«Ich denke mir einen fiktiven Stuhl»

Bild: Noë Flum

Nachgefragt bei:  Colin Schaelli

Er ist in Chur aufgewachsen. Nach einer Lehre als Hochbauzeichner bei Peter Zumthor studierte er Industrie- und Grafikdesign an der Zürcher Hochschule der Künste. Sein eigenes Designbüro gründete Schaelli 2006. Der Designer gewann 2009 den Swiss Design Preis für sein Regal, das er für die Freitag-Brüder entwarf. Weiter entwickelte er die Holzmöbelkollektion con.temporary furniture, eine Serie schraubenloser, zusammensteckbarer Möbel, flach transportierbar. Dafür gabs 2011 nochmals den Swiss Design Preis. Die Möbel werden in der Schweiz und in Japan produziert. Der Designer heimste bereits zahlreiche Förderpreise ein und stellt international aus.

Die SchreinerZeitung: Wie beginnen Sie Ihren Arbeitstag?
Colin Schaelli: Meistens fahre ich frühmorgens nach spärlichem Frühstück mit dem Zug von Bern nach Zürich. Diese Fahrt bietet mir eine Denkpause. In unserem Zürcher Büro treffe ich dann meine Mitarbeiter.
Was inspiriert Sie?
Ich versuche, mich nicht zu sehr inspirieren zu lassen, damit ich möglichst frei von schon Bestehendem entwerfen kann. Dabei gehe ich rational vor, denn ich möchte jeweils einen Entwurf kreieren, welcher die Reihe überflüssiger Dinge auf dieser Welt nicht fortsetzt.
Warum sind Sie Designer geworden?
Ich bin da so reingerutscht. Zuerst konnte ich bei Peter Zumthor als Hochbauzeichner in die Lehre gehen, die inspirierte mich zum Studium in Zürich. In dieser Zeit begegnete ich auch den Freitag-Brüdern. All das geschah, ohne dass ich dafür grosse Anstrengungen hätte unternehmen müssen. Und plötzlich bin ich selbständiger Designer, tätig in der Schweiz und in Japan.
Welche Rolle spielt das Handwerk für die Gestaltung?
Ich denke, die Frage müsste lauten: Welche Rolle spielt die Gestaltung für das Handwerk? Denn Gestaltung wird in der Schweiz allzu oft vernachlässigt, um schnell eine Lösung für ein Problem zu haben. Diese Lösungen reichen aber meist nicht über einen längeren Zeitraum hinaus, weil der gestalterische Aspekt zu wenig bedacht wurde.
Welche gestalterische Leistung berührt Sie und warum?
Die geistige Haltung Enzo Maris, welcher sagt: «Design ist nur Design, wenn es Wissen weitergibt.» Weiter interessiert mich die Logik von Max Bill, die Konsequenz Peter Zumthors und die Genialität des Japaners Takeshi Kitano. Aus seinen Filmen kann man lernen, wie man eine Geschichte erzählt.
Was macht einen Gestalter erfolgreich?

Erfolg entsteht aus einer Kombination von geistiger Haltung, Logik und Genialität. Und für entscheidend halte ich es, sich nicht vom Weg abbringen zu lassen.

Was möchten Sie auf jeden Fall noch entwerfen?

Ich denke an einen Spielfilm – oder einen Stuhl, den es physisch nicht gibt. Das heisst, der Stuhl würde einfach nur detailliert beschrieben. Am Ende ergäbe sich für jeden Leser sein Stuhl, denn wir machen uns unsere inneren Bilder. Alle Leser wüssten zwar von diesem bestimmten Stuhl, aber es wäre doch nicht derselbe.

mz

Die Designer-Serie umfasst insgesamt 20 Beiträgen namhafter Designer. Alle anderen Interviews finden Sie im Dossier Designer-Serie.

Veröffentlichung: 05. Juli 2012 / Ausgabe 27-28/2012

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