Investieren mit Weitsicht

Im neuen Maschinenraum steht dem Materialfluss nichts mehr im Weg. Bild: Philipp Heidelberger

Neuanschaffung.  Muss eine neue Maschine her, ist dies die Chance, die Weichen für die Zukunft richtig zu stellen. Das ist die Gelegenheit, die Prozesse im Betrieb zu hinterfragen und gegebenenfalls zu optimieren.

Nach vier Jahren muss die Maschine abgeschrieben sein – lange Zeit war dieser buchhalterische Satz in Zusammenhang mit dem Kauf einer neuen Maschine zu hören. Dieser Aspekt spielt heute nach wie vor eine Rolle, er ist aber eher etwas in den Hintergrund gerückt.

Investitionen langfristig planen

Immer wichtiger wird hingegen das Denken in Prozessen, und zwar nicht nur bei grossen Maschinen wie einem Bearbeitungszentrum oder einer Kantenanleimmaschine, sondern bei sämtlichen Betriebsmitteln. «Idealerweise stellt man einen Investitionsplan über zehn Jahre auf», sagt Unternehmensberater Urs Scherrer von der Tre Innova AG aus Hünenberg ZG. Nebst den Maschinen beinhaltet ein solcher Plan auch Elektrowerkzeuge, EDV, Fahrzeuge, Betriebseinrichtungen und Unterhaltsarbeiten am Gebäude. Potenzielle Liquiditätsengpässe oder Folgeprobleme kann man so frühzeitig erkennen und beheben.

Urs Scherrer nennt ein Beispiel, bei welchem die bestehende, drei Jahre alte horizontale Plattensäge mit einem Flächenlager ergänzt hätte werden sollen. «Am Ende entschieden wir uns dagegen, weil man die Säge in Zukunft vor dem Lager separat hätte ersetzen müssen», erklärt Scherrer. Dies wäre zwar möglich, aber technologisch wären die beiden Anlagen nie auf demselben Stand gewesen. Ein Ersatz der Säge und des Lagers als Einheit ist einfacher und lässt sich produktionstechnisch besser bewältigen. Also kaufte man eine neue Säge-Lager-Kombination, die dreijährige Maschine nahm der Hersteller zurück.

Selbstverständlich sind Säge-Lager-Kombinationen nicht für jede Schreinerei ein Thema. Aber auch kleine und mittlere Betriebe tun gut daran, ihre Investitionen langfristig zu planen und bewusste Entscheidungen zu treffen. In dieser Situation befindet sich die Schreinerei Buchmann & Britschgi aus dem luzernischen Inwil: Inhaber Jörg Buchmann hat zusammen mit seinem Cousin die Schreinerei seines Vaters übernommen. Anfang 2018 war es dann so weit und der Betrieb zog in ein neues Produktionsgebäude etwas ausserhalb des Dorfes.

Dabei war klar, dass der bestehende Maschinenpark zu einem grossen Teil beibehalten werden soll. «Uns ging es in erster Linie darum, im Maschinenraum einen Materialfluss hinzubekommen», erzählt Jörg Buchmann. Denn in der alten Werkstatt mussten für die Bearbeitung grosser Werkstücke noch andere Maschinen verschoben oder Türen geöffnet werden.

Dennoch gab auch der Zuschnitt Anlass zu Diskussionen – bisher hat man die Platten auf einer «Striebig» zugeschnitten. Da habe man sich schon gefragt, ob eine liegende Säge zeitgemässer wäre. Es stellte sich aber bald heraus, dass dies nur in Verbindung mit einem automatischen Lager wirklich Sinn gemacht hätte. «Das wäre aber zu gross und zu teuer gewesen für uns, zumal wir einen zuverlässigen Lieferanten haben, der bei Engpässen oder Grossaufträgen auch den Zuschnitt übernehmen kann», sagt Buchmann. Und dies, obwohl die Schreinerei eigentlich möglichst viel im eigenen Betrieb verarbeiten will.

Investieren dank Rentabilität

Für Urs Scherrer sind das Gedanken, welche sich Schreinerbetriebe künftig noch mehr machen müssen: Jeden Teil der Wertschöpfungskette im eigenen Unternehmen halten zu wollen, sei bei Schreinern tief verwurzelt. «Wichtig ist aber auch die Rentabilität. Denn ein Unternehmen muss nicht nur überleben, sondern auch in die Zukunft investieren können», sagt Scherrer.

Bevor es also an den eigentlichen Evaluationsprozess für Betriebsmittel geht, braucht es eine Ist-Aufnahme und -Analyse. Sie bildet die Grundlage für die weiteren Entscheide im Evaluationsprozess. In vielen Betrieben sind gewisse Daten bereits vorhanden, beispielsweise im ERP. Sind für das jeweilige Betriebsmittel keine oder nur unzureichende Daten vorhanden, müssen diese erhoben werden.

Im Fall der Schreinerei Buchmann & Britschgi hat sich gezeigt, dass bei der Bearbeitung von Korpusteilen und Fronten für Schränke zu viel Zeit verloren geht. Das lag insbesondere am mittlerweile in die Jahre gekommenen Bearbeitungszentrum (BAZ). Dieses erlaubt zwar die Pendelbearbeitung, aufgrund des kleinen Maschinentisches können aber grössere Teile nicht im Pendelbetrieb aufgespannt werden. Zudem genügt es bezüglich Präzision, Hard- und Software nicht mehr den heutigen Ansprüchen. Insbesondere bei schweren Bearbeitungen im Türenbereich macht sich das bemerkbar. Deshalb war klar: Es musste ein neues BAZ mit einem grösseren Maschinentisch her.

Situation neu beurteilen

Beim Blick in den Maschinenraum fällt aber sofort auf, dass es nebst der neuen Maschine von Morbidelli auch das alte BAZ aus dem vorherigen Gebäude ins neue geschafft hat. «Das sieht jetzt vielleicht etwas übertrieben aus», gibt Jörg Buchmann zu. Vor dem Umzug kam es aber zu einem Zwischenfall – aufgrund eines Spindelschadens musste diese ausgewechselt werden, obwohl eigentlich klar war, dass es eine neue Maschine geben wird. Trotzdem war die kostspielige Reparatur unausweichlich und man musste die Situation neu überdenken. Nach langen Abwägungen entschieden die Beteiligten, das alte BAZ auch mitzunehmen. Gemäss Buchmann bereue man den Entscheid nicht, obwohl die alte Maschine auch Platz benötige: «Beide Anlagen sind gut ausgelastet. Auf der alten führen wir jetzt einfache Bearbeitungen an kleinen Teilen für Küchen und Korpusse durch. Ausserdem kam es gelegen, das alte BAZ als Back-up für die Übergangsphase zu haben.»

Sich der Tragweite bewusst sein

Generell lässt sich aber festhalten, dass die Nutzungsdauer von Maschinen abnimmt, weil die Software und Elektronik eher schlapp macht oder einfach schneller überholt wird als die Mechanik. Gleichzeitig dürfte die Anbietervielfalt auf dem Markt eher abnehmen, weil die Tendenz hin zu kompletten Anlagen und Systemen geht. Dadurch werden Bauchentscheide gemäss Urs Scherrer immer riskanter: «Die Abhängigkeit steigt, Fehlentscheide haben dadurch eine immer grössere Tragweite.» Nicht zuletzt auch, weil die Luft dünner wird und sich viele Dinge im Umbruch befinden. Umso wichtiger sei es, eine Strategie festzulegen, sagt Scherrer.

Darüber hat man sich vor dem Umzug auch bei der Schreinerei Buchmann & Britschgi Gedanken gemacht. «Für uns ist klar, wir wollen im Moment nicht weiterwachsen», sagt Jörg Buchmann. Aufgrund der Entwicklungen in der Bauwirtschaft will sich das Unternehmen stärker im Sanierungs- und Renovationsbereich positionieren.

Tunnelblick vermeiden

Wer also heute von einer Evaluation spricht, der darf sich nicht nur auf die Maschine konzentrieren, sondern muss auch laufend seinen gesamten Betrieb und die Strategie beurteilen. Wie am Anfang erwähnt, gehören dazu alle Betriebsmittel und Abläufe. Oft kann in diesen Bereichen mit verhältnismässig geringem Aufwand viel erreicht werden.

Die Schreinerei in Inwil verfügt im neuen Gebäude über ein Fertiglager samt grosszügiger, überdeckter Laderampe. «Selbstverständlich versuchen wir möglichst alles auf den Termin zu fertigen, damit die Ware nicht lange herumsteht», sagt Buchmann. Aber mit dem relativ kleinen Lager und der Rampe konnte man die Zeit für das Bereitstellen und Verladen wesentlich reduzieren. Die fertigen Bauteile sowie Möbel sind nicht mehr von einer Staubschicht bedeckt und Beschädigungen durch ständiges Umherschieben gehören der Vergangenheit an. Die grosszügige Rampe bietet auch Vorteile beim Entgegennehmen und Einlagern von Materiallieferungen.

Für das Be- und Entladen von Fahrzeugen und den Materialtransport in der Werkstatt hat sich die Schreinerei einen kompakten Vierwegestapler mit Deichsel gekauft (siehe Artikel «Auf vier Wegen zum Ziel» Ausgabe 29/30/2017). Solche Geräte kosten in der Anschaffung mehr als gewöhnliche Stapler. Sie sind dafür sehr flexibel einsetzbar und benötigen weniger Platz zum Manövrieren. «Dadurch konnten wir beispielsweise das Massivholzlager kompakter planen und jetzt kann ein Mitarbeiter alleine Bretter vom obersten Regal herunternehmen», erzählt Buchmann. Der eingesparte Platz kommt jetzt dem Maschinen- und Bankraum zugute.

Kompetenzen aneignen

Prozessorientiertes Denken und eine langfristige Planung sind also nicht nur den grossen Betrieben vorbehalten. Auch kleinere Schreinereien können von solchen Ansätzen profitieren. Die verschiedenen Weiterbildungszentren bieten dafür entsprechende Workshops und Ausbildungen an. Bei der Schreinerei Buchmann & Britschgi sind die nächsten Investitionen bereits wieder in Planung: Im Bankraum sollen bald moderne Hubtische die Arbeit erleichtern und eine neue Website wird aufgeschaltet.

www.treinnova.chwww.buchmann-britschgi.ch

Investitionsprozess

Planung

Investitionsanregung: Aus dem Betrieb und der Geschäftsleitung

Grobselektion: Vorschläge beurteilen, Unrealistisches verwerfen

Erfassung relevanter Daten: Technische, wirtschaftliche und soziale Daten

Wirtschaftlichkeitsberechnung: Ist mit grösster Sorgfalt durchzuführen

Entscheidung

Gesamtbeurteilung: Mit Einbezug sozialer und psychologischer Aspekte

Dringlichkeit definieren: Unterscheiden zwischen Zwangs- und Alternativ- investitionen

Abstimmung der Vorhaben: Prüfen, ob und in welcher Reihenfolge die Vor- haben finanzierbar sind

Anordnung

Durchführung des Vorhabens: Umfasst alle nötigen Schritte in zeitlicher, finanzieller, personeller und räumlicher Hinsicht

Kontrolle

Investition kontrollieren: Verhindert, dass bei künftigen Planungen mit falschen Daten gearbeitet wird

ph

Veröffentlichung: 07. Juni 2018 / Ausgabe 23/2018

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