Faszinierende Flugathleten


Der 46-jährige Schreiner Josef Stöckli züchtet Brieftauben, ist Preisrichter-Obmann und bewertet die Flugathleten an Brieftaubenausstellungen. Bild: Caroline Schneider
Der 46-jährige Schreiner Josef Stöckli züchtet Brieftauben, ist Preisrichter-Obmann und bewertet die Flugathleten an Brieftaubenausstellungen. Bild: Caroline Schneider
Behutsam hält er sie in seiner Hand und streicht über ihren Rücken. Die Taube reckt ihr Köpfchen, blinzelt und gurrt. Josef Stöckli, Preisrichter-Obmann beim Schweizerischen Brieftaubensport-Verband, breitet ihren rechten Flügel aus und erklärt: «Die Beschaffenheit des Gefieders ist eines der Kriterien bei der Bewertung. Die Schwingen müssen einander gut und regelmässig decken und eine ununterbrochene Linie geben.» Einmal pro Jahr findet die nationale Brieftaubenausstellung statt. Dort bewertet Stöckli die vorgeführten Tauben nach fünf Kriterien und einem festgelegten Punktesystem. Stöckli, der gelernte Schreiner, zeigt auf eine seiner zahlreichen Tauben und sagt: «Das dort ist ‹It’s me›, sie ist die diesjährige Miss Schweiz.» – «It’s me» pickt sich ein Korn, neigt den Kopf zur Seite und betrachtet lange und aufmerksam ihren Besitzer. Etwas fällt sogleich auf: Der Taubenexperte hat dieselbe Augenfarbe wie die grün schimmernden Federn am Hals seiner Schönheitskönigin. «Alle zwei Jahre findet eine Olympiade statt», berichtet der 46-Jährige. Sein grösster Erfolg war der 9. Rang 2009 an der Olympiade in Dortmund. Das sei ein beachtliches Ergebnis, denn die Schweiz sei im Gegensatz zu Deutschland eine unbedeutende Brieftaubennation. Stöckli lässt die Taube in seiner Hand los. Sie flattert sofort in ihr Nest zurück, rückt die beiden Eier mit ihrem Schnabel zurecht, plustert sich auf und stülpt ihre Brust darüber. «Männchen und Weibchen teilen sich die Arbeit. Das Männchen brütet am Tag, das Weibchen nachts.» Ein Taubenpaar bleibt sich ein Leben lang treu. Wegen dieser Symbolik lasse man an Hochzeiten oftmals Tauben fliegen.
Stöckli ist eine von 200 Personen in der Schweiz, die Flugtauben züchten. Die Mehrheit in seinem Taubenschlag sind Wettflugtauben. «Die Flugsaison findet jeweils zwischen Mai und August statt. Eine Taube fliegt pro Jahr zwölf Wettflüge.» Die Distanzen der Routen können gegen 500 Kilometer lang sein. Die durchschnittliche Fluggeschwindigkeit einer Taube beträgt 80 Stundenkilometer. «Mit Rückenwind fliegt sie sogar bis zu 120 Kilometern in der Stunde», erklärt er mit einem anerkennenden Nicken. Für ihn sei es ein Wunder, dass die Tauben immer den Weg nach Hause finden. Doch natürlich weiss der Fachmann, dass sich die Tiere am Magnetfeld der Erde orientieren. Stöckli ist seit seiner Kindheit von den kleinen Flugathleten fasziniert. «Die Taube ist sehr auf den Menschen bezogen. Sie vereint für mich Schönheit und Schnelligkeit.» Abends lässt Stöckli seine Tauben für eine Stunde ausfliegen. «Sie haben ein unglaubliches Zeitgefühl. Endet die Stunde, kommen sie pünktlich zum Schlag zurück.»
Der Schreiner ist seinem Beruf mehrheitlich treu geblieben. «Es ist ein toller Job.» Zehn Jahre nach seiner Lehre hat Stöckli die Holzbildhauerschule in Brienz absolviert. Danach arbeitete er vier Jahre als Restaurator, bevor er sich wieder der Schreinerei zuwandte. In seinem Haus hat er sich ein Schnitzzimmer eingerichtet. Dort verbringt er viele Stunden. Im Wohnzimmer entdeckt man seine Werke: menschliche Figuren etwa, ein Bär, eine Eule oder – wie könnte es anders sein – zwei filigran geschnitzte, balzende Tauben.
«Die Taube ist sehr auf den Menschen bezogen. Sie vereint für mich Schönheit und Schnelligkeit.»
Veröffentlichung: 03. September 2015 / Ausgabe 36/2015
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