Hundert Jahre Alphornmanufaktur

Bild: Alexandra von Ascheraden

Alphornbau.  Aus dem sorgfältig ausgelesenen Holz der Haselfichte entstehen in der Alphornmacherei in präziser Handarbeit gut zwei Dutzend Alphörner pro Jahr. DieSchreinerzeitung hat die Werkstatt im bernischen Eggiwil besucht.

Ein Alphorn verzeiht keine Fehler. Was man oben hineinbläst, kommt unten in zehnfacher Verstärkung wieder heraus und dringt kilometerweit übers Tal. Es braucht viel Gefühl fürs Holz, um ein solches Instrument zu bauen. «Grundlegend ist, das richtige Holz auszulesen und zusammenzustellen. Es braucht die richtige Wandstärke am rechten Ort», erklärt Walter Bachmann von der «Alphornmacherei» in Eggiwil BE, die heuer 100 Jahre alt wird. Nur so könne mit einer leichten Ansprache, also mit wenig Mühe, ein guter Ton entstehen. «Die Kunst ist, das Alphorn leicht zu machen, damit es gut zu transportieren und zu spielen ist. Andererseits gibt das Gewicht Resonanz durch die Schwingungen des Holzes. Es ist immer eine Gratwanderung.»

Klangholz ist Bergholz

Das richtige Holz wächst erst ab 1000 Metern Höhe. Klangholz ist Bergholz. Es muss langsam wachsen, schmale Jahresringe haben. In der Alphornmacherei wird ausschliesslich Haselfichte verarbeitet. Das sei «eine Art mutierte Fichte», wie Bachmann es ausdrückt. Sie hat die gleiche Maserung wie Hasel, allerdings werden ihre Jahresringe von einer flammenartigen Struktur unterbrochen, welche die Ringe untereinander verkettet und dem Holz die besonderen Klangeigenschaften verleiht.

Haselfichte wird nicht eigens vom Forst gepflanzt, sondern zufällig beim Holzen mitgeerntet. «Die Förster der Umgebung kennen uns und rufen uns an, wenn sie auf geeignete Bäume stossen. Auch die Sägerei in der Nähe legt uns die Stämme heraus», erzählt Bachmann. Der kleine Betrieb braucht höchstens zwei Kubikmeter Holz jährlich. Er kann sich die besten Hölzer auslesen. Nach dem Sägen wird das Holz fünf bis sechs Jahre auf dem Hof getrocknet.

Beim Zusammenleimen der Stücke, die später den Rohling für den Klangbecher bilden, kommt es zum Beispiel darauf an, dass die Jahresringe die Öffnung des Bechers unterstützen und ihr nicht entgegenwirken. Der Becher wird aus den äusseren Teilen des Baumstamms hergestellt. Die Teile werden so verleimt, dass die Jahresringe möglichst im Kreis laufen.

Das Schöne an der Herstellung in Handarbeit sei, dass das verleimte Holz nicht in die CNC-Fräse passen müsse, findet Bachmann: «Wir können individuell auf das Holz eingehen und das Beste herausholen.»

Vereinheitlichung des Klangs

Früher war ein Alphorn einfach so lang und dick wie eine krumm gewachsene Tanne oder Fichte es hergab. Der «Chrump», der krumm gewachsene Teil über dem Wurzelstock, ergab den Becher. Der Stamm wurde entrindet, längs in zwei Hälften zersägt und ausgehöhlt. Da die Jahresringe auf der Bergseite viel enger wuchsen dehnte sich das Holz am Becher nicht gleichmässig aus. Das Risiko der Rissbildung war hoch.

Jedes Horn klang anders. Man konnte nicht mit mehreren zusammen spielen. Was egal war, es diente vorrangig als Signalhorn. Im Winter verdienten sich viele Hirten durch Bettelbläserei in der Stadt etwas dazu. Dies brachte das Alphorn mit der Zeit in Verruf. Das änderte erst, als sich in den 1910er- Jahren der Jodlerverband für den Erhalt einsetzte. Er sorgte auch für die Vereinheitlichung der Hörner, sodass man sie in Formationen spielen konnte. «Man fand, dass ein 3,40 Meter langes Horn im Freien am besten klang und am weitesten trug. Erst sehr viel später konnte man die Tonhöhen messen. Es stellte sich heraus, dass Noten dafür in fis notiert sein müssen, was verflixt viele Kreuze ergab. Aber da war es schon zu spät», erzählt Bachmann.

Die Länge bestimmt die Tonart

Mittlerweile gibt es Zwischenstücke für verschiedene Tonarten. Verlängert man das Horn um 20 Zentimeter klingt es einen halben Ton tiefer. «Das haben die Organisten in den kleinen Kirchen hier um uns herum gern. So können sie beim Spielen mehr auf den weissen Tasten bleiben und müssen nicht ständig auf den schwarzen herumfuhrwerken», schmunzelt der Alphornexperte. Walter Bachmann kümmert sich um den Verkauf und arbeitet vorrangig an den Klangbechern. Sein 80-jähriger Vater Hansruedi ist nach wie vor fast täglich in der Werkstatt. Er stellt die Hand- und Mittelrohre sowie Zwischenstücke für die verschiedenen Stimmungen her. Ausserdem sorgt er für die Umwicklung aus Rattan. Diese schützt die geraden Teile, da das Holz sehr weich ist. 100 Meter braucht es pro Alphorn. Früher wickelte man schmale Ahornspäne um das weiche Holz des Horns. Ästhetisch wunderbar, aber extrem aufwendig und weniger haltbar.

Minimierter Holzverlust

Der dritte Mann in der Werkstatt ist Roland Schenk, ein Drechsler aus der Nachbarschaft. Er drechselt die Zier- und Becherringe aus schönem dunklen Nussbaumholz, und er macht die Rohlinge für die Hand- und Mittelrohre. Der Becherring wird vorn auf den Klangbecher aufgesetzt und schützt ihn. Auch die Hand- und Mittelrohre werden aus einer linken und einer rechten Seite zusammengesetzt. Die beiden Seiten werden zunächst mit wenigen Tupfen Leim verbunden und in die Aussenform gedrechselt. Anschliessend lassen sie sich leicht lösen, um sie auszuhöhlen. «Das minimiert unseren Holzverlust», sagt Bachmann.

Die wichtigste moderne Verbesserung nach der Vereinheitlichung des Klanges ist wohl die Zerlegbarkeit der Hörner. «Zu Zeiten meines Grossvaters waren sie aus einem Stück gefertigt. Man fuhr mit dem Velo zum Spielen, das Alphorn geschultert. Wenn es einer zu eilig hatte und sich überschlug, brauchte er dann auch gleich ein neues Instrument», erzählt Bachmann.

Anfangs waren solche Hörner dreiteilig. Bachmann selbst stellt auch vier- und fünfteilige her. «Es gibt sogar bis achtteilige Alphörner zu kaufen. Jede Verbindung verursacht jedoch leichte Einbussen im Klang», gibt Bachmann zu bedenken. Er ist der Überzeugung, dass die heute verbreitetste Variante, das dreiteilige Alphorn, in einem Jahrzehnt vom vierteiligen abgelöst sein wird. «Die Teile sind zwar nur 20 Zentimeter kürzer, passen damit aber knapp in die meisten Kofferräume. Das ist halt doch praktisch.» Die Teile werden über Steckverbindungen aus Aluminium mit O-Ring-Dichtungen verbunden. Innen ist das Horn durchgehend aus Holz, sodass der Klang möglichst wenig beeinträchtigt wird.

Wie alles begann

Es gibt etwa 30 Alphornbauer in der Schweiz. Walter Bachmann hat das Alphornmachen von seinem Vater und Grossvater Ernst gelernt. Ein Lehrberuf ist es nicht. Meist sind es Schreiner oder Drechsler, selten auch Instrumentenbauer oder Möbelrestauratoren, die das Alphornmachen für sich entdecken. Im Falle der Bachmanns war es 1925 ein Alphornspieler auf der Dorfchilbi. Der faszinierte den damals 13-jährigen Ernst derart, dass er unbedingt ein eigenes Horn haben musste. Eines kaufen lag nicht drin. So ging er ein krumm gewachsenes Tännli schlagen und startete den ersten Versuch. Das zweite gelang schon besser. Ein Schulkamerad, der bei der Jugendmusik spielte, brachte ihm bei, wie man die Lippen formen muss, um Töne herauszubekommen, und kaufte ihm das erste für zwei Franken ab. Das zweite gelang schon besser, und so verkaufte Ernst es für 50 Franken. Das dritte behielt er selber. Vom verdienten Geld kaufte er sich eine Bandsäge und verdiente mit dem Bau von Ski und Alphörnern nebenbei etwas zur Landwirtschaft dazu, bis er schliesslich vom Alphornmachen leben konnte.

80 Stunden pro Alphorn

Heute entstehen in der «Alphornmacherei» der Familie Bachmann etwa 25 Hörner pro Jahr. Etwa 80 Stunden Arbeit steckt in jedem Horn. Hier wird alles von Hand gemacht. «Mit den maschinell hergestellten Hörnern können wir preislich nicht konkurrieren. Die sind dreimal schneller in der Produktion. Dafür können diese nicht mit dem Klang unserer Hörner mithalten», sagt Bachmann trocken, «die sorgfältige Holzauswahl, der Fleiss beim Schleifen, das Gespür für das Material, das aus der Erfahrung heraus wächst. Man hört den Unterschied einfach.»

Besichtigungen und Jubiläumsfeier

Mittwochs und freitags bietet die Alphornmacherei Besichtigungen mit und ohne Apéro an. Zum hundertjährigen Bestehen findet am letzten Septemberwochenende ein grosses Fest statt mit Alphornwettblasen, Alpabfahrt und grossem Alphorntreffen.

www.alphornmacherei.ch

Alexandra von Ascheraden, AVA

Veröffentlichung: 08. Mai 2025 / Ausgabe 19/2025

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