(K)eine Frage der Grösse

Vor allem im Altbau fügt sich die Möbelküche von Kambium in den Raum, ohne die vorhandene Raumwirkung zu beschädigen. Bild: Michael Schweingruber

Kompaktküchen.  Zwischen ausladender Luxusküche und kofferartiger Miniküche liegt ein weites Feld der Küchengestaltung. Oft ist der Platz beschränkt, und die neue Küche muss sich in die Gegebenheiten einfügen. Gerade dann sollte man nicht einfach von Wand zu Wand denken.

Der elektrische Herd war noch längst nicht erfunden. Durchdacht war die erste Einbauküche vor fast 100 Jahren dennoch. Das Ziel: Die Arbeit der Hausfrau sollte möglichst rationell erfolgen. Die Umstände: Die Fläche von gut sechseinhalb Quadratmetern widerspiegelte die herrschende Platznot. Holzherd, Rüstfläche, Spüle und Schränke wurden an der Effizienz ausgerichtet und bildeten eine Einheit.

Die erste Charge der ersten Einbauküche kannte bereits das Rastermass und hatte eine Auflage von 10 000 Stück. Die zogen in das neue Frankfurt in Hessen ein, dessen Häuser in Holz ebenfalls in Modulbauweise konstruiert waren. So trägt der Urtyp der ersten Einbauküche auch den Namen Frankfurter Küche, entworfen 1926 von der österreichischen Architektin Margarete Schütte-Lihotzky. Sodann folgte der Siegeszug der Einbauküche, mit elektrischem Herd, Griffleisten an den Fronten und Kühlschrank. Auch der Geschirrspüler war zu diesem Zeitpunkt längt erfunden, ebenfalls von einer Frau. Bereits 1886 hat die US-Amerikanerin Josephine Cochrane dafür ein Patent angemeldet. Gut 30 Jahre später brachte Miele den ersten Geschirrspüler auf den Markt. Die Arbeit in der Küche wurde in dieser Zeit leichter und vor allem effizienter. Die Küchen wurden wieder etwas grösser im Verhältnis zur Frankfurter Küche. Die üblichen Konstruktions- und Gestaltungsmerkmale haben sich lange nahezu unverändert gehalten. Erst in jüngerer Zeit mit dem Aufkommen von raumfüllenden, repräsentativen Wohnküchen, werden die Elemente der Arbeitsküche stärker hinterfragt.

Zum einen spielt die Raumwirkung heute vermehrt eine zentrale Rolle, und nicht immer ist grenzenlos Platz vorhanden für eine repräsentative Küche, die dem Zeitgeist entspricht. Kleine Räume, die mit der Küche voll belegt werden, wirken oft gedrängt. Noch schwieriger ist es, wenn in einen Raum eine neue Küche integriert werden soll. Dann ist viel Fingerspitzengefühl gefragt, damit diese den Raum bereichert und nicht als störendes Element wahrgenommen wird.

Raus aus dem Raster

Eine Stärke des Handwerks ist die relative Unabhängigkeit vom Standard. Das hilft bei der Anpassung von Küchen. Wenn man an der Kücheninsel der Möbelküche von Kambium in Münchenstein BL steht, fällt einem sofort die ansehnliche Höhe des Moduls auf. Die individuelle Arbeitshöhe ist ein zentraler und leicht umzusetzender Punkt, lange gültige Normen aufzubrechen. «Ich wollte das Möbel in die Küche holen», sagt Michael Schweingruber, Inhaber von Kambium. Die Konstruktion und Formensprache ist deshalb ähnlich wie bei den Stücken aus seiner Kollektion. Die feingliedrige Rahmenkonstruktion, die farbig geölte Holzflächen fasst, sorgt für den solitären Eindruck mit Luft zum Boden.

Das Denken mit Modulen ist trotzdem wichtig, wenngleich es weniger um Rastermasse geht. Vielmehr ist die Küche in Materialisierung und den Abmessungen flexibel. Neben einem hohen und niedrigen wandstehenden Element gehört auch eine Insel dazu. So kann Schweingruber seinen Grundentwurf für jeden Raum verändern, damit die Teile sich in die jeweilige Situation einfügen. Der luftige Charakter des Entwurfes lasse den Raum in Ruhe, während eine Einbauküche den Raum eher zumache, so Schweingruber.

www.kambiummoebel.ch

 

Insel, auch für die kleinste Hütte

Wer beruflich im Badezimmer zu tun hat, der ist es gewohnt, mit wenig Platz auszukommen. Ein ausgesprochener Spezialist für Badezimmer ist das italienische Unternehmen Falper. Inzwischen auch in der Küche aktiv, will man die eigene Kompetenz des Umgangs mit begrenztem Platz auch in diesem Bereich nutzen und hat dazu eine Küchenlinie entworfen, die dem Modulgedanken folgt.

Der Ansatz: eine 1200, 1500 oder 1800 mm breite Insel, die Wasser- und Kochstelle aufnimmt. Dazu gesellen sich Regal- und Schrankmodule, die Backofen, Kühlschrank und andere Geräte aufnehmen. «Small Living Kitchens» ist eine Kleinserie an Küchenmodulen mit rationellem, einfachem Design, das aus wenigen, wesentlichen Elementen besteht. Auch für kleinste Räume soll Insel, Schrank und Hochschrank miteinander kombiniert werden können. Schon ab zweieinhalb Quadratmeter verfügbarer Fläche soll das Ganze laut Falper funktionieren. Die Elemente selbst folgen in ihrem Erscheinungsbild den angestammten Formen, wenngleich mit recht flachem Sockelelement. Details wie die eigens konstruierten Eckzapfenbänder helfen dabei, die eigene Linie zu halten.

www.falper.it

 

Sichtbar versteckt an der Wand

Die Idee, eine kleine Küchenzeile mit zwei kombinierbaren Modulgrössen an die Wand zu hängen, lässt die Küche Miniki vom deutschen Gestalter Tobias Schwarzer leicht wie ein Möbel wirken. Wahlweise kann das Doppelmodul mit Koch- und Spüleinheit auch mit Klappdeckel gewählt werden. Ist dieser geschlossen, deutet nichts auf eine Küche hin. Die HPL-Oberfläche kann in verschiedenen Farbkombinationen ausgeführt werden, was den Effekt beim Öffnen noch verstärkt. Klein ist konstruktionsbedingt der Kühlschrank, der ja aber auch als selbstbewusster Solitär dem Küchensideboard anbei gestellt werden kann.

www.miniki.eu

 

Einsicht in Küchen mit Ausblick

Wenn die massgeschneiderte Einbauküche wandstehend den Raum füllt, dann kommt der Ausführung der Rückwand besondere Bedeutung zu. Wie die den Blick weiten kann, ist am Beispiel einer Küche der Scrinaria Weishaupt aus Vella GR gut sichtbar. Die neue Küche sollte sich einfügen in ein räumliches Ensemble, das mit Holztäfer verkleidet war. Zudem kam eine gewisse räumliche Enge. «Die Idee mit der Fotorückwand kam von uns», sagt Geschäftsführer Andri Ragettli und prägt den ansonsten unveränderten Raum massgeblich. Anstatt an eine Wand, schaut man in eine Landschaft. Bei Umbauten ist oft mehr Platz vorhanden, was den Küchenentwurf mehr Möglichkeiten gibt. Beleuchtung, Farbe reduzierte Höhen bei den Hochschränken oder das Weglassen von Schrankflächen seien stets Varianten, um einen guten Umgang mit räumlich beengten Verhältnissen zu finden, so Ragettli. Auch die Insel werde dann oft zur Halbinsel.

www.scrinaria.ch

 

Offen für Regale und Tablare

Aus Japan, einem Land mit chronischem Platzmangel in den Wohnungen, stammt der Küchenentwurf CH01 für Sanwa vom deutschen Designer Christian Haas. Wichtiges Merkmal sind die neben der starken Gliederung des naturbelassenen Holzes die offenen Regale, die sich in zwei Breitenmassen mit dem 1500 mm messenden Küchensideboard kombinieren lassen.

Versetzt montierte Tablare oder Regale wie in diesem Beispiel bieten Aufbewahrungsmöglichkeiten und Stauräume, die den Werkstattcharakter einer Küche unterstreichen. Diese Variante erfreut sich bei vielen Küchenmarken wachsender Beliebtheit. Anstelle von Korpussen werden offene Kapazitäten geschaffen, die sich vor allem für die Aufbewahrung ästhetisch ansprechender Küchenutensilien eignen.

info.sanwacompany.co.jp/en/

Tipps für den Küchenentwurf

Das Beengte etwas weiten

Zweckmässigkeit und gute Gestaltung sind kein Widerspruch. Bei limitierter Fläche und eher übervollen Räumen lassen sich mit gestalterischen und konstruktiven Modifikationen auch schwierige Situationen durchaus ent- schärfen.

  • Es muss nicht immer der geschlossene Sockel sein. Steht die Küche auf Füssen oder auf einer Stollen- konstruktion, kann sie leicht wirken wie ein Möbel.
  • Wandhängende Korpusse schaffen Luft zum Boden und sehen so gar nicht nach Einbauküche aus.
  • Auch die Blende als Wandanschluss füllt optisch. Abstand von der Wand lässt ein Element im Raum leichter wirken.
  • Anstelle von Oberschränken lockern Abstellflächen offener Tablarkompositionen den Raum über der Küchenzeile auf.
  • Ein Element auf Rollen schafft beim Kochen zusätzliche Fläche. Ausserdem schafft es Dynamik.
  • Das Verstecken der Arbeitszeile hinter flächigen Türen, die zum Kochen in seitliche Taschen eingeschoben werden, ist eine noch junge Option, einen Teil der Küche ganz aus dem Raum zu schaffen.
  • Anstelle von grossen Flächen besser mit Farbe und Gliederungen arbeiten. Das lässt den Küchenblock weniger wuchtig wirken.
  • Licht kann einen Raum öffnen oder begrenzen. Einige Lichtszenarien sollten in die Planung mit einfliessen, das schafft Wow-Effekte.
  • Eine beleuchtete Rückwand vereitelt das Gefühl, dass man an der Wand arbeitet. In Kombination mit einem Fotodruck können Effekte erzielt werden, die den Raum weiten.
  • Bei einer dunklen Abdeckung mit dunkler Rückwand schaut man beim Rüsten und Kochen entsprechend in eine «dunkle Ecke».
  • Das nötige Volumen an Stauraum auch mit vorhandenen Solitärmöbeln planen. Nicht alle Utensilien müssen permanent griffbereit sein.

Christian Härtel, ch

Veröffentlichung: 19. Oktober 2023 / Ausgabe 42/2023

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