«Geniesst die Lehre und sagt auch nein»

Abdu Ahmed, Flavia Wolf und Anna Beutler. Bild: Nicole D'Orazio

Berufsabschluss. In ihrer vierjährigen Lehrzeit in der Lehrwerkstatt Bern haben Flavia Wolf und Anna Beutler viel erlebt. Abdu Ahmed kann nach der EBA-Ausbildung einiges in die nächsten drei Jahre für den EFZ-Abschluss mitnehmen. Die drei erzählen, was gut und was schlecht war.

Anna Beutler (20 Jahre) und Flavia Wolf (19) sind frisch ausgelernte Schreinerinnen, und Abdu Ahmed (24) hat die Ausbildung zum Schreinerpraktiker im Juli beendet. Die drei haben die Lehre an der Technischen Fachschule (TF) Bern absolviert und dabei gute wie schlechte Erfahrungen gemacht. Sie schauen zurück und geben ihre Schlussfolgerungen und Tipps gerne an andere Schreinerlernende weiter.

Flavia Wolf:Es war eine spannende Zeit, aber nicht die vier tollsten Jahre überhaupt. Ich habe viel gelernt, auch über mich selbst. Man verändert sich in dieser Zeit sehr.
Anna Beutler: Mir geht es genauso. Das Zusammenspiel in unserer Klasse war schön. Wir haben gemeinsam viel erreicht, und wir haben uns gegenseitig geholfen.
Wolf: Das stimmt. In der Klasse ist es einfacher, Fehler zu machen. Das ist im Betrieb anders. Wir lernen ja drei Jahre lang in der Lehrwerkstatt, das letzte Jahr absolvieren wir dann in einem Praktikumsbetrieb.
Wolf: Viele Betriebe haben sich auf einen Bereich spezialisiert. Das Coole an der Lehrwerkstatt ist, dass man hier alle Spektren behandelt. So kann man herausfinden, was einem gefällt, und später eine entsprechende Stelle suchen.
Beutler: Ich konnte während meiner Ausbildung verschiedene Projekte in meiner Freizeit durchführen. Ausserdem fand ich den Klassengeist toll. Man absolviert die vier Jahre zusammen und entwickelt eine starke Bindung. Am Ende weiss man, wie man in Teams zusammenarbeitet, in denen viele verschiedene Charaktere aufeinandertreffen.
Abdu Ahmed: Ich finde es schön, dass ich am richtigen Ort bin. Vor der TF Bern war ich Praktikant in einem Betrieb, wo es mir leider nicht gefallen hat. Ich freue mich, dass ich nun bleiben und in weiteren drei Jahren den EFZ-Abschluss machen kann.
Beutler: Die Prüfungszeiten waren für mich am schlimmsten. Ich hatte schon im Dezember mit Lernen für den Lehrabschluss begonnen. Doch die Nervosität war für nichts, denn wegen der Corona-Pandemie fielen die Prüfungen ja aus.
Wolf:Mich ärgert das Klischee, dass wir von der Lehrwerkstatt nichts könnten. Es ist schwierig und mühsam, die Branchenvertreter vom Gegenteil zu überzeugen. Lehrwerkstatt-Absolventen sind nicht faul. Wir erledigen hier genauso Kundenaufträge und müssen Abgabetermine einhalten. Bei meinem Praktikum hatte ich zudem etwas Schwierigkeiten, mich im Team zurechtzufinden. Es hat in der ganzen Lehrzeit immer wieder Momente gegeben, in denen ich anstand. Ich habe mir dann gesagt, dass das nur für eine gewisse Zeit ist und habe mich durchgekämpft. Das ist wichtig.
Beutler: Ich würde mir ein kleines Notizbuch anschaffen und mir ständig Neues aufschreiben. Vielleicht in den Schulferien bereits Sachen repetieren oder Zusammenfassungen schreiben, denn man vergisst schneller, als man denkt.
Wolf: Es ist mir jetzt bewusster, dass es Prüfungen gibt und ich deswegen mich früher mit dem Lernstoff auseinandersetzen muss. Sonst muss man alles auf einmal nachholen. Man soll die Lehrzeit aber auch bewusst geniessen. Fehler sind okay und schlechte Phasen gehören dazu.
Wolf: Vor der IPA, der Individuellen Praktischen Arbeit im vierten Jahr, muss man keine Angst haben. Sie ist wie ein normaler Kundenauftrag. Das sollte man ja bereits kennen. Man kann die IPA gut planen und sich gut darauf vorbereiten. Zur Berufsschule kann ich allgemein sagen, dass man sie nicht zu locker nehmen sollte. Wenn man stets dranbleibt, fällt es einem einfacher. Es ist wichtig, auch während der Semester gute Noten zu sammeln. Das ist nun in der Coronakrise genau entscheidend geworden, weil die Erfahrungsnoten für den Berufsabschluss gezählt haben, da die Prüfungen ausgefallen sind.
Beutler: Ich hatte Mühe mit der Teilprüfung am Schluss des dritten Jahres. Ich machte mir zu viel Druck und hatte deswegen zum Beispiel Schlafmangel. Bei solchen Prüfungen ist es wichtig, sich selbst Mut zu machen. Es kommen immer Sachen, die man bereits kennt und man schon einmal gemacht hat. Denkt daran: Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen.
Beutler: Bei uns in der Lehrwerkstatt ha- ben sich die überbetrieblichen Kurse kaum vom sonstigen Unterricht und der Arbeit unterschieden, da wir ja immer im Klassenverbund waren. Wir gingen jedoch mehr ins Detail und hatten Zeit, Sachen selber auszuprobieren.
Wolf: Ich habe die ÜKs als streng, aber lehrreich in Erinnerung. Sie sind sehr wichtig, und man sollte bei der Sache sein.
Ahmed: Sich nicht stressen lassen. Denn wenn man pressiert, passieren Unfälle.
Beutler: Genau. Man darf auch mal nein sagen, wenn man sich etwas nicht zutraut. Man soll sich selber lieb sein und Risiken und Sicherheit immer abschätzen.
Wolf: Man lernt mit der Zeit, sich selber einzuschätzen. Vor den Maschinen sollte man nie den Respekt verlieren und nein sagen, wenn man sich unsicher fühlt.
Wolf: Wenn man sich in einer schwierigen Situation befindet, egal ob persönlich oder die Arbeit betreffend, unbedingt das Gespräch mit seiner Betreuerin oder seinem Betreuer suchen. Die Lehre dauert vier Jahre, da kann man nicht einfach ein Auge zudrücken oder sich durchkämpfen.
Beutler: Wenn ich mir einen Job aussuche, schaue ich immer aufs Team. Denn nur wenn man sich im Team wohlfühlt, arbeitet man gerne.
Ahmed: Man soll sich unbedingt Hilfe suchen, wenn man alleine nicht weiterkommt. Ich konnte nur an die TF Bern wechseln, weil mir ein ehemaliger Arbeitskollege geholfen hat.
Wolf: Die war eine riesige Herausforderung, die aber grossen Spass gemacht hat. Ich habe einen Kleiderschrank mit einem offenen Bereich hergestellt. Alles selbst zu planen und zu organisieren, war für mich neu. Man muss sich gut vorbereiten.
Beutler: Ich habe es genossen, ein Projekt selbst zu realisieren. Ich habe für meine Eltern ein Bett mit Stauraum hergestellt.
Wolf: Unbedingt! Schreinerin oder Schreiner ist ein Job, bei dem man weiss, was man gemacht hat. Man spürt es abends auch.
Beutler: Als Schreinerin oder Schreiner kann man ein Projekt von Anfang bis zum Schluss begleiten. Es ist ein wunderbarer Job. Auch für Frauen. Es sollten unbedingt mehr junge Frauen Schreinerin werden.
Wolf: Zu Beginn ist es schon hart, körperlich aktiv zu sein, Gewichte zu heben und den ganzen Tag zu stehen. Aber man gewöhnt sich daran und wächst rein. Aber das geht den Kollegen gleich. Man sollte sich helfen lassen, wenn man alleine etwas nicht heben kann.
Beutler: Genau. Man darf sich nicht schämen, zu sagen, dass einem etwas zu schwer ist. Ich musste mir schon eine dickere Haut zulegen in der Ausbildung. Es kann vorkommen, dass man dumme Sprüche hört. Man darf das aber nicht persönlich nehmen, einfach mal frech zurückgeben oder einfach weghören.
Beutler:Diese Frage stelle ich mir fast täglich. Zu Hause verfolge ich aktuell kleine eigene Projekte. Ich denke, dass ich zuerst temporär arbeite. Ich werde versuchen, in die BMS zu kommen, sodass ich später vielleicht am Technikum in Biel oder Innenarchitektur studieren kann. Dies wird sich in den nächsten Jahren zeigen.
Wolf: Es herrscht ein komisches Gefühl wegen Corona. Ich musste mich schon rechtfertigen, dass mir der Abschluss nicht geschenkt wurde, auch weil die schriftlichen Prüfungen ausfielen. Auf dem Arbeitsmarkt habe ich mich noch nicht gross umgeschaut, aber ich suche einen Temporärjob. Später würde ich gerne die Ausbildung zur Zeichnerin machen oder Architektur studieren. Es ist toll, wenn man zeichnen kann, was man herstellt.
Ahmed: Ich bleibe an der TF und möchte nach dem Schreinerpraktiker nun den EFZ-Abschluss machen. Dafür werde ich im zweiten Lehrjahr starten.

www.tfbern.ch

Einstieg in die berufswelt

Grundsätzliche Ratschläge

Mit dem Beginn einer Lehre öffnet sich eine neue Welt, und Lernende müssen erstmals mit Erwachsenen zusammenarbeiten. Diese sind schon voll im Arbeitsalltag drin und erwarten oft, dass Jugendliche schnell lernen und produktiv arbeiten. Es gibt vier konkrete Ratschläge, die dir den Ein- stieg in die Berufswelt erleichtern:

• Übernimm Verantwortung

• Beweise deine Selbstständigkeit

• Engagiere dich in der Berufsschule

• Habe Kontakt zu älteren Lernenden

Solltest du Schwierigkeiten haben, denk daran: Du bist nicht allein und such dir Hilfe! Am Besten in deinem nahen Umfeld bei Freunden, Eltern und Bezugspersonen. Auch im Internet findest du entsprechende Seiten und Anlaufstellen.

www.berufsberatung.ch

www.147.ch

www.projuventute.ch

nicole d'orazio, ndo

Veröffentlichung: 17. August 2020 / Ausgabe 33/2020

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