Gefahrenstoffe im Griff

Die Lüftung im Lagerraum des Landheimes Brüttisellen ist an den Lichtschalter gekoppelt. Bild: SchreinerZeitung

Sicherheit.  In einer Schreinerei kommen viele verschiedene chemische Stoffe zum Einsatz. Wie diese gelagert werden müssen, hängt insbesondere von der Menge und Brandgefährlichkeit ab. Die Umsetzung der Vorschriften und Richtlinien gestaltet sich aber nicht immer einfach.

Die Sicherheit und der Gesundheitsschutz in den Spritzräumen hat sich in den letzten Jahren stark verbessert. Aber wie sieht es mit dem Lagerraum für Lacke und andere Chemikalien aus? Über die Jahre sammeln sich dort immer mehr verschiedene Gebinde mit diversen Rest- und Lagerbeständen an. Aufgrund grösserer Auftragsvolumen wird auch die Bestell- und somit Liefermenge grösser. Aus Platzgründen lassen sich diese Mengen aber vielleicht nicht mehr im Lagerraum unterbringen und werden deshalb auf einer Palette daneben abgestellt. Diese «Lagerung» ist aber brandschutztechnisch problematisch.

Bei einem Um- oder Neubau des Oberflächenbereiches eines Betriebes macht es deshalb Sinn, auch die Lagerung unter die Lupe zu nehmen. Damit musste sich auch beispielsweise das Landheim Brüttisellen auseinandersetzen, als die Schreinerei und andere Werkstätten zwischen 2008 und 2011 neu gebaut wurden. «Obwohl unser Oberflächenbereich eher klein ist, gab es einige Aspekte zu beachten», erzählt Thomas Riethmann, Betriebsleiter der Schreinerei. Im geführten Heim absolvieren bis zu 32 junge Männer eine Ausbildung in verschiedenen Betrieben, fünf davon in der Schreinerei.

Seine Stoffe kennen

Riethmann spricht damit die eigentliche Problematik an: In diesem Bereich gibt es eine Fülle an Gesetzen, Richtlinien und Vorgaben. Hier den Überblick zu behalten, ist manchmal selbst für Experten nicht ganz einfach. «Aus diesem Grund waren die entsprechenden kantonalen Stellen von Beginn an bei der Planung dabei», sagt Thomas Riethmann.

Für den normalen Schreinerbetrieb am aussagekräftigsten dürfte die Brandschutzricht-linie «Brennbare Flüssigkeiten» der VKF (Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen) sein. Darin findet man sehr konkrete Vorgaben für die Lagerung von Lacken und anderen Gefahrenstoffen. Ebenfalls hilfreich ist der Praxisleitfaden «Lagerung gefährlicher Stoffe», herausgegeben von den Umweltfachstellen der Nordwestschweizer Kantone. Grundsätzlich muss der Schreiner wissen, welche Stoffe er in welchen Mengen lagern möchte. Um die Brandschutzanforderungen zu definieren (siehe Tabelle) teilt die VKF-Richtlinie die Flüssigkeiten in verschiedene Gefahrenklassen ein:

  • F1 Flüssigkeiten mit Flammpunkt bis 21 °C, Beispiele: Benzin, Aceton
  • F2 Flüssigkeiten mit Flammpunkt von 21 bis 55 °C, Beispiele: Petrol, Terpentin- ersatz
  • F3 Flüssigkeiten mit Flammpunkt von 55 bis 100 °C, Beispiele: Heizöl extra leicht, Dieselöl
  • F4 Flüssigkeiten mit Flammpunkt über 100 °C, Beispiele: Schmieröle, Speiseöle
  • F5 Schwer brennbare Flüssigkeiten, Beispiel: Halogenierte Kohlenwasserstoffe
  • F6 Nicht brennbare Flüssigkeiten, Beispiel: Wasser

Diese und weitere Informationen findet der Anwender auf dem Sicherheitsdatenblatt des jeweiligen Stoffes. Zum Beispiel ist darin auch vermerkt, wenn dieser nicht mit einem anderen Stoff im selben Lagerraum aufbewahrt werden darf, weil es bei einer Vermischung im schlimmsten Fall zu einer chemischen Reaktion kommen kann. Der Hersteller ist verpflichtet, für jeden Gefahrenstoff ein Sicherheitsdatenblatt zu erstellen. Ebenso in die Pflicht genommen wird der Verbraucher: Das Unternehmen muss von jedem Gefahrenstoff das jeweilige Datenblatt zur Hand haben.

Im Vorteil ist, wer auf wasserbasierende Farben und Lacke setzt. «Die meisten Produkte auf Wasserbasis sind in Bezug auf Brandgefährlichkeit kein Problem», erzählt Matthias Mettke, Fachexperte Gefahrenstoff von der Swiss TS Technical Services AG in Wallisellen. Dennoch ist es empfehlenswert, eine Inventarliste von allen Stoffen mit den entsprechenden Datenblättern zu führen. Sofern ein unvorhergesehenes Ereignis eintritt, können sich die Experten schnell einen Überblick verschaffen.

Lüftung sicherstellen

Neben der Bauweise spielt auch die Ausstattung des Lagerraumes eine Rolle. So muss zum Beispiel eine ausreichende Lüftung sichergestellt sein, damit sich keine entzündlichen Gase ansammeln können. Ein gekipptes Fenster reicht hier nicht, weil die gefährlichen Gase schwerer als Luft sind und sich in Bodennähe befinden. Deshalb darf sich die Absaugöffnung höchstens 10 cm über dem Boden befinden. Die Lüftung gilt als ausreichend dimensioniert, wenn sie mindestens einen dreifachen Luftwechsel pro Stunde gewährleistet. Beim Betreten des Raumes muss die Steuerung zwangsläufig in Betrieb gesetzt werden, beispielsweise durch eine Koppelung an den Lichtschalter. Darüber hinaus muss dafür gesorgt werden, dass sich Gase nicht in tiefer gelegene Schächte oder Gruben ausbreiten können.

Die elektrischen Anlagen und Geräte müssen entsprechend explosionsgeschützt sein. «Wir haben deshalb auch keine Steckdosen im Lagerraum, die Waage wird durch eine Akkubatterie mit Strom versorgt», erzählt Thomas Riethmann.

Auch zu berücksichtigen gilt es die Aspekte des Gewässerschutzes. Auslaufende Gefahrenstoffe dürfen nicht in die Kanalisation oder in Gewässer gelangen. Dies kann im Lagerraum mittels Auffangwannen oder entsprechenden Türschwellen und einem dichten Boden sichergestellt werden. Auch das Landheim musste einen kleinen Notfallplan erstellen, der zwar nicht direkt mit dem Lagerraum in Verbindung steht: «Die Entwässerung des Vorplatzes führt direkt in einen Bach. Sollte beispielsweise beim Abladen etwas schieflaufen, müssen wir sofort das Ablaufrohr im Schacht mit einem Zapfen verschliessen», sagt Riethmann.

Grundsätzlich keine Ausnahmen

Dass die Vorschriften und Richtlinien beim Bau eines neuen Lagerraumes verbindlich sind, versteht sich von selbst. Aber wie sieht es mit den bestehenden Räumen aus? «Grundsätzlich sind diese davon nicht ausgenommen», sagt Matthias Mettke. «Aber die Erfahrung zeigt, dass die Kantonalen Brandschutzbehörden kompromissbereit sind. Zum Beispiel wenn in zwei Jahren sowieso umgebaut wird», ergänzt Mettke. Ist dennoch ein neuer Lagerraum gefragt, kann man auch auf fertige Spritz- und Lagerräume zurückgreifen. «Diese können unabhängig vom Gebäude und somit ohne grosse baulichen Massnahmen installiert werden», sagt Raphael Oswald von der Neuen Protechnik AG. Er empfiehlt, das Lager grosszügig zu planen. «Man braucht ja nicht nur Platz für die Gebinde, sondern auch zum Mischen der Farben und Lacke oder zum Reinigen der Geräte.»

Genug Platz vereinfacht auch die Lagerbewirtschaftung. Denn ein sauberer und aufgeräumter Raum verbessert nicht nur die Sicherheit, sondern auch die Arbeits- und Oberflächenqualität.

www.landheim.chwww.vkf.chwww.swissts.chwww.protechnik.ch

ph

Veröffentlichung: 25. Oktober 2012 / Ausgabe 43/2012

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