Loftgefühl im Kuhstall

Einst lebten hier Kühe. Ohne Zwischendecke entstand ein grosszügiger Raum. Bild: Doris Hüsler

Umnutzung.  Aus einem Teil des ehemaligen Stalls am Rohrhof im aargauischen Zuzgen ist ein Raum entstanden, der auch dem anschliessenden Wohnhaus neues Leben schenkt. Der Loft-Eindruck im ländlichen Ensemble schafft einen Mehrwert, ohne grosse Eingriffe von aussen.

Wer den Rohrhof in Zuzgen AG erreicht, für den scheint die Welt auf einmal weit weg. Regionaltypisch liegen die Gehöfe dort vereinzelt in Sichtweite zueinander, eingebettet in die mild-hügelige Gäulandschaft. Mit Stolz zeigt Bauherr Christoph Goepfert das Ergebnis der Erweiterung seines Bauernhauses in Form einer Umnutzung des ehemaligen, anschliessenden Kuhstalls. Das Gebäudeensemble ist ebenfalls typisch. An das Wohnhaus schliessen sich in der direkten Verlängerung Stall und Scheune an. Eine solche Bauweise war rationell und praktisch. Sie entwickelte sich im Laufe der Zeit logisch aus den angepassten Nutzungen durch die Bauern.

Die Kühe sind längst weg, auch von den zwischenzeitlich mehr als fünfzig Rössern sind nur noch wenige geblieben. Christoph und Sylvia Goepfert haben den Hof viele Jahre lang bewohnt, bevor sie sich für die Umnutzung eines Teils des ehemaligen Kuhstalls entschieden haben. «Wir wohnten vorher im städtischen Gebiet, und es war klar, dass wir nicht in die Agglomeration wollen», sagte Goepfert. Über die Leidenschaft für Pferde und das Reiten Sylvia Goepferts ergab sich dann nach langer Zeit die Möglichkeit mit dem Hof. «So etwas bekommt man sonst eigentlich nicht», ist sich ihr Mann sicher.

Manch vermeintliche Kleinigkeit

Am Ende der Massnahme steht eine Erweiterung, die mitten in der Natur an eine urbane Loftwohnung erinnert. «Man kann sich gut an den Raum gewöhnen. Er schränkt die Gedanken nicht ein», sagt Christoph Goepfert, wohlwissend, dass auch scheinbar kleine Aktionen in solchen Räumlichkeiten recht aufwendig sein können. Neulich wurden etwa zwei grosse Hängelampen über dem mächtigen Esstisch mit massiver Nussbaumplatte montiert. «Bei 8,20 m Deckenhöhe war das fast eine Tagesaktion», sagt Goepfert.

Auch der Start des ganzen Projektes war nicht frei von Unwägbarkeiten. Etwa zwei Jahre nahmen die Planungs- und Bewilligungsarbeiten in Anspruch, bevor es dann losging. Der Umbau selbst dauerte ziemlich genau ein Jahr.

Umnutzungen haben es meist in sich, vor allem in ländlichen Gebieten. «Das Anwesen war jedoch nicht dem bäuerlichen Bodenrecht unterstellt, sodass wir die Wohnfläche um 40 Prozent erweitern durften, weil ein Teil des Grundstückes beim Kauf vor zehn Jahren ausgeschieden wurde», erklärt Goepfert. Trotzdem hatte die Ortsbildkommission so einiges mitzureden. «Diese wollte etwa, dass die äussere Gliederung des Erscheinungsbildes durch die Lattung erhalten bleibt», sagt Architekt Roland Naef aus Basel. Das Ergebnis: Äusserlich ist der imposante Raum im Inneren des Stallbereichs nur schwer zu erahnen, da die Fensterflächen überwiegend mit der Lattung, wie sie auch sonst am Gebäude anzutreffen ist, versehen wurden. Dazu mussten die Fenster etwas zurückversetzt werden im Mauerwerk, was aufgrund der erfolgten Innendämmung bauphysikalisch zum Vorteil genutzt werden konnte.

Von innen gedacht

«Die Grundidee war, ein Haus im Haus zu erstellen», erklärt Naef. Dazu wurden die Durchgänge zum alten Wohnhaus geöffnet und die Balken in Form von Zugstäben des Zwischenbodens herausgenommen. «Da die ganze Last des grossen Daches nun über die Aussenwände abgetragen wird, mussten die lastabtragenden Mauern und die Stützenpfeiler verstärkt werden», sagt Naef. Nur so konnte der grosse Raum ohne innere Stützen und Zugstäbe als Einheit realisiert werden. «Zugstäbe sind natürlich einfacher, als die Lastabtragung über die Aussenwände und Stützpfeiler – vor allem ist die Lastabtragung die teurere Variante», erklärt Beat Roos, zuständiger Projektleiter bei Schärholzbau in Altbüron LU.

Auf der Hangseite nach Norden sorgte das Vorhaben zu Beginn der Bauarbeiten für Schwierigkeiten. «Zunächst der Erdaushub, dann kam kräftig Wasser, das abgepumpt werden musste. Dann versagten die Pumpen, wegen des kalkhaltigen Wassers, aber die Wand musste untermauert werden, was dann schliesslich auch gelang. Gut zwan-zig Prozent Kostenüberschreitung waren schon gebucht, bevor es überhaupt richtig losging», erzählt Goepfert und lacht trotzdem. Denn die Massnahme hat der Bauherrschaft Lebens- und Wohnqualität beschert. Auch die Räume im ehemaligen Haupthaus seien wegen der grösseren Durchbrüche aufgewertet und lichtdurchfluteter geworden. Den offenen Charakter und die vorherige Abgeschlossenheit zum Kuhstall kann man in der Tat gut nachvollziehen, wenn man sich in einen der Durchgänge stellt. «Trotzdem ist eigentlich alles so geblieben, wie es war», erklärt Naef. Die Balken, das Dach, das Tragwerk und deren Knotenpunkte wurden so belassen, wie sie waren. Sichtbare Balken wurden lediglich gesäubert und geben so Auskunft über die einstige Konstruktion. Nur vereinzelt, mussten neue Balkenstücke eingesetzt werden.

Der Boden des Stalls wurde allerdings komplett erneuert. «Sonst hätten wir den Geruch des Kuhstalls nicht wegbekommen», erklärt Naef. Nichts erinnert beim Blick auf das hochwertige Eichenparkett an den einstigen Bretterboden des Stalles.

Haus im Haus

Die Idee Naefs, ein Haus im Haus zu errichten liess die äussere Hülle des Gebäudes unangetastet. Die Dämmebene befindet sich in der vorgesetzten Schale im Inneren. «Die Wände sind praktisch entkoppelt. Auf eine OSB-Fläche wurde ein Installationsrost für die Leitungsführung montiert. Den Abschluss bilden Gipskartonplatten», erklärt Roos. Ähnliche Arbeiten habe man bei Schärholzbau schon öfter ausgeführt. Dabei holt man die neue Aussenwand im Grunde in den Innenraum und dämmt zur Innenseite der alten Aussenmauern. «Besonders bei dieser Arbeit war für uns, dass wir die Giebelwände mit zwölf Metern Höhe im Rauminneren vormontiert und dann aufgestellt haben», sagt Roos. Das sei deutlich rationeller, als Stück für Stück stehend zu montieren.

Zwischen den beiden Giebelwänden spannt sich die Galerie über die gesamte Raumlänge, die über den markanten Treppenaufgang erreicht wird. Die Höhe der Galerieebene ergibt sich aus der Geschosshöhe des alten Haupthauses, damit auch dort die Durchgängigkeit möglich wurde. Von diesem «Innenbalkon» aus werden die zwei Bäder und ein Gästezimmer erreicht, während im Erdgeschoss einzig der ausladende Esstisch und der Küchenbereich den Raum prägen. Auffallend ist auch die Lattung im oberen Bereich an Nord- und Südwand vor den Fenstern, die wieder installiert werden musste. Auch das war eine Bedingung der Ortsbildkommission. «Im Sommer ist das sehr angenehm, im Winter eher etwas gewöhnungsbedürftig», sagt Goepfert.

Ganz missen möchte vor allem Sylvia Goepfert diese jedoch nicht. «Die ganzen Flächen in Glas – das wäre auch nicht das Richtige», bestätigt Christoph Goepfert. Die so gestalteten Flächen nehmen den Toreingang auf und wiederholen sich in der heutigen Scheune. Die räumliche Grosszügigkeit zeigt nun beim Benutzen auch einen Nachteil: Der hohe Raum hallt recht stark nach beim Sprechen, was man nun mit einigen weichen Materialien und schallschluckenden Elementen abmildern möchte. Doch akustisch gesehen, sind solche Volumina natürlich immer schwierig. «Wenn der Tisch voll besetzt ist, kann es bei lebhaften Gesprächen schon Mal etwas zu laut werden», erklärt Goepfert. Neulich sei unter den Gästen zum Abendessen ein Sänger gewesen, der wiederum war recht begeistert von den Gegebenheiten. Er liess es sich sodann nicht nehmen, die Raumakustik ganz praktisch zu testen.

www.rolandnaef.chwww.schaerholzbau.ch

christian Härtel

Veröffentlichung: 15. Oktober 2020 / Ausgabe 42/2020

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