Noch reichlich Platz zum Auftischen

Die Online-Bestellungen an Möbeln nehmen zu. Grosse Hersteller nutzen das, der Handel tut sich schwer damit. Bild: Christian Härtel

Webshops.  Schreinereien bieten ihre Produkte bislang eher selten zum Online-Einkauf an. Dabei könnte das Schreinerhandwerk digital noch reichlich auftischen, zumal die wichtigste Voraussetzung dafür praktisch in der DNA verankert ist: Einzigartigkeit.

Wenn in der Branche von Digitalisierung gesprochen wird, steht meist die Fertigung im Fokus. Da geht es um CNC-Technik, Datendurchgängigkeit, Etikettendrucker, Arbeitszeiterfassung oder BIM. Um den sogenannten Point of Sale, also den Ort des Verkaufs, geht es dagegen kaum. Dabei herrschen dort offensichtlich eindeutige Verhältnisse. Laut dem Bundesamt für Statistik (BFS) nutzen drei Viertel aller Männer und Frauen zwischen 16 und 74 Jahren das Internet zum Einkauf. Und nach den jüngsten Daten von 2021 tummeln sich über 93 % aller 30- bis 59-Jährigen täglich oder fast täglich im Internet. Und das ist bekanntlich eine besonders interessante Zielgruppe für Schreinereien, weil die Konsumentinnen und Konsumenten in diesem Alter das meiste Geld für Möbel und Einrichtung ausgeben. Die Kundschaft von Schreinereien ist praktisch permanent online.

Der Anteil derjenigen, die Möbel ausschliesslich oder überwiegend vor Ort einkaufen, nimmt stetig ab.
Studienergebnis von Handelsverband.swiss

 

Doch macht das Handwerk ein adäquates Angebot im Netz? Wer die Seiten von Schreinereien besucht, stösst selten auf einen Webshop. Ein Grund dafür ist sicher der Realität geschuldet, dass nur wenige eine Kollektion anbieten. Mutmasslich herrscht aber immer noch die Meinung vor, dass sich Schreinerarbeiten eher nicht online verkaufen lassen. Die Kundschaft scheint dafür empfänglicher zu sein. Vom Fleisch über Schmuck bis hin zum Brautkleid kann man praktisch alles online bestellen. Eine aktuelle Studie von Handelsverband.swiss zusammen mit der Gesellschaft für Konsumforschung und der Schweizerischen Post zeigt, dass Herr und Frau Schweizer zwar vor allem Heimelektronik, Mode-Produkte und Essen online einkaufen, doch scheinen sich die Anteile durchaus dynamisch zu entwickeln. Laut Studie verschieben sich die Präferenzen in allen Bereichen weiter in Richtung Online-Einkauf. Auch würden die Konsumentinnen und Konsumenten zunehmend hybrid einkaufen. Sie nehmen die Dinge also einerseits vor Ort persönlich in Augenschein, andererseits bestellen sie das Objekt ihrer Begierde später gerne auch per Mausklick. Bevorzugten 2019 noch fast drei Viertel der Bevölkerung den stationären oder überwiegend stationären Möbelkauf, waren es bei der Datenerhebung 2022 lediglich noch 63 %. Der Möbelsektor weist damit dieselben Tendenzen wie andere Warengruppen auf.

«Der Onlineshop ist auch mein Katalog. Darin kann geblättert und bestellt werden. Er kann darüber hinaus auch zum Besuch in meinem Showroom anregen.»
Michael Schweingruber, Inhaber Kambium in Münchenstein BL

 

Als erfahrenen Online-Anbieter kann man wohl Schreiner Michael Schweingruber bezeichnen. Seit vielen Jahren bietet er die Stücke seines Labels Kambium im Netz an. Für ihn ist das Bemühen in mehrerer Hinsicht sinnvoll. «Der Onlineshop ist auch mein Katalog. Darin kann geblättert und bestellt werden. Er kann darüber hinaus auch zum Besuch in meinem Showroom anregen», sagt Schreiner und Gestalter Schweingruber. Nirgendwo steht geschrieben, dass ein gefertigtes Möbel gleich in x-facher Ausführung und allen Varianten auf Lager liegen muss, um es über einen Webshop anbieten zu können. «So ein Shop hat für mich mehrere Aspekte. Mithilfe des Webhops erschaffe ich auch eine Kollektion. Kunden kommen dadurch zu mir in den Showroom und wollen ein Stück, das sie im Netz gesehen haben, etwas modifiziert haben», erklärt Schweingruber.

Also warum eigentlich nicht? Das Sondieren und Shoppen im Netz ist heute so selbstverständlich, dass man den Shop einfach noch mit umsetzen kann. Technisch ist es inzwischen einfach, einen Webshop zu realisieren. Diesen wirklich gut und attraktiv zu machen, ist dagegen durchaus anspruchsvoll. «Perfekte Fotos sind ein Muss, und die Nutzerfreundlichkeit der Seite ist es ebenso», weiss Schweingruber.

Für den Erfolg mit dem Online-Verkaufswerkzeug braucht es mitunter einen längeren Atem. Das weiss auch Schreiner Ralph Steiner. Seit etwa drei Jahren bietet der Inhaber der Manum GmbH in Tscherlach SG die Möbel seines Labels Raïna auch online an. Auch er nutzt den Webshop, um die Kollektion aus seinem Hause aufzubauen. Gleichzeitig ist es für Steiner auch eine Notwendigkeit, den Vertrieb selbst und direkt zu übernehmen. «Wenn wir mit Handelspartnern arbeiten, werden unsere Möbel für viele zu teuer. Deshalb sind wir fast dazu gezwungen, auch direkt über das Internet zu verkaufen», sagt Steiner.

«Mit Handelspartnern werden unsere Möbel für viele zu teuer. Deshalb sind wir fast dazu gezwungen, auch direkt über das Internet zu verkaufen.»
Ralph Steiner, Inhaber Manum GmbH in Tscherlach SG

 

Auch der Ostschweizer Schreiner weist auf die Unentbehrlichkeit von professionellen Fotos hin, auf die notwendigen Social-Media- Aktivitäten, aber auch und fast schon überraschend auf die Präsenz in den Printmedien. «Hefte sind enorm wichtig», sagt Steiner, der auch auf Messen präsent ist.

Denn als ganz wichtig sieht Steiner neben einem wirklich, wirklich guten Produkt, «dass man dazu auch eine Geschichte zu erzählen hat, die einen von anderen abhebt. Möbel aus Arvenholz in eigenständiger Formensprache, wie Steiner sie mit Raïna anbietet, gibt es im Möbelhaus bislang kaum. Dazu kommt der Aspekt der handwerklichen Fertigung und der Entstehung eines Entwurfes, und so formt sich auch die Geschichte.

Das bestätigt auch der erfahrene Möbelhändler Fabio Dubler, der in Zürich mehrere Ladengeschäfte wie H100 für Möbel betreibt. Neben Designklassikern und Vintageobjekten geht es in den Geschäften von Dubler auch um neue Möbel. Einen gemeinsamen Webshop betreibt der Inhaber unter www.memorie.ch. Der Warenkorb dient dabei jedoch nicht als direkte Bestellmöglichkeit, sondern als Initialzündung für eine Anfrage zu den gewünschten Stücken. Es gibt online keine Preise zu sehen. Es muss also angefragt werden. «Wenn man etwas Spezielles hat, macht der Webshop Sinn. Vergleichbares ist schwierig, weil es dann nur um den Preis geht», sagt Dubler. Die Kundschaft würde dann den günstigsten Preis im Netz suchen, um dann dort zu bestellen. Der Preis leite und diktiere das Kundenverhalten, auch wenn am Ende gar nicht identische Dinge miteinander verglichen würden. Durch dieses Vergleichsverhalten sei das Online-Geschäft derzeit schwierig für den Möbelhändler.

«Wenn es um etwas Spezielles geht, macht ein Webshop Sinn. Vergleichbares ist schwierig, weil es dann nur um den Preis geht.»
Fabio Dubler, Geschäftsführer Bogen 33 Gmbh in Zürich

 

Generell als grosse Herausforderung sieht Schreiner Michael Schweingruber das Marketing. Auf welchen Portalen soll man sein und sich engagieren? Und hat man überhaupt die Zeit dafür? «Ich habe auch externe Hilfe gehabt, aber das ist auch ein gewichtiger Kostenblock», sagt Schweingruber. Am Ende kommt ein bunter Strauss zusammen, der die Kundschaft locken soll. Das Stichwort Suchmaschinenoptimierung (SEO) fällt natürlich, aber auch konventionelle Wege wie die Präzenz an Messen und in Printmedien und auch das Engagement auf Instagram und anderen sozialen Portalen. Dabei sollte man am Ende das richtige Produkt nicht vergessen. «Hätte ich 20 Produkte wie den Kleiderständer, dann würde der Online-Verkauf allein als Geschäftsmodell für mich funktionieren», sagt Schweingruber. Nicht nur in seinem Webshop scheint noch Platz zu sein, um noch mehr aufzutischen.

www.kambiummoebel.chwww.raina.chwww.memorie.ch

Der attraktive Webshop

Die wichtigsten Tipps zum Gelingen

  • Ausreichend grosse und vor allem professionelle Bilder verwenden. Schlechte und zu kleine Bilder vermiesen die Lust augenblicklich.
  • Der erste Eindruck zählt. Die Startseite ist wie das Schaufenster. Wer sich gleich zurechtfindet, macht gerne den nächsten Schritt.
  • Wird immer noch vergessen: Responsive Design. Je nach Grösse und Format wird die Ansicht optimiert am Rechner, Tablet und Smartphone unterschiedlich dargestellt.
  • Verschiedene Zahlungsarten. Eine kleine Palette an verschiedenen Bezahlmöglichkeiten vermeidet ein Abspringen vor dem letzten Schritt.
  • Zusätzliche und ergänzende Produkte zeigen. Beim sogenannten Cross- Selling werden zum ausgewählten Produkt passende weitere Artikel angezeigt. Das kann bei einem Tisch vom Brotkorb über die Leuchte bis hin zum Stuhl reichen. Am Ende des Bestellvorganges ist man gefühlt perfekt ausgestattet und hat an alles gedacht. Manche packen mit den Ergänzungsprodukten auch Pakete zu attraktiven Preisen zusammen.
  • Aktionen schärfen die Erinnerung. Dabei geht es nicht nur um Rabatte, die locken. Es können auch temporäre Offerten sein, limitierte Auflagen oder Ähnliches. Am Ende geht es um Kommunikation und Beziehungsmanagement zur Kundschaft.

christian Härtel, CH

Veröffentlichung: 17. August 2023 / Ausgabe 33/2023

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