Optische Entfaltung

Der Brillenkorpus im Eingangsbereich bietet genügend Platz für die Brillenfassungen und schafft durch seine konkave Form gleichzeitig viel Raum. Bild: Michi Läuchli

Ladenbau.  Unweit vom Zürcher Paradeplatz erstrahlt das frisch renovierte Optikerfachgeschäft Zwicker zum 175-Jahr-Jubiläum in neuem Glanz. Der sanfte Umbau aus Schreinerhand im denkmalgeschützten Gebäude verbindet dabei geschickt Tradition mit einer Weltneuheit.

Umzubauen und neu zu gestalten, dafür gibt es viele Gründe. Sei dies nun wegen veralteter Materialien, der Optimierung von Arbeitsbereichen oder auch um die Attraktivität eines Geschäftes zu steigern. Klassisches Einkaufen in Geschäften wird zunehmend durch Online-Shopping verdrängt. Die Coronakrise verstärkte den Trend, und der Onlinehandel boomt. Gemäss einer Umfrage von Profital, einem Anbieter für digitale Prospekte und Mobile Retail Marketing, geben 43 Prozent der befragten Schweizer an, seit der Krise mehr im Internet zu bestellen. Allerdings unterstützen 16 Prozent der Befragten auch vermehrt kleine Läden. Dafür gibt es viele Argumente. Das Einkaufserlebnis vor Ort, die persönliche Beratung oder das Anprobieren lässt sich nicht durch einen Bildschirm ersetzen. Die Attraktivität eines Ladens lässt sich mit einem gut geplanten Umbau und passender Inneneinrichtung steigern. Interaktive Erlebnisbereiche und eine ansprechende Umgebung fördern zusätzliches Interesse. Auch eine besondere Historie und Architektur trägt massgebend zum Einkaufserlebnis bei, wie das berühmte Einkaufscenter Harrods in London zeigt.

Gebäude mit langer Historie

Nicht ganz so weit weg, in der Altstadt von Zürich zwischen Fraumünster und Paradeplatz eingebettet, befindet sich ebenfalls ein Prachtbau. Im klassizistischen Stil gebauten Gebäude war einst die eidgenössische Postverwaltung, später entstanden erste Privatgeschäfte darin. Im Jahre 1848 gründete Matthias Jäggli in dem Eckgebäude, also an der Poststrasse 1, das erste Optikergeschäft von Zürich. Während damals draussen auf dem holprigen Kopfsteinpflaster noch Postkutschen fuhren, wurde drinnen den Kunden Fernrohre, Thermometer und Barometer verkauft. Einige Jahre später wurde das Geschäft von Joseph Zwicker übernommen, was der Firma schliesslich den heutigen Namen gab. Vor der Jahrtausendwende übernahmen dann Kurt Halder und Sohn Daniel die Firma, die sie auch heute noch mit zwei weiteren Filialen führen.

Verjüngungskur als Jubiläumsgeschenk

Postkutschen fahren heute keine mehr, das Eckgebäude mit dem Säulengang steht aber noch immer da. So auch das Optikergeschäft, welches 2023 sein 175-jähriges Bestehen feierte. Ein idealer Anlass also, dem Geschäft eine Verjüngungskur zu verpassen. Aussen wurde am denkmalgeschützten Haus nichts verändert. Im Inneren blieb allerdings kaum ein Stein auf dem anderen.

Komplexer Ladenumbau

Für den Innenausbau war die Schreinerei Schwyter AG in Tuggen SZ zuständig. Sie fertigten die Brillenkorpusse mit Glastablaren sowie Tische, Wandverkleidungen, Untersuchungsmöbel, aber auch den für Kunden nicht sichtbaren Bereich wie Küche, Kassenmöbel, Labor und Aufenthaltsraum. Die grosse Herausforderung am Umbau war der Zeitdruck. Die Bauzeit dauerte drei Wochen, davon blieb das Geschäft während zweier Wochen geschlossen. Doch eine gute Planung und Vorbereitung in der Werkstatt ermöglichte sämtliche Montagearbeiten in dieser Zeit. Der Zeitfaktor war allerdings nicht die einzige Herausforderung, wie Besnik Sahitaj, Inhaber und Geschäftsführer der Schwyter AG, sagt: «Während der Planung gab es regelmässig neue Wünsche seitens der Bauherrschaft, die wir umsetzen durften, sodass auch das Auftragsvolumen immer grösser und komplexer wurde.» Komplex war auch die neue Layoutplanung des Ladens. Die Grundrisse zeichneten die Schreiner zusammen mit dem Architekten vor Ort ein, damit später die Wände und Durchbrüche des Maurers am richtigen Ort zu stehen kamen. Denn früher gab es neben dem Optikergeschäft ein zweites Fachgeschäft, das wurde allerdings durch den Umbau aufgelöst.

Weltneuheit hautnah erleben

Die Geschäftsauflösung generierte viel mehr Verkaufsfläche. Dadurch ergab sich die Möglichkeit, den lange schlummernden Traum von Inhaber Daniel Halder zu realisieren, denn er wollte, dass die Kunden die Brillengläser mit ihren unzähligen Eigenschaften hautnah und interaktiv erleben können. Dazu wurde mit dem Brillenglas-Spezialisten Rodenstock die interaktive «Glass Experience Wall» entwickelt. Kunden können dort die unterschiedlichsten Brillengläser praktisch erproben und deren Wirkung unmittelbar an den Bildschirmen erleben. Die 5300 mm breite und 2700 mm hohe Wand ist weltweit einzigartig. Ursprünglich sollte sie aus Chromstahl gefertigt werden, was jedoch aufgrund des hohen Gewichts und des Glanzgrades verworfen wurde. Die Wand besteht aus MDF-Paneelen, die mit 1,5 mm dickem, gebürstetem Aluminium belegt sind. Mittels eines Einhängesystems sind die Module unsichtbar montiert und bleiben so bei technischen Störungen jederzeit demontierbar. Im unteren Bereich befinden sich die Schubladenkorpusse, welche die vielen verschiedenen Gläser beherbergen. Die unterschiedlichen Farbgläser lassen sich dank der von unten beleuchteten Plexiglasscheibe gut erkennen und herausnehmen.

Der Zauber steckt im Detail

Gleich im Eingangsbereich steht der neue Brillenkorpus aus furniertem, geräuchertem Eukalyptusholz. Die konkave Form schafft viel Raum und bietet dennoch Platz für Hunderte von Brillengestellen. Die Schubladen sind aus Ahorn gefertigt, ebenso die 130 Cuvetten, also die herausnehmbaren Brilleneinlagen. «Die Keilaufdoppelungen wie auch die Einlagen mit den zweifarbigen Filzböden gaben viel zu tun, damit am Ende auch alles passte», sagt Sahitaj. Passen tut auch die Ladenbeleuchtung, dafür wurde eigens ein Lichtplaner engagiert, der Anregungen gab, wo es wie viel Licht in welcher Qualität haben sollte.

Im oberen Bereich sind die eingenuteten Glastablare und die Vitrinen in den weiss gespritzten MDF-Platten eingelassen. Wegen der komplexen Produktion gaben die Handwerker ihnen den liebevollen Namen «Gold-Vitrinen». Ein geeignetes Türrahmenprofil gab es hierzulande nicht, schliesslich wurde aus dem Ausland passendes Aluprofil bestellt und beim Metallbauer verchromt. Edel sind auch die Korpusse, Tablare und die wechselbare Beleuchtungsfarbe. Korpusseiten, -rückwand, -deckel und -boden wurden in verschiedenen Farben lackiert. Auch die Vitrinentablare sind in verschiedenen Farben gespritzt und so an die unterschiedlichen Brillenfassungen anpassbar. Im hinteren Bereich des Ladens finden sich zwei weitere solcher Brillenkorpusse, sie haben im Gegensatz zum Eingangsmöbel eine gerade Front. Dazwischen stehen die runden, massiven Beratungstische. Auch in ihnen steckt Raffinesse: Die Laptops sind direkt am unsichtbaren Strom- und Internetanschluss im Tischbein angeschlossen. Die abgestuften, runden Massivholzdoppel fräste die Schreinerei an der CNC. Die Kunden seien nach dem Umbau sehr zufrieden und gäben viele positive Rückmeldungen, wie der Geschäftsführer sagte.

www.schwyter.agwww.optikerzwicker.ch

Ladenbau

Tipps zur Planung

Generell bekannte Aspekte des Ladenbaus sind:

  • Konzept/Design: bildet die Grund- lage, bestimmt wie der Laden aussehen soll, um die Zielgruppe anzusprechen.
  • Raumplanung/Layout: ist entscheidend, um den verfügbaren Platz optimal zu nutzen. Das Layout soll den Kundenfluss fördern und stellt sicher, dass Produkte leicht zugänglich sind.
  • Möbel/Ausstattung: Systemregale oder Möbel sollten funktional und gleichzeitig ästhetisch ansprechend sein. Flexibilität in der Anordnung ermöglicht es, das Layout je nach Bedarf anzupassen.
  • Beleuchtung: spielt eine Schlüsselrolle im Ladenbau. Sie beeinflusst die Produktesichtbarkeit, beeinflusst zudem die Stimmung und Atmo- sphäre im Geschäft.
  • Barrierefreiheit: Ein guter Ladenbau berücksichtigt die Bedürfnisse aller Kunden, einschliesslich barrierefreien Zugangs für Menschen mit Beeinträchtigungen.
  • Integration neuer Technologien: Interaktive Displays, digitale Preisschilder oder QR-Codes können das Verkaufs- erlebnis verbessern und Kunden einbinden.

Michi Läuchli, ML

Veröffentlichung: 18. Januar 2024 / Ausgabe 3/2024

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