Grosses Kino unterm Dach

Raum für Muse: In Anlehnung vorhandener Stilelemente entstand unter dem Dach eine ganz persönliche Insel. Bild: DBS Projekte

Typisch britisch.  Den Dachausbau einer Villa in Burgdorf BE hat die Schreinerei Werthmüller ganz nach dem persönlichen Geschmack des Bauherrn umgesetzt. Das Heimkino und die Bibliothek sind geprägt durch britische Stilelemente, allen voran die Ölfarbe auf profilierten Flächen.

Es gibt so einiges, was man gerne und oft mit «typisch britisch» betitelt. Was vielen dabei – neben dem schlechtem Wetter – schnell durch den Sinn hüpft, sind Farben wie die Telefonzelle oder der Doppeldeckerbus in knalligem Rot. Aber auch die satten Grüntöne von Fussball- oder Golfrasen erinnern uns unweigerlich an die Insel. Es kommt nicht von ungefähr, dass hierzulande auch Pubs oder gewisse Sportwagen mit ihrer Farbgebung sofort hinsichtlich ihres Ursprungs verortbar sind. Da stehen die Farben und die Art der Oberfläche für das, was viele als typisch britisch ansehen.

Was gefällt, ist auch erlaubt

Für die Bauherrschaft einer Villa in Burgdorf sind solche Überlegungen zu guter Letzt nebensächlich. Die typisch britischen Elemente gefallen einfach und auch die feine englische Art. Unter dem Dach hat der Bauherr seine ganz persönlichen Vorstellungen für eine Bibliothek samt einem Heimkino verwirklicht. Als nicht ganz gewöhnlich ist dabei zu bemerken, dass der Umbau von oben nach unten durchs Haus voranschreitet und auch, dass man mit dem Kino und der Bibliothek einen Bereich vorgezogen hat, den die meisten doch als «nice to have» bezeichnen würden.

Einen Umbau im bewohnten Haus mit Familie zu machen, ist eine besondere Herausforderung. Da ist es hilfreich, wenn der Bauherr gleichzeitig auch die Bauleitung übernimmt. Ein Vorteil sei dabei, dass alle Fragen direkt auf dem kurzen Wege beantwortet würden und Entscheidungen sofort umgesetzt werden könnten, so der Bauherr. Über mehrere Jahre und in Phasen geteilt, ziehen sich die Umbauarbeiten. Aus der Sicht der Bewohner ist der Verlauf logisch, hat man Stockwerk für Stockwerk alles im Griff.

Selbstbewusst ziert die Farbe das Holz

Tatkräftige Unterstützung liefert dabei das Team der Schreinerei Werthmüller in Burgdorf. Das Dachgeschoss samt der darunter liegenden Bibliothek, die durch die Deckenöffnung mit dem Dachboden verbunden ist, sind inzwischen fertig und komplett mit Holz ausgebaut. Auch wenn heute das Holz deckend mit Ölfarbe beschichtet ist, sieht man darunter je nach Lichteinfall mehr oder minder deutlich die Maserung des Holzes. Das Ergebnis: Irgendwo zwischen Theateratmosphäre und altehrwürdiger Bibliothek rangiert das Raumensemble. Damit hat Architekt Dieter Baumann-Stucki vom örtlichen Büro DBS Projekte sein Ziel erreicht. Das Büro brachte am Anfang auch einen modernen Entwurf ins Spiel, der aber von der Bauherrschaft schnell verworfen wurde. Die wollte den britischen Stil.

Neben den Oberflächen war auch das Material darunter ein entscheidender Punkt. Der wegen der Ölfarbe fast verschwenderisch anmutende Einsatz von Holz war wichtig. «Die Bauherrschaft wollte ein echtes Material», sagt Stefan Liechti, Inhaber und Geschäftsführer der Schreinerei Werthmüller. Was manches Schreinerauge fast schon etwas schmerzen mag, musste für das Gelingen des Konzeptes so sein: Am Ende kam der Maler und trug vier Mal deckend die Ölfarbe auf.

Metamorphose eines Raumes

Bevor das Heimkino und die Bibliothek unter dem Dach einziehen konnten, mussten die Grundlagen dafür geschaffen werden. So wurde der Lift entfernt und stattdessen für die junge Familie eine Spindeltreppe zum Dachgeschoss eingebaut. Für Schreiner Liechti bedeutete die Aufgabe zunächst einmal, ein Grundgerüst zum Befestigen der Wandverkleidungen zu erstellen. Dazu gehörte auch die doppelfügelige Tür hin zum Treppenhaus und der galerieartige Bereich, um die geöffnete Decke vorzubereiten.

«Wir haben die komplette Massaufnahme mithilfe von Lattenrissen gemacht und nicht mit elektronischen Hilfsmitteln. Da die Winkel ständig variierten, schien das die bessere Lösung», sagt Liechti. Nachdem der Holzbauer das Dachgeschoss gedämmt, der Steingut-Boden aufgebaut und die vielen Leerrohre für die so wichtige Beleuchtung eingezogen waren, ging es an die Unterkonstruktion. So konnten im Bereich des Kniesturzes Stauraum hinter Türen geschaffen werden.

Die Kulisse entsteht

Nachdem die Unterkonstruktion montiert war, wurden die mit Fichte furnierten Platten mittels Nagler auf der Lattung befestigt. Dank der finalen, deckenden Beschichtung liessen sich die Befestigungspunkte der Stahlstifte einfach auskitten. Die Montage der massiven Rahmenhölzer erfolgte erst, nachdem die Füllungsfelder angebracht waren. Viel Zeit musste den Detailanschlüssen mit den profilierten Blendrahmenhölzern gewidmet werden, damit die Stösse exakt passten und am Ende wie eine echte Rahmenkonstruktion mit Füllungen wirkten. Winkel mussten immer wieder abgenommen und beidseitig angeglichen werden.

«Damit alles gut funktioniert, waren stets dieselben Personen zuständig von der Massaufnahme über die Produktion bis hin zur Montage», sagt Liechti. Auch das hat die Wege nochmals verkürzt, sodass die Schreiner bei Fragen mit dem Architekten und dem Bauherrn als Bauleiter unmittelbar vor Ort Lösungen finden konnten. Das betrifft etwa die endgültige Auswahl bei den Beschlägen oder auch die abschliessende Bewertung der Bemusterung von Farbe und Lichtwirkung der ausgesuchten Leuchten.

Der rote Faden ist grün

Der Raum zu Füssen der Geländergalerie sollte Bibliothek werden. Pate standen dabei vorhandene Einbauschränke mit Zierelementen an den Türen. Diese hat die Schreinerei Werthmüller aufgenommen und anhand der alten Vorbilder Bibliothekseinbaumöbel in Eiche gefertigt. Die vorhandenen Schränke konnten so erhalten werden. Auch hier wurde am Ende mit Ölfarbe das einheitliche Erscheinungsbild hergestellt. Den profilierten Kranz der Einbaumöbel zieren zahlreiche Messingleuchten, wie sie typischerweise in einem Lesesaal anzutreffen sind. Die Beschläge für Zimmertüren und Möbel, die Leuchten bis hin zu den Lichtschaltern sind in Messing ausgeführt und tragen mit dem konsequent profilierten Innenausbau zu einer stimmigen und behaglichen Atmosphäre bei. «Es war enorm wichtig, dass der Architekt auch das Farb- und Lichtkonzept für die Räume entwickelt hat», zeigt sich Liechti überzeugt. Und auch die doppelte Raumhöhe ist wichtig. Die Luft nach oben verschafft der Bibliothek einen fühlbaren Freiheitsgrad.

In den nächsten Phasen geht es nun mit dem Umbau in die Räume der beiden unteren Etagen. Viele Details müssen noch geklärt werden. Und auch dort wirkt der Bauherr nochmals als Bauleiter und überlässt Gewöhnliches gerne wieder anderen.

www.werthmuellerag.chwww.dbs-projekte.ch

christian härtel

Veröffentlichung: 29. Februar 2024 / Ausgabe 9/2024

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