, dass die verschiedenen Voten und die Diskussion der Delegierten vor der Abstimmung gefehlt haben. Ich bin jedoch überzeugt, dass die Form der Abstimmung keinen Einfluss auf das Ergebnis hatte.
Was heisst das nun für den VSSM?
Josef Popp: «Die Delegierten stehen ganz klar zum neuen GAV, den die Verhandlungsdelegation in Zusammenarbeit mit der GAV-Kommission erarbeitet und dann mit den Sozialpartnern ausgehandelt hat. Beim VRM haben die Delegierten eine klare Ablehnung gezeigt, trotz Empfehlung der Verhandlungsdelegation, der GAV-Kommission und des Zentralvorstandes. Was das für uns bedeutet: Die Verbandsleitung und ihre Gremien akzeptieren den Willen der Basis und unterstützen diesen nach dieser Abstimmung. Wir alle wollen einen GAV, der die Arbeitsbedingungen regelt, die Weiterbildung unterstützt, die Sicherheit am Arbeitsplatz gewährleistet und den Arbeitsfrieden erhält. Klar ist aber auch: Man will in dieser unsicheren Zeit mit dem VRM nicht noch ein zusätzliches Vertragswerk.
Was bedeutet das für die Gewerkschaften Unia und Syna?
Josef Popp: Unsere Sozialpartner müssen akzeptieren, dass beim VSSM Demokratie herrscht und der ZV, die Verhandlungsdelegation und deren Gremien den Willen ihrer Mitglieder ernst nehmen. Die Führungsetagen unserer Sozialpartner sind meines Ermessens zum Wohl ihrer Mitglieder und der ganzen Arbeitnehmerschaft verpflichtet, den GAV Schreinergewerbe anzunehmen und ihn nicht wegen des VRM aufs Spiel zu setzen. Denn vom GAV Schreinergewerbe profitieren 100 Prozent der Arbeitnehmenden, vom VRM aber nur deren 7 Prozent der dem GAV unterstellten Arbeitnehmenden.
Das klare Nein zum VRM wirft Fragen auf. Weshalb konnte keine Mehrheit in der Branche für dieses Modell gewonnen werden?
Basil Gasser: Die Umverteilung der Gelder von Jung zu Alt und der mögliche frühere Abgang der älteren Mitarbeiter haben wohl den Ausschlag gegeben, dass die VSSM-Delegierten die Vorlage des Vorruhestandsmodells abgelehnt haben. Diese negativen Punkte überwiegen offensichtlich deutlich gegenüber den Vorteilen, die ein solches VRM bieten kann.
Sollten die Gewerkschaften nicht einlenken und sich gegen den neuen GAV aussprechen: Was erwartet dann die Branche?
Mario Fellner: Es ist tatächlich so, dass dann der vertragslose Zustand droht. Was heisst das? Bestehende Arbeitsverträge ändern sich durch den Wegfall des GAV grundsätzlich nicht. Neue Arbeitsverträge unterliegen jedoch nicht mehr den Bedingungen des wegfallenden GAV, sondern denjenigen des Obligationenrechts und des Arbeitsgesetzes. Im Wettbewerb für neue Aufträge werden die Spiesse für in- und ausländische Betriebe nicht mehr gleich lang sein. Ausländische Unternehmen können ohne Rücksicht auf Mindestlöhne und Arbeitsbedingungen gemäss wegfallendem GAV in den Schweizer Markt drängen. Die Auswirkungen zeigen sich auch bei der finanziellen Unterstützung von Weiterbildungen und bei der paritätischen Organisation der Siko Schreinergewerbe. Sowohl die Siko wie auch die Finanzierung der Weiterbildung müssen überdacht und neu organisiert werden.

patrik Ettlin

Veröffentlichung: 26. November 2020 / Ausgabe 48/2020

Artikel zum Thema

09. Mai 2024

Digital zu neuem Personal

Social Recruiting.  Viele Schreinereien kennen die Herausforderung: Volle Auftragsbücher und ein überlastetes Team – aber über herkömmliche Wege sind kaum Fachkräfte zu finden. Ist das Netzwerk ausgeschöpft, müssen Unternehmen neue Wege beschreiten, etwa über Social Media.

mehr
04. April 2024

Kontakte fürs Leben

Unternehmenstag.  Gut 80 Firmen haben am Mittwoch vergangener Woche den Unternehmenstag Holz in Biel genutzt, um sich den Studierenden an der Berner Fachhochschule zu präsentieren. Dabei eröffneten sich spannende Chancen für die Zukunft.

mehr

weitere Artikel zum Thema:

Wirtschaft