Macht hoch die Tür

Mit raumhohen Konstruktionen wird die Tür zum Portal. Bild: Laurameroni

Raumhohe Türen.  Die Türen werden immer grossformatiger. Ausgenutzt wird dabei vor allem die Höhe der Räume. Dies bringt für den Schreiner einige Herausforderungen bei der Konstruktion und der Montage mit sich. Entscheidend ist aber die bauseitige Perfektion.

Gross gewachsen zu sein, ist nicht immer nur schön. Neben Sonderanfertigungen bei Kleidung und Bett stösst vor allem «Mann» sich öfter den Kopf an. Etwa an Türrahmen, durch die nicht nur Basketballer mit eingezogenem Kopf gehen müssen. Für grosse Menschen müssen Gebäude mit höheren Türen wie Weihnachten erscheinen. Gute Nachrichten gibt es für die «Langen» seit einiger Zeit aus der Architektur: Die Türen werden immer öfter deutlich höher geplant, manchmal sogar raumhoch. Das betrifft alle Arten von Konstruktionen. Von raumhoch spricht man bei einem Türelement im Allgemeinen, wenn es annähernd die volle Höhe vom Fussboden bis zur Decke einnimmt. Also auch dann, wenn das Türblatt selbst nicht ganz raumhoch ist, sondern ein festes Blenden- oder Futterelement über der Tür aufweist. «Wir stellen fest, dass Türen immer höher, aber auch breiter werden», sagt Dino Rickenbach, Inhaber und Geschäftsführer der Riwag Türen AG im schwyzerischen Arth. «Sie sind nicht immer raumhoch, aber der Trend zu grösseren Elementen ist eindeutig.»

Neben dem architektonischen Trend sieht Rickenbach einen weiteren Grund für die Entwicklung hin zu grösseren Türen: die gewachsenen Ansprüche hinsichtlich barrierefreier Durchgängigkeit, mit grossen Geräten und Einheiten. So beispielsweise in Gewerbegebäuden oder in Spitälern. Riwag bietet Türrohlinge bis zu 4 Metern Länge an. «Rohlinge bis 2,60 oder 2,70 Meter Länge werden immer öfter verlangt», sagt Rickenbach. Über 3 Meter jedoch selten.

Grösser heisst auch anspruchsvoller

Je länger das Türblatt, desto eher kann bei diesem eine Krümmung auftreten. Dies kann im Innenbereich ein Thema sein, etwa wenn die Tür einen warmen Wohnraum mit trockener Luft von einem deutlich kühleren Treppenhaus mit höherer Luftfeuchte abtrennt. In diesem Fall merke man den Unterschied zwischen 2 und 2,70 Metern durchaus, sagt Rickenbach. «Sind die Klimadifferenzen gering, so braucht es keine Aluminiumeinlage, um dem Verziehen vorzubeugen», erklärt der Fachmann. Er rät aber, gegebenenfalls in der Stärke des Türblattes etwas zuzulegen. «So werden die massiven Rahmenhölzer stärker und das gibt dem Ganzen mehr Stabilität.»

Das sieht auch Peter Oester so. Der Leiter Technik und Fertigung bei der Baumann + Eggimann AG im bernischen Zäziwil ist als Praktiker gut mit den Herausforderungen bei zunehmender Blattgrösse vertraut.

«Bei grossen Formaten müssen Rohling und Beschläge entsprechend stärker dimensioniert werden», erklärt Oester. Entscheidend sei dabei aber nicht nur die Türhöhe, sondern vor allem das oft damit einhergehende, grössere Breitenmass. «Zusammen führt dies zu deutlich stärkeren Konstruktionen und damit zu mehr Gewicht.» So kommen bei sehr grossen und schweren Türen aus dem Hause Baumann + Eggimann jeweils auch spezielle Lösungen für die Drehbeschläge zum Einsatz. «Wenn ein Türdurchgang 2,50 Meter breit ist, braucht es das», sagt der Experte.

Raumhohe Innentüren gut machbar

Mit hochwertigen Standardbeschlägen lassen sich viele hochreichende Fälle abdecken, sofern keine besonderen Ansprüche oder Beanspruchungen damit verbunden sind. Mit zunehmendem Gewicht sind zunehmend spezielle Lösungen gefragt.

Doch: «Die Belastungswerte, bezogen auf die Referenzwerte von 1 mal 2 Meter Türfläche, liegen bei 400 Kilogramm für stumpf einschlagende Türen und bei vollständig verdeckt liegenden Bändern immerhin noch bei 300 Kilogramm möglichem Flügelgewicht», sagt Wolfgang Landwehr, Leiter Anwendungstechnik beim Bandhersteller Simonswerk (D). Neben den Abmessungen und damit der Masse einer Tür seien bei der Auswahl der richtigen Bänder Zusatzanforderungen wie Türschliesser oder auch Drehflügelantriebe zu berücksichtigen. Während bei Drehtüren noch eine relativ grosse Palette an Bandvarianten zur Verfügung steht, ist die Auswahl bei grossformati- gen und gewichtigen Schiebetüren eingeschränkter.

Dann sind schnell leichtere Konstruktionen gefragt, sofern die Anforderungen damit erfüllt werden können. Leichtbaukonstruktionen dürften im Zuge der immer grösseren Türflächen auch für das Handwerk wieder vermehrt in den Blickpunkt rücken, sofern der Trend anhält.

Aber auch seitens der Beschläge wird wohl in absehbarer Zeit noch so manche Neuerung auftauchen, um die neuen Herausforderungen gut meistern zu können.

Wenn Gewohntes auf einmal anders ist

Reicht eine Tür vom Boden bis zur Decke, werden auch scheinbare Kleinigkeiten bei der Planung und Ausführung auf einmal gross. Das betrifft beispielsweise die Wahl der richtigen Türabsenkdichtung.

Soll eine Tür ohne echten oberen Anschlag dicht schliessen, braucht es auch oben einen entsprechenden Beschlag. «Die obere Dichtung sollte sich dann aber nicht parallel absenken, wie es bei den Varianten für unten die Regel ist. Sonst kann es an der im Vergleich zum Bodenbelag meist empfindlichen Deckenoberfläche zu Schleifspuren durch die Dichtungslippe kommen», sagt Adrian Hager, Gründer und Partner der CardaTec AG in Niederurnen GL. Deshalb hat der Anbieter von Türabsenkdichtungen Modelle mit einseitig und beidseitig funktionierender Mechanik im Programm.

«Die beidseitige Auslösung bei Türabsenkdichtungen ist insbesondere für die Montage oben geeignet, weil so Schleifspuren an der Decke vermieden werden. Die Abdichtung erfolgt erst dann, wenn die Tür unmittelbar ins Schloss fällt», erklärt Hager.

Montage ist nicht zu unterschätzen

Was für die richtige Dimensionierung und Auswahl von Beschlägen bei raumhohen Türen gilt, das zeigt sich auch bei der Montage der ausladenden Bauteile. «Je grösser die Formate, desto anspruchsvoller und aufwendiger gestaltet sich auch die Montage», sagt Peter Oester.

Im Neubau kommen derzeit oft rahmenlose, raumhohe Türen zum Einsatz. Dies bedingt bauseitig eine kompromisslose Einhaltung der Planungsvorgaben, damit das millimetergenau gefertigte Bauteil am Ende auch passt. «In der Realität ist das nicht immer so», weiss Oester, weshalb hohe Türen auch ein hohes Mass an Abstimmung untereinander sowie an die Ausführungsqualität aller Beteiligten stellen.

Endfertigung auf der Baustelle

Ähnlich wie bei grossformatigen Fensterelementen stellt sich auch bei den Türen immer öfter die Frage der Mobilität vor Ort auf der Baustelle. Ist die Tür zu gross, um sie im Gebäude transportieren zu können, oder zu schwer, um sie mittels Muskelkraft zum Ort des Geschehens zu bringen, braucht es besondere Vorkehrungen.

Nicht anders verhält es sich bei Renovationen. Eine ausladende Tür durch ein enges Treppenhaus in die dritte Etage zu schaffen, kann schnell zur Plagerei werden.

Aber auch das Aufstellen einer solchen Tür im fertiggestellten Innenraum kann für Schwierigkeiten sorgen.

Bei grossen Formaten findet die Endfertigung manchmal sogar erst auf der Baustelle statt. Das Verleimen von Teilstücken zu einer grossformatigen Tür kann durch den architektonischen Trend durchaus zur Notwendigkeit werden. Dies zeigt, was eine schnell gezeichnete deckenhohe Tür für Anforderungen an die Praktiker mit sich bringt. Neben dem hohen Aufwand, finale Arbeitsschritte auf der Baustelle mit allen nötigen Vorrichtungen zu erledigen, müssen solche Erfordernisse ja auch erst Mal erkannt und dann bei der Konstruktion des Bauteiles berücksichtigt werden.

Pivottüren sind wieder da

Eine gängige Konstruktionsart für deckenhohe Drehflügel ist die Pivottür. Bei dieser speziellen Form befindet sich die Drehachse nach innen versetzt innerhalb des Türblattquerschnittes. Solche Drehpunkttüren sind oft ohne Zarge gestaltet und wirken deshalb mehr als bewegliche Wandelemente denn als Türen. Eine elegante Lösung, vor allem aus Sicht von Planern und Architekten. Für den Handwerker jedoch sind Pivottüren eine Herausforderung, vor allem bei der Montage.

Spezieller Beschlag

An der letzten Swissbau in Basel hat die Immer AG aus dem bernischen Uetendorf einen Beschlag für Pivottüren vom niederländischen Hersteller Fritsjurgens präsentiert. Das Besondere daran ist, dass die Lösung ohne externen Türschliesser auskommt, welcher normalerweise in den Boden eingelassen wird. Das erleichtert die Montage der sonst anspruchsvollen und aufwendigen Türkonstruktion erheblich. Denn bei dem System müssen keine Aussparungen in der Decke oder dem Boden eingeplant und ausgeführt werden. Die gesamte Technik des Zapfenbandes ist verdeckt in der Türebene eingelassen. Montiert werden müssen nur die Grundplatten unten und oben zur Aufnahme des Drehbeschlages.

Dies ist beim Boden meist gut machbar. Doch dass eine stabile Verankerungsmöglichkeit der oberen Grundplatte zwingend ist, kann zum Knackpunkt werden. Denn was bei einem Neubau entsprechend eingeplant werden kann, ist bei Deckenkonstruktionen im Bestand natürlich nicht immer gegeben.

Eine exakte Aussparung des Durchganges am Montageort vorausgesetzt, begeistert die Konstruktionsart mit dem noch jungen Beschlag durch seine gestalterischen Möglichkeiten und Funktionalitäten. So kann die jeweilige Tür in beide Richtungen schwingen und hat Einrastungen etwa für einen 90-Grad-Öffnungswinkel im Bauteil implementiert.

Auch eine Kabeldurchführung ist mit dem Beschlag leicht zu realisieren. Was dem Schreiner die Arbeit erleichtert, erfordert – wie immer bei den deckenhohen Elementen – dafür bauseits exakte Arbeit.

www.riwag.chwww.tuerundraum.chwww.simonswerk.dewww.cardatec.chwww.immerag.ch

ch

Veröffentlichung: 08. März 2018 / Ausgabe 10/2018

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