Gute Aussichten für kleine Möbel

Bild: Schreinerei Kym Individuelles Raumkonzept, das «mitwächst»: Die Möbel können vom Kinder- bis zum Teenageralter variiert werden. Zum Beispiel Rutsche abmontieren, anderes Geländer aufsetzen.

Einrichtung für den Nachwuchs.  Noch vor einem Jahrzehnt gab es in der Schweiz keine Geschäfte für Designkindermöbel – inzwischen hat sich das Bild gewandelt. Immer mehr Kunden setzen auf lokale Verarbeitung und gute Gestaltung. Doch wie können Schreiner davon profitieren?

Möbel für Kinder sollen mitwachsen, sprich altersgerecht angepasst werden können. Die anspruchsvolle Aufgabe für den Schreiner lautet also: Bau flexibel und dauerhaft zugleich. Und günstig soll es freilich auch noch sein. Denn der Massenmarkt lockt, Qualität scheint beim Kunden nachgeordnet. Doch die Spurensuche zeigt neue Tendenzen und Nischen im Bereich der kleinen Nutzer.

Das Kinderzimmer im Blick

Tobias Kym, Schreiner und Geschäftsführer der gleichnamigen Schreinerei in Möhlin AG, kennt die geringe Nachfrage nach einem Kindermöbel vom Schreiner: «Unsere Kinder geben sowieso keine Sorge, deshalb kaufen wir besser günstig und in zwei Jahren wieder etwas Neues», muss er öfters hören. Kym entmutigt das nicht. «Unser wirtschaftliches Standbein liegt in der individuellen, altersgerechten Planung für ein zielgerichtetes Raumkonzept.» Umbauten im Dach mit Einbezug des Estrichs brächten tolle Lösungen mit sich, weiss der Geschäftsführer. So ein Beispiel ist das beauftragte Mädchenzimmer mit Rutsche. «Das Zimmer muss mit wenig Aufwand geändert werden können», so Kym. Fürs Teenagerreich heisst das: Rutsche abbauen, Schubladenblock mit kleinem Regal austauschen, und das pinkfarbene Treppengeländer ersetzen.

Die Liegefläche im Hochbett bietet bereits Platz für zwei Personen. Die Treppe ist aus massiver Buche, das Geländer besteht aus Sperracolor transparent, entsprechend weiss und pink lackiert. Die Rutsche wurde als fertiges Produkt zugekauft. «Die Anwendungen versuchen wir zu vereinfachen. Beschläge reduzieren sich auf Türbänder und Schubladen», erklärt der Geschäftsführer.

Exklusiv, aber ohne exklusiven Zugang

Die Schreinerei Pfiffikus in Neuwilen fertigt Kindermöbel ebenfalls nur auf Kundenwunsch hin. «Meine Gestaltung richte ich am Kundenwunsch aus, die Sicherheit spielt eine wesentliche Rolle», sagt Karlheinz Gardi. Er kennt ebenfalls die geringe Nachfrage aufgrund des Angebots grosser Möbelhäuser.

Eine Nische sieht er im Exklusiv-Möbelbereich, einem sehr kleinen, schwer zugänglichen Markt. Dabei sind Gardis Möbel exklusiv. In der Regel verarbeitet er metallfreie Beschläge und hat sogar spezielle Bettenbeschläge aus Holz konstruiert. «Die Oberflächen werden nur mit Naturölen und Naturfarben behandelt, da diese alle speichelecht sind», sagt Gardi. Und meist verarbeitet er Buchenholz, weil es dank seiner Feinfaserigkeit keine Holzsplitter abgibt.

Erfolgreich mit der Serie

Nicht nur Design und Qualität entscheiden also über die Wirtschaftlichkeit eines Kindermöbels, sondern auch der Marktzugang. Doch wie verschafft sich der Schreiner diesen? Ein Blick in die Designszene zeigt: Es gibt viele Ansätze. Zum Beispiel die Serie «family affairs», sie stammt aus dem Designbüro Blueroom in Sachseln. Isabelle und Marc Winterhalder-Anderhalden entwickeln seit sechs Jahren Kindermöbel wie Betten, Kommoden, Schreibtische und Hocker. Die Serie hat gemäss der Architektin verschiedene Pluspunkte gegenüber der individuellen Anfertigung: «Es ist ein erprobtes Produkt, die Entwicklungskosten sind inklusive, einfaches Handling hinsichtlich Verpackung und der Kunde sieht, was er bekommt», erzählt sie.

Entwurf und Fertigung getrennt

Das Konzept hat sich bewährt. Gestaltungskriterien sind Gebrauchstauglichkeit, klare Formensprache und eine solide Verarbeitung. Für die stimmige Oberflächenbehandlung lässt das Architektenpaar Farbkonzepte und Muster erstellen. «family affair» wird in aus Birken-Multiplex hergestellt und mit einem weiss pigmentierten Öl behandelt. «Wir bevorzugen eine verdeckte Montage, etwa mit Verbindungsbeschlägen von Lamello oder Rampa», so Winterhalder- Anderhalden. Die Herstellung erfolgt an verschiedenen Ort: So werden die grossen Stücke in einer Möbelfabrik gefertigt, Tische und Hocker in sozialen Werkstätten und die Einzelanfertigungen vom lokalen Schreiner.

Den Vertrieb für In- und Ausland übernehmen beide selbst. «In den letzten 10 Jahren hat sich auf dem Markt für Designkindermöbel viel getan», meint die Architektin. Das spiegle sich beispielsweise in einschlägigen Messen und Blogs, aber auch in Geschäften für Designkindermöbel. Die Architektin spricht von rund 20 Geschäften. Eine einschlägige Webrecherche förderte zwar nicht alle Läden auf den ersten Klick zutage. Aber rund ein Dutzend liess sich – wenn auch auf Umwegen – finden. Das Bewusstsein der Kunden für diese Produkte verändere sich mehr und mehr. «Unsere Kunden schätzen die lokale Fertigung und das hochwertige Design, das sich von der Massenware abhebt», fügt Isabelle Winterhalder-Anderhalden an.

Neuer Bedarf in Kindergärten

Mit Kindergärten und -tagesstätten bedient Kitaland in Rubigen BE einen anderen speziellen Markt. Neben Spielelementen werden vor allem Tische und Stühle sowie Raumkonzepte erarbeitet. «Der Betrieb übernimmt eine Brückenfunktion zwischen den pädagogischen Bedürfnissen und den Vorgaben des Bauherren», sagt Cecilia Scheidegger, die Geschäftsführerin. Beide bilden die Rahmenbedingungen der Entwurfsarbeit. Praktisch, multifunktional und fair sind die Hauptkriterien der Möbel, die in sozialen Werkstätten gefertigt werden.

Die Produkte sind nicht nur sozial, sondern auch ökologisch nachhaltig: Für die Oberflächen werden nur giftfreie Lacke, Öle und Lasierungen verwendet. «Wir achten auf die Porosität, das Holz soll weiterhin atmen können», sagt die Geschäftsführerin. «Der Markt ist stark in Bewegung durch die öffentliche Hand», weiss Scheidegger. Es werde viel neu gebaut und umgebaut, vor allem wegen des Harmos-Konkordats, das Kindergarten, Primar- und Sekundarschule 1 vereinheitlichen soll. Scheidegger sieht ein wachsendes Marktsegment.

Produkte mit einem Augenzwinkern

Im benachbarten Ausland bewegt sich ebenfalls einiges in Sachen Kindermöbeln. Müllernkontor ist ein Designbüro für Möbel & Feines in der deutschen Lüneburger Heide. Maren Schmitz, gelernte Schreinerin, und der Kunstschmied Lüder Springhorn konzentrieren sich auf Entwurf und Vertrieb ihrer Produkte. Die Herstellung vergeben sie an soziale Werkstätten und Handwerksbetriebe vor Ort. Beide setzen auf Geschichten hinter ihren Produkten, wie bei «Carius & Bactus», benannt nach dem Kinderbuchklassiker. Der stilisierte Zahn dient wahlweise als Hocker, Riesenbauklotz oder Beistelltisch, gestapelt als Stehpult oder Regalwand.

Zum Einsatz kommen robuste Multiplexplatten. Die Oberflächen werden mit weiss pigmentiertem Öl behandelt, das Innere mit Kreideemulsion, bekannt von farblich gefassten Bauernschränken. Die Gehrungsfugen sind mit Flachdübeln verstärkt. «Durch eine gute Geschichte hinter den Produkten und eine bedachte Gestaltung schaffen wir die Nachfrage», so die Schreinerin Schmitz optimistisch. Sie erachtet die passenden Vermarktungsstrategien wie Onlineplattformen, Messen und Händlerakquisen als wirtschaftlich entscheidend.

Die Corporate Identity im Blick

Auch die Designerin Claudia Hüskes von Jundado Düsseldorf arbeitet am Aufbau eines Händlernetzes für den Vertrieb ihrer Kindermöbelserie «Archipel». Sie hat ausserdem einen Internetshop aufgebaut. Punkten kann sie mit der Nominierung für den Red dot award 2014. Ihre Kindermöbel, mit Vorliebe eine Kombination aus Multiplex, Linoleum und farbigen Flächen, sind konzipiert für Spielecken in Arztpraxen, Banken oder Autohäusern, wo das Firmenimage bis zu den kleinsten Kunden kommuniziert werden soll. «Bei kleinen Serien kann ich schnell mal die Polster in Corporate-Farben machen», so Hüskes. Ihre Leitlinien sind Funktionalität und Stabilität. Für die Verbindungen verwendet sie beispielsweise «Clamex». Die Designerin bedenkt beim Entwurf auch, wie lange das Möbel gebraucht wird und ob es eventuell umfunktionert werden kann.

Design für Kinder und Eltern

Das holländische Label Rafa-kids entwirft für Kinder und Eltern. Bisher sind Betten, Stühle und Schreibtische wie der «K desk» entstanden. «Dank einer speziellen, unsichtbaren Konstruktionsweise bieten die Möbel Sicherheit und Stabilität», so die Designerin Agata Seredyn. Die Gestalterin und ihr Mann Arek favorisieren ebenfalls Multiplexplatten, die standardmässig zweilagig transparent lackiert werden. Wahlweise gibt es die Möbel auch mit einem wasserbasierten Lackauftrag in Schwarz oder Weiss. Die beiden Gestalter können mit ihren zwei Kindern vom Verkauf gut leben. Dieser erfolgt direkt über die Website und wenige, sorgfältig ausgewählte Händler.

Kindermöbel können also, geschickt platziert, Gewinn einbringen. Wie aber nutzt der Schreiner seine Ressourcen, um neben Entwurf und Fertigung auch den Vertrieb seiner Produkte in die richtige Bahn zu lenken? Wie die genannten Beispiele zeigen, können neue Arbeitsteilungen und Kooperationen der Schlüssel dafür sein.

www.schreinereikym.chwww.schreinerei-pfiffikus.chwww.blueroom.chwww.kitaland.chwww.muellernkontor.dewww.jundado.dewww.rafa-kids.com

mz

Veröffentlichung: 27. August 2015 / Ausgabe 34/2015

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