Holz mit allen Sinnen erleben

Zwischen Beständigkeit und Zerfall: Zehn Schweizer Möbel- und Leuchtenproduzenten versteckten ihre Pro-dukte hinter alten Zeitungen. Bilder: SchreinerZeitung

Designersʼ Saturday.  Holz ist zeitlos. Trotzdem wird es immer wieder der Zeit entsprechend neu interpretiert. So geschehen letzte Woche am Designers’ Saturday in Langenthal. Auf der Suche nach Holz unternahm die SchreinerZeitung einen Rundgang durch die Ausstellungen.

Eigentlich kann nur der Schreiner behaupten, den Werkstoff Holz wirklich zu kennen. In der täglichen Arbeit erfährt er «sein» Material mit allen Sinnen und baut dazu eine Verbindung auf, die einmalig ist. Er weiss, wie Fichte riecht, oder kennt den unbeschreiblichen Geschmack von Eichenstaub auf der Zunge. Der Fachmann stellt von Weitem fest, aus welchen Bestandtei-len sich der Lack zusammensetzt, der im Spritzraum nebenan aufgetragen wird. Dieses Wissen aus der Praxis kann dem Kunden gegenüber manchmal nur schwer in Worte gefasst werden. Und doch wäre es so wichtig, genau diese Feinheiten, die kleinen Unterschiede, kommunizieren zu können. Denn die erst machen ein Ding wirklich gut – unterscheiden preiswerte von hochstehenden Produkten.

Seit 25 Jahren macht der Designers’ Saturday in Langenthal die Feinheiten des Handwerks für Fachbesucher verständlich. An der besonderen Ausstellung in den Produktionshallen von Schweizer Traditionsunternehmen zeigten sich kürzlich 77 interna- tionale Aussteller von ihrer besten Seite. Im Fokus standen auch neue Produkte; in erster Linie ging es aber um die Ausstellungskonzepte, für welche namhafte Designbüros verantwortlich zeichneten. Rund 17 000 Architekten, Gestalter und Fachbesucher liessen sich den Anlass nicht entgehen. Wer nicht dabei war, hat auf den folgenden Seiten Gelegenheit, in die Messe einzutauchen.

Holz erzählt Geschichte

Woher das Holz kommt und wie sich geölte Oberflächen anfühlen, ist bei der Girsberger AG zu sehen. Der Besucher betritt einen dunklen Raum. Das spärliche Licht stammt lediglich von indirekt beleuchteten Klotzbrettern, die wie Bäume in einem Wald unregelmässig verteilt stehen. Eine Schnittfläche ist jeweils sägeroh belassen, die gegenüberliegende geschliffen und geölt. Auch die Luft riecht nach Öl. Im Hintergrund vermischen sich Geräusche des Waldes mit denjenigen von hydraulischen Apparaturen. Von wo die Sinneseindrücke stammen, wird bald klar, denn im Zentrum der Installation steht ein Brunnen, in dem das Öl fliesst. Dieses ist in getrocknetem Zustand im Schauraum von Girsberger auf den Möbeln zu ertasten.

Ebenso von Dunkelheit umhüllt präsentiert sich die Ausstellung der Möbelmanufaktur Horgenglarus. Das Traditionsunternehmen zeigt den vom Studio Hannes Wett- stein überarbeiteten Beizenstuhl «classic 1-380». Der neue Stuhl «Icon» unterscheidet sich vom Klassiker durch frische Propor- tionen, eine ergonomische Sitzfläche und eine ebensolche Rückenlehne. «Damit lässt sich ‹Icon› ideal in die moderne Architek-tur integrieren», erklärt Marco Wenger, Geschäftsführer der Möbelfabrik Horgenglarus. Der neue Stuhl wird wie sein Vorgänger in einer Symbiose von traditionellem Handwerk und moderner CNC-Technologie produziert.

Wie eine Ikone dreht sich «Icon» mitten im Raum auf einem Podest um die eigene Achse. Drumherum hängen die charakteristischen Sitzflächen von der Decke und dienen ganz untypisch als Resonanzkörper für Klangspiele.

Holz schafft Atmosphäre

Erst der zweite Blick bestätigt, dass die Wandflächen beim Auftritt von Dornbracht tatsächlich aus Holz bestehen. Beim mineralisch anmutenden Material handelt es sich um bedrucktes Nadelholz. Gestalter Nik Schweiger lässt durch seine Standgestaltung Gegensätze sprechen: Archaisches Höhlengefühl trifft auf modernste Technologie des Badarmaturenherstellers. «Connected Comfort» nennt sich die visionäre Darstellung eines Wohn- und Badbereichs, in dem die «Ambiance Tuning Technique» zum Einsatz kommt. Mit dieser Technik lassen sich unterschiedliche Atmosphären vor-programmieren. Dem Anwender eröffnen sich dadurch neue Wege, sein Bad zu nutzen. Morgens hilft Tageslicht (über 5300 Kelvin) beim Wachwerden. Gleichzeitig ergiesst sich in der Dusche ein rauschender Wasserfall. Fröhliche Musik ertönt. Abends dagegen sind warmes Licht und feiner Duschregen angesagt. Beruhigende Musik erklingt und stimmt in den gemütlichen Teil des Tages ein. Die Szenarien lassen sich über das «eTool»-Bedienpanel steuern.

Holz setzt in Szene

Licht steht auch bei der folgenden Präsentation im Mittelpunkt. «Unsere Leuchten sind farblos», stellt Christoph Dietlicher von der Neuen Werkstatt etwas provokativ fest. «Auch Licht ist mehr oder weniger farblos», ergänzt er schmunzelnd. Umso wichtiger sei es, Leuchten entsprechend in Szene zu setzen. Dafür setzt der Winterthurer Produktgestalter zusammen mit dem Grafiker Reto Mächler auf die Ausdruckskraft von Holz. Ganz normales Kistenholz bringe für diese Ausstellung genau den gewünschten Effekt, meint er. Jede der aufeinandergestapelten Kisten ist den Abmessungen der Lampe angepasst, für die sie als Präsentationsrahmen dient. Der leicht gelb-liche Farbton der sägerohen Tanne sorgt für den gewünschten Hintergrund und bringt die Leuchten zum Strahlen.

Vom Trend, sämtliche Lampen auf LED umzurüsten, hält die Neue Werkstatt um Chris-toph Dietlicher und Andreas Giupponi derweil nicht viel. Der Wirkungsgrad von Leuchtdioden sei meistens kaum besser als derjenige von Leuchtstoffröhren. Wichtiger als eine Maximierung der Lichausbeute sei es, das entsprechende Leuchtmittel dort einzusetzen, wo seine Qualitäten zum Zug kämen.

Holz hat Ausdruck

Das Spiel mit Gegensätzen ist in der Gemeinschaftsausstellung der Schweizer Möbel- und Leuchtenproduzenten zu sehen. Als ein «Vexierbild zwischen Beständigkeit und Zerfall» bezeichnet Benjamin Thut die Ausstellung, deren Konzept er entwickelte. Die zehn renommierten Schweizer Manufakturen verstecken ihre Produkte hinter Zeitungen. Wo diese hervorragen, wird ersichtlich, was zeitloses Design auszeichnet: Es ist nicht nur die Form, sondern eben auch das Material und die Verarbeitung. Sobald bekannte Produkte wie beispielsweise der Stuhl «Torsio» von der Röthlisberger Schreinerei AG in Gümligen von Zeitungen verhüllt werden, ist nur noch die Form erkennbar, was unweigerlich die Frage aufwirft, wie prägend diese fürs Design ist. Und noch etwas fällt auf, wenn man die Ausstellung betritt: Es herrscht eine ausgelassene Stimmung. Die Bar ist gut besucht, es wird diskutiert in ungezwungenem Ambiente. Man kann fast annehmen, dass die Zeitungen voller Buchstaben und Bilder ihre Wirkung nicht verfehlen und das Publikum zum Kommunizieren animieren. Den Diskurs über Design zu fördern, ist auch die Absicht des Designers’ Saturday. Und so darf man sich freuen, wenn es in zwei Jahren wieder so weit ist.

www.designerssaturday.ch

Glas auf Glas, das tut sich was – könnte man sagen. Das weiss jeder, der schon einmal Fenstergläser transportiert, gestapelt und auf dem Bau in einen Rahmen gedrückt hat. Nicht so beim Regalsystem «Pile», entwickelt von Moritz Schmid für Glas Trösch. Der Gestalter zeigt damit eindrücklich, wie einfach gutes Design sein kann. Zwischen den Elementen aus Glas setzt er Holz ein – und schafft so eine poetische Verbindung, die lediglich durch das Eigengewicht des Glases funktioniert. Indem man bei «Pile» die Glaselemente stapelt, entstehen im Bereich der Rück- wand Zwischenräume, die für Zusatzelemente genutzt werden können. Auch diese Teile sind lediglich gesteckt und dadurch im zusammengebauten Möbel beliebig verschiebbar. Das trans- parente System ist je nach Bedürfnis als ein Bücherregal, ein Flurmöbel oder ein Sideboard konfigurierbar. Es verbindet auf eindrückliche Weise Ästhetik und Funktionalität und zeigt nicht zuletzt die mögliche Wirkung von ge- färbtem Glas auf.

www.glastroesch.ch

MW

Veröffentlichung: 16. November 2012 / Ausgabe 46/2012

Artikel zum Thema

25. April 2024

Neue Lagerhalle in Holzbauweise

mehr
25. April 2024

Talente für die Werkstatt

Bründler AG.  Der diesjährige Maschinen-Vorführtag der Arthur Bründler AG aus Ebikon LU bot einige Neuheiten und Weiterentwicklungen im Bereich der CNC- und Kantenbearbeitung.

mehr

weitere Artikel zum Thema:

News