Kompakt im ehemaligen Stall

Damit die Maschine in der Höhe in das Gebäude passt, musste sie geringfügig ange-passt werden. Bild: SZ, Philipp Heidelberger

Bearbeitungszentren.  Günstige und einfache CNC-Maschinen sind auf den ersten Blick prädestiniert für Kleinbetriebe. Eine Luzerner Schreinerei hat sich trotz schwieriger Platzverhältnisse mit gutem Grund für die grössere 5-Achs-Variante entschieden.

Im CNC-Bereich ist oft von kompakten Bearbeitungszentren (BAZ) als Einsteigermaschinen die Rede. Sie sollen wenig Platz benötigen, einfach zu bedienen, innert Kürze aufgestellt und nicht zuletzt günstig sein. Nebst den horizontalen Varianten zählen auch die verschiedenen vertikalen Bearbeitungszentren, wie sie mittlerweile jeder Maschinenhersteller im Angebot hat, dazu.Diese Maschinen benötigen ebenfalls eine geringe Aufstellfläche und sind immer besser ausgerüstet. So sind zum Beispiel für die meisten von ihnen mittlerweile Aggregate für das Fräsen der «Clamex»-Verbinder verfügbar. Sind solche Kompaktmaschinen also die ideale Gelegenheit, um in den CNC-Bereich einzusteigen oder ein in die Jahre gekommenes Bohrzenter zu ersetzen?

Vor über einem Jahr stand der Schreiner Roland Rüssli genau vor dieser Frage, als es darum ging, das alte 3-Achs-Bohr- und Fräszenter zu ersetzen: Der Platz ist äusserst beschränkt, und auch finanziell will so eine Investition gut überlegt sein.

Flexibilität als Erfolgsrezept

Die Schreinerei befindet sich in Schwarzenberg LU: Am Ende einer schmalen Strasse hat Roland Rüssli vor über 20 Jahren in einem ehemaligen Stall den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt. Über die Jahre spezialisierte sich Rüssli auf Massivholzmöbel und Geschenkartikel. So produziert er heute mit zwei Fest- und mehreren Teilzeitangestellten unter anderem rund 200 Stabellen pro Jahr. Aber auch individueller Innenausbau und Messebau sind weitere, wichtige Standbeine. «Vorwiegend im Bereich von Umbauten und Spezialanfertigungen, wo eine grosse Flexibilität gefragt ist», erzählt Roland Rüssli. Seit Anfang 2015 produziert man nun auf einer «M200» von Morbidelli mit 5-Achs-Aggregat. Das BAZ hat einen Arbeitsbereich von 3000 × 1500 mm. Der z-Achsen-Hub beträgt 400 mm, und es können Werkstücke mit einer Höhe von 200 mm bearbeitet werden. Die Maschine verfügt über einen mitfahrenden Werkzeugwechsler mit 16 Plätzen, einen fixen Wechsler mit 10 Plätzen und ein Bohraggregat mit 18 Spindeln sowie ein Abfalltransportband.

Damit die Maschine in der Höhe überhaupt in das Gebäude passte, musste die Firma Bründler die Maschinenfüsse und den Absaugstutzen individuell anpassen. Auch die Finanzierung konnte über den Maschinenlieferanten geregelt werden. «Am Anfang war ich mir nicht sicher, ob dies tatsächlich funktioniert», erzählt Roland Rüssli.

5-Achs zwingend?

Eine grosse Sache also für ein kleines Unternehmen – und es stellt sich die Frage, ob hier nicht auch ein günstigeres und womöglich auch kleineres 4-Achs- oder 4,5-Achs-BAZ ausreichend gewesen wäre. «Eine 5-Achs- Maschine ist auch heute nicht in jedem Fall zwingend», sagt Unternehmensberater Urs Scherrer von der Tre Innova AG. Insbesondere in Betrieben, in denen überwiegend Plattenmaterialien für Küchen oder Schränke verarbeitet werden, könne eine 4-Achs die bessere Wahl sein. Als Hauptargument führt Scherrer vor allem den grösseren Platzbedarf eines 5-Achs-Aggregates ins Feld. Dadurch ist bei der Spindel weniger Platz vorhanden für einen Werkzeugwechsler und fix installierte Bohr- sowie Fräsaggregate. Unter Umständen muss also das Werkzeug in der Hauptspindel öfters gewechselt werden, was wiederum Zeit kostet. Durch den grossen Arbeitsbereich ist ausserdem die Absaugung weniger effizient. Aspekte, die insbesondere bei der Plattenbearbeitung eine Rolle spielen.

Aggregate kosten auch Geld

Sobald eine Schreinerei öfters Massivholz verarbeitet, beispielsweise für Türen oder Treppen, sieht auch Scherrer einiges Potenzial im 5-Achs-Bereich: «Eckverbindungen, Ausschnitte und Beschläge können dann sehr effizient gefräst werden. Und man kann beim Fälzen zum Beispiel ohne Weiteres einen 5°-Fälzer einsetzen, wodurch die Standzeit erhöht und die Schnittqualität verbessert wird.»

Preislich sind die Unterschiede zwischen einer 4- oder 5-Achs-Lösung mittlerweile ohnehin nicht mehr sehr gross. Zwar ist die 4-Achs nach wie vor etwas günstiger, allerdings werden mehr Winkelaggregate und Kreuzköpfe für die horizontalen Bearbeitungen benötigt. «Insgesamt liegt man dann auch wieder im Bereich einer 5-Achs», sagt Scherrer. Hinzu kommt, dass Aggregate wiederum Wartungsaufwand verursachen, mehr Platz im Werkzeugwechsler benötigen und bei intensivem Gebrauch schneller verschleissen.

Einfache Programmierung mit Potenzial

Diese Überlegungen hat sich Roland Rüssli ebenfalls gemacht und führt noch ein weiteres Argument ins Feld: «Das Programmieren und Einstellen der 5-Achs-Maschine geht mit den heutigen WOP-Programmen mindestens so schnell und sicher wie bei einer 4-Achs.» Ein entscheidender Aspekt, denn nur so kann das Potenzial des BAZ vollumfänglich und innert kurzer Zeit ausgeschöpft werden. Gemäss Roland Rüssli ist die Maschine täglich etwa 5 bis 6 Stunden in Betrieb.

Silvan Steinmann, Geschäftsführer der Arthur Bründler AG im luzernischen Ebikon, geht hier sogar einen Schritt weiter: Heute sei eine 5-Achs insbesondere bei komplexen Teilen sogar einfacher zum Programmieren. «Je öfter und vielseitiger ein BAZ sinnvoll eingesetzt werden kann, desto höher ist das Auslastungspotenzial.» Denn die Maschine muss sich ja auch betriebswirtschaftlich rechnen.

Flexibilität bewahren

Interessant an dieser Stelle ist eine Schweizer Eigenheit: Mit etwa 10 bis 15 Jahren sind die Bearbeitungszentren verhältnismässig lange im Einsatz. «In den meisten Fällen ist deshalb eine Investition in eine gute Allrounder-Maschine die klügere Wahl», sagt Silvan Steinmann. Damit will er keineswegs die Kompaktmaschinen in ein schlechtes Licht rücken. Vielmehr weist er darauf hin, dass eine einfache Kompaktmaschine nicht zwangsläufig für Einsteiger oder Kleinbetriebe geeignet ist.

Ein Umstand, der insbesondere auf Schweizer Schreinerbetriebe zutrifft, die in der Lage sein müssen oder wollen, von der Platten- über die Türen- bis hin zur Massivholzbearbeitung alles auf dem BAZ durchzuführen. Und da kommen die Kompaktmaschinen schnell an ihre Grenzen, weshalb sie eher als sinnvolle Ergänzung zu einem bereits bestehenden BAZ dienen.

www.pilatusholzwurm.chwww.treinnova.chwww.bruendler.ch

ph

Veröffentlichung: 02. Juni 2016 / Ausgabe 22/2016

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