Im Innern schlägt ein Herz aus Holz


Nachdem René Zähnler den Ski Schicht für Schicht aufgebaut hat … Bild: Stefan HIlzinger
Nachdem René Zähnler den Ski Schicht für Schicht aufgebaut hat … Bild: Stefan HIlzinger
Anavon AG. Schwierigen Zeiten zum Trotz: Die Skibauer von Anavon in Disentis verlieren den Optimismus nicht, denn sie glauben an ihr Produkt: einen Bündner Ski mit einem an den Kanten sichtbaren Holzkern aus Ostschweizer Esche.
Auf der Anfahrt verengt sich die Surselva hinter Ilanz, um sich dann kurz vor Disentis wieder zu weiten. «Cadi» heisst die Landschaft im Vorderrheintal auf rund 1000 Metern über Meer. Hier, in den Bündner Bergen, ist ein guter Ort, um Skier zu bauen. Unweit des Bahnhofs befindet sich die Werkstatt von Anavon, einer noch jungen Schweizer Skimanufaktur. Anavon ist rätoromanisch und bedeutet «Vorwärts».
Vorwärts kommen, dass will auch René Zähnler. Der gelernte Schreiner aus dem Sanktgallischen ist seit Juni Geschäftsführer der jungen Firma, die nach der Gründung im Jahr 2018 nun am Markt Tritt fassen möchte. Zu dritt stellen sie in der Skimanufaktur in der Surselva täglich zwischen fünf und sieben Paar Ski her. Ein Klacks zu dem, was der grösste Schweizer Skibauer, die Firma Stöckli, jährlich ausstösst, nämlich 60 000 Paare. Das wiederum entspricht lediglich zwei bis drei Prozent des Weltmarktes, wie kürzlich in einem Interview mit Stöckli-CEO Marc Gläser in der «Handelszeitung» zu lesen war.
Doch wer mit Anavon-Chef Zähnler spricht, merkt rasch: Es geht hier in der Surselva nicht allein um Kennzahlen, sondern um Leidenschaft für den Ski. Denn an rund 50 Tagen im Jahr entwickeln und bauen Zähnler, David Cathomen und Ursina Tuor Prototypen und Versuchsmodelle. Beim Besuch Mitte Oktober pröbeln sie gerade mit Jugendskiern und ersten Modellen, die in der Saison 2022/23 auf den Markt kommen sollen. «Vorwärts zu gehen, bedeutet manchmal auch, den einen oder anderen Schritt rückwärts zu machen», sagt Zähnler.
Einen Ski zu bauen, heisst Handarbeit und verlangt Gefühl für Material und Formen. «Das Herz unseres Skis ist der Kern aus in der Schweiz gewachsenem Eschenholz, der an den Skiwangen sichtbar ist», sagt Zähnler. Anavon bezieht das Riftholz in 1A-Qualität bei einer Ostschweizer Sägerei. Die Qualität des Holzes ist entscheidend für das Produkt, denn das gleichmässig gewachsene Eschenholz ist relevant für einen symmetrischen Vorspann der Skier.
Die Firma von Anavon-Miteigentümer Andreas Egli in Rhäzüns bringt die Esche-Riftbretter auf einem CNC-Bearbeitungszentrum in Form. «Es ist ein Holz, wie es auch für Pfeilbögen, Wagendeichseln, Holzräder und so weiter verwendet wird. Es hat eine überragende Spannkraft und viel Lebendigkeit, was sich alles auf die Skier überträgt», sagt Zähnler. Die Beschaffung des Werkstoffs sei aufwendig. Die Eschenwelke macht es nicht einfacher.
Wenn das Eschenholz das Herz des Skis ist, so ist die Skipresse das Herz der Werkstatt. Doch die eigentliche Arbeit der Skibauer geschieht davor: nämlich das schichtweise Aufbauen des Skis in traditioneller Sandwichbauweise. «Real Sandwich Core» heisst das bei Anavon. Zuunterst in die Ski-Formkassette aus Aluminium legt Zähnler den Belag. «Unser Nano-Highspeed-Rennbelag und die Stahlkanten sind bis doppelt so dick wie üblich», sagt er. Das heisst, der Belag und die Kanten können im Laufe eines Skilebens mehrmals aufgearbeitet werden. Schicht um Schicht legt Zähnler in die Form: Gummibänder zur Dämpfung, den Kern aus Holz, die Kanten, Titanal zur Verstärkung, dazwischen immer wieder Leimfolien, die unter dem Druck der Skipresse dafür sorgen, dass die Schichten auf ewig zusammenhalten. Zuoberst kommt die Deckfolie mit Logo oder Schiftzug. Die Kunden haben die Wahl aus zehn Farben. Auf Wunsch sei auch jede RAL- oder Pantonefarbe möglich, sagt Zähnler. «Unsere Skier fallen durch ihre schlichte Individualität auf.» Ein wichtiger Punkt, um am Markt Erfolg zu haben.
Zähnler und Cathomen sind gelernte Schreiner. Tuor hat einen kaufmännischen Hintergrund. Doch zur Philosophie von Anavon gehört, dass jeder alles kann, «sei es nun die Maschinen bedienen oder Rechnungen schreiben». Die Abläufe sind schlank und klar strukturiert. «Wir arbeiten nach dem Kaizen-Prinzip», erklärt Zähnler. «Kaizen» ist japanisch und bedeutet so viel wie «Veränderung zum Besseren». Die Lebens- und Arbeitsphilosophie entstand im Japan der Nachkriegszeit in den Toyota-Werken. «Pro zehn Arbeitstage investieren wir einen Tag in die Verbesserung unserer Prozesse und Abläufe. Schliesslich gibt diese Qualitätsphilosophie unseren Kunden die Sicherheit, dass die Skier den Ansprüchen mehr als gerecht werden», sagt Zähnler. «Vieles trägt man doch mit sich im Kopf herum, und man kommt nie zum Punkt, es im Team zur Sprache zu bringen.» Daher dieses bewusste, regelmässige Innehalten, sogar dann, wenn die nächste Skisaison direkt vor der Tür steht oder bereits am Laufen ist.
Was das angeht, ist Anavon-Chef Zähnler trotz Coronakrise durchaus optimistisch. «Klar gibt es nun eine gewisse Unsicherheit. Aber wenn nicht alles schliesst, rechnen wir mit einem guten Winter. Swissness ist gefragt», sagt er und hofft auf anhaltend genügend Schnee.
Veröffentlichung: 18. Dezember 2020 / Ausgabe 48/2020
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