Gepflegte Datendurchgängigkeit

Die Anpassungs-möglichkeiten sowie die Pflege und Updatefähigkeit einer Bibliothek sind grundlegende Faktoren. Bild: Pixabay, Joshua Woroniecki

Bibliotheken.  Die zentrale Ablage für alle Konstruktionsdetails, Beschlags- und Materialstämme sowie weitere spezifische Normierungen ist die Grundlage einer durchgängigen Produktion. Dafür müssen die Daten jedoch individuell angepasst und regelmässig gepflegt werden.

Wenn es in einem Produktionsbetrieb um die Themen Digitalisierung und Durchgängigkeit geht, führt praktisch kein Weg an den Bibliotheken vorbei. Grob umschrieben handelt es sich bei einer solchen Bibliothek um einen Datenstamm mit individuell festgelegten Normierungen, Daten und Informationen, welche durchgängig im ganzen Auftragsablauf abgerufen und einheitlich eingesetzt werden.

Was auf den ersten Blick logisch und simpel klingt, stellt sich für den Schreiner auf den zweiten Blick oftmals als grössere Herausforderung dar. Denn obwohl die meisten Schreinereien ihre Konstruktions-Details, Beschlags- und Materialstämme bereits separat für die vorhandenen Maschinen sowie Abläufe definiert haben, gilt es, sich für die durchgängige Zusammenführung aller Daten in einer zentral synchronisierten Bibliothek zu entscheiden, wie man diese umsetzen will.

Effizienter mit weniger Fehlern

Der Einsatz einer gepflegten und individuell angepassten Bibliothek bringt entscheidende Vorteile mit sich. So findet nachweislich eine Effizienzsteigerung statt, und Konstruktions- sowie Produktionsfehler können reduziert werden. «Mit dem Einsatz einer leistungsstarken Bibliothek wird nicht nur in der Arbeitsvorbereitung, sondern durch die Vereinheitlichung und Wiederverwendung von Konstruktionen auch in der Produktion Zeit eingespart», sagt Andreas Wyss, Leiter Pointline CAD bei der Borm-Informatik AG aus Schwyz. So können mit einer modernen Bibliothek nicht nur Standardkonstruktionen, sondern auch Spezialteile produktionssicher konstruiert werden, was schlussendlich zu einem reibungslosen Ablauf in der Werkstatt führt. Weiter lassen sich Grundelemente normieren. «So kann durch das Abspeichern eines Möbelstückes, das man bereits konstruiert und gezeichnet hat, eine erhebliche Zeitersparnis beim Einsatz des gleichen Möbels in einem anderen Projekt erzielt werden», sagt David Zehntner, Software Consultant bei der Computer Works AG in Münchenstein BL, welche das CAD interiorcad von Vectorworks vertreibt. Durch diese Normierung benötigen Mitarbeiter weniger spezialisiertes Fachwissen, und neue Mitarbeiter sind viel einfacher einzuarbeiten, was besonders im schnelllebigen Objektgeschäft und beim aktuellen Fachkräftemangel in der Branche wichtig ist. In der Praxis bieten sich für eine Schreinerei zwei Arten an, um eine Bibliothek zu erstellen: Schreinereien können eine zukaufbare Bibliothek erwerben und diese, wenn nötig, an die eigenen Bedürfnisse anpassen oder eine eigene Bibliothek von Grund auf erstellen. Hier spielten die Individualität, Ausrichtung und vor allem das vorhandene Know-how eine zentrale Rolle. «Oftmals merken Schreiner erst in der Evaluation, dass sie mehr Zeit in die individuelle Mitarbeiterschulung stecken müssen, damit das Thema durchgängige Bibliothek erfolgreich angegangen werden kann», sagt Zehntner.

Zukaufbare Bibliotheksarten

Viele Software-Anbieter stellen bereits vordefinierte Bibliotheken zur Verfügung. Grundsätzlich können diese in CAD-Bibliotheken und in ERP-Bibliotheken unterteilt werden. Anbieterspezifisch haben die beiden Bibliotheksarten andere Namen und je nachdem, ob es sich um einen CAD- oder ERP-Anbieter handelt, auch eine andere Gewichtung.

  • Bei ERP-Bibliotheken handelt es sich beispielsweise um Beschlags- und Materialbibliotheken. Hier bieten diverse Händler bereits aktuelle ComNorm- Daten für ihre Produkte an, welche direkt mit dem ERP und dem CAD verknüpft werden können.
  • Bei CAD-Bibliotheken handelt es sich meistens um spezifisch vordefinierte Zeichen-Blöcke, welche aus parametri- schen Daten bestehen. So kann der Schreiner seine Aufträge zu Beginn bereits mit den Bausteinen der zugekauf- ten Bibliothek abdecken.

«Eine Bibliothek darf nicht statisch sein und den Schreiner einschränken, sondern muss gestützt auf eine Normengrundlage die nötige Flexibilität bringen», sagt Thomas Bütikofer, zuständig für den Vertrieb Imos bei der Homag Schweiz AG aus Höri ZH. Um die Individualität einer modernen Schreinerei abzudecken, ist es wichtig, bereits in der Evaluation auf die Möglichkeiten zur individuellen Anpassbarkeit zu achten. «Beim Einsatz einer fortschrittlichen und schreinerspezifischen Bibliothek kann der Schreiner den Grundstock der Bibliothek bereits produktiv nutzen und darin seine betriebsspezifischen Konstruktionen anpassen, ergänzen und erweitern», sagt Wyss. Ebenso ist es wichtig, dass mit der Bibliothek auch Sonderkonstruktionen von Grund auf konstruiert und eingepflegt werden können.

Bibliotheken individualisieren

Im Normalfall passen die fertigen Bibliotheken der Software-Anbieter nicht zu 100 Prozent auf die spezifischen Anforderungen der Betriebe. Hier ist es wichtig, im Vorfeld abzuklären, was der Schreiner nachträglich selbst anpassen und pflegen kann. «Wenn der Schreiner oder ein Software-Partner die Bibliothek nachträglich ergänzen und anpassen kann, entsteht in der Regel kein Mehraufwand. Wenn jedoch komplexe Blöcke oder sogar hinterlegte Generatoren angepasst werden müssen, benötigt dies viel Zeit und verursacht zusätzliche Kosten», sagt René Wetzstein, Geschäftsführer von rwdm Datenmanagement. Aus Erfahrung weiss der Experte, dass sich eine Abklärung im Vorfeld lohnt, denn je nach System können Aufwände von wenigen Tagen bis zu mehreren Monaten anfallen. Zudem ist es wichtig, dass sich der Schreiner bewusst ist, was er will. «Je nach Betrieb reichen bereits zehn Details aus, bei anderen Firmen, die Türen, Fenster oder Trennwände herstellen, benötigt es hingegen ein Vielfaches mehr», sagt Bütikofer. Hier stellt sich oftmals die Frage, ob der Kunde die Individualisierung selbst machen kann oder einen Spezialisten beiziehen sollte.

Aufwände und Know-how

Der Schreiner denkt meist, dass er die Thematik im Griff hat, und liegt aus Erfahrung von René Wetzstein oftmals leider falsch: «Zum einen betrachtet er die Digitalisierung immer noch aus Schreinersicht und sieht dadurch nicht alle Lösungen, zum anderen kennt er die automatisierungstechnischen Grenzen nicht und setzt sich dadurch falsche Ziele.» Es muss kein Entscheid für oder gegen eine zukaufbare Bibliothek sein. Der Schreiner kann beides auf derselben Grundlage umsetzen. «Mit zunehmender Vernetzung über weite Unternehmensteile, wie beispielsweise die kaufmännische, beschaffungstechnische und produktionstechnische Abwicklung, lohnt es sich, gewisse Stammdaten selbst aufzubauen, da so die betriebliche Durchgängigkeit noch effizienter gestaltet werden kann», erklärt Wyss.

Abhängigkeiten vorbeugen

Je nach Anbieter, welchen der Betrieb wählt, ist eine grössere oder kleinere Abhängigkeit vorhanden. «Hier sollte bei der Evaluation insbesondere auf die Abhängigkeiten und Zusammenhänge der Konstruktionsbibliotheken geachtet werden», sagt Wyss. So sollten Spezialfälle oder C-Konstruktionen, die selten vorkommen, ohne Stammdaten und Konfigurationsaufwand, also ohne Zusatzaufwände, einfach gezeichnet und produziert werden können. Nur auf diese Weise ist der Einsatz der Bibliothek bei individuell produzierenden Betrieben sinnvoll. «Der Schreiner muss individuelle Produkte jederzeit selbst einpflegen können; es darf nicht sein, dass er nicht weiss, wie er seine Bibliotheken erweitern und pflegen kann», sagt Alex Ochsner, Geschäftsführer der Swiss All CAD AG aus Gossau SG. Neben der Abhängigkeit zu den System- und Datenanbietern sind auch personenbezogene Abhängigkeiten zu beachten. «Es wird auch immer eine Abhängigkeit von einem oder zwei Mitarbeitern, welche die Daten inhouse erstellt haben, aufgebaut», sagt Wetzstein.

Mitarbeiter fördern

Auch wenn das Pflegen von Bibliotheken keine besonderen Kenntnisse erfordert, benötigt es ein Verständnis der Grundfunk- tionen. «Wir sehen bei unserer täglichen Arbeit mit unseren Anwendern manchmal, dass es einen Bedarf an grundlegender Schulung gibt. Da geht es nicht explizit um Schulung für die Arbeit mit Bibliotheken, sondern darum, wie man in einem CAD in 3D zeichnet, Projekte ansprechend visualisiert und vor allem Projekte so plant, dass sie durchgängig bis in die Produktion weitergegeben werden können», sagt Zehntner. Die Planung in 3D ist für den sinnvollen Nutzen und die Datendurchgängigkeit Pflicht. «Es gibt noch einige Schreinereien, welche mit reinen 2D-Konstruktionen planen», sagt Wyss. Hier ist sicherlich Potenzial für eine effizientere Planung vorhanden.

Seine Ziele kennen

Bereits in der Evaluation sollte auf gegenseitiges Vertrauen geachtet werden. Das Anpassen sowie die Pflege und Updatefähigkeit einer Bibliothek sind grundlegende Faktoren. «Ich sage es wie den Kindern auf dem Schulweg: lose, luege, laufe. Erst wenn das Ziel klar ist und alle Abklärungen getroffen sind, fangen wir mit der Arbeit an den Bibliotheken an», sagt Bütikofer.

Es ist wie beim Spielen mit Legosteinen: Wenn die richtigen Normteile in einer Bibliothek sind, können ganz tolle individuelle Objekte gebaut werden.

www.borm-software.comwww.computerworks.ch/interiorcadwww.imos3d.comwww.rwdm.chwww.swissallcad.ch

Noah Gautschi

Veröffentlichung: 17. August 2023 / Ausgabe 33/2023

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