Machtvolle Nachfolge

Hindernisse überwinden und neue Ziele erreichen: Wenn Externe die Betriebsleitung übernehmen, sind Ausdauer und gezielter Machteinsatz gefragt. Bild: Uccrow, fotolia.com

Unternehmensführung.  In den nächsten vier Jahren steht bei über 15% der Schweizer KMU eine Nachfolgeregelung an. Auch in Schreinereien kann die Nachfolge nicht immer intern geregelt werden. Externe Führungskräfte sind im Umgang mit Macht jedoch besonders gefordert.

Mit dem Einstieg von externen, dynamischen Führungskräften werden neue Ansätze und Modelle in ein Unternehmen eingebracht sowie existierende Strukturen, Prozesse und Abläufe infrage gestellt. Um die Zukunft der langjährig tätigen Firmen sichern zu können, werden vorhandene Organigramme geändert und – teilweise auch aus monetären Gründen – Hierarchiestufen abgebaut. Welche festgefahrenen Strukturen erwarten die neuen Chefs? Mit welchen Problemen werden sie konfrontiert und wie können sie damit umgehen? Wo begegnet ihnen Widerstand und wo müssen sie ihre Autorität einsetzen, um Ziele zu erreichen?

Einsatz von Führungsprinzipien

Restrukturierungen und Neuorganisationen bringen unweigerlich auch unpopuläre Entscheidungen mit sich, die unter Umständen mithilfe von Macht durchgesetzt werden müssen. Doch was genau ist Macht? Der Soziologe und Nationalökonom Max Weber definierte Macht als «jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel, worauf diese Chance beruht».

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie Macht angewendet werden kann (siehe Grafik rechts). Eine Führungsperson kann Einfluss ausüben durch ihre Position und Legitimation, Förderung und Belohnung, Zwang und Befehle, Identifikation und Persönlichkeit, Know-how und Expertenwissen sowie durch Steuerung der Kommunikation. Besonders erwähnenswert ist der letzte Aspekt: Macht kann über die Lenkung von Informationen ausgeübt werden. Mit anderen Worten: Die Macht liegt darin verborgen, wie viele Informationen einem Mitarbeitenden zur Verfügung gestellt werden oder auch nicht. Wo Information und Wissen liegt, ist auch die Macht, und diese kann dosiert weitergegeben, zurückgenommen und gelenkt werden.

Führungskräfte sollten situativ in der Lage sein, die Macht sinnvoll anzuwenden, um ihre Interessen und somit auch den eigenen Willen durchsetzen zu können. Dies möglicherweise auch gegen den Widerstand der anderen Seite. Der bewusste Umgang mit den Auswirkungen und Einflüssen, Aktionen und Reaktionen von gezielter Einflussnahme kann jedoch praktisch nirgends erlernt werden.

Umgang mit gewachsenen Strukturen

In der Organisation angekommen, werden die Unternehmer-Nachfolger unweigerlich mit gefestigten Machtstrukturen konfrontiert. Ob in einem Kleinstunternehmen oder im Grosskonzern, egal, auf welchen Hierarchiestufen, wo Führung gefragt ist, wird Macht und Einfluss eingesetzt – dies auf bewusste und unbewusste Art und Weise sowie in verschiedensten Formen: formelle und informelle Macht sowie personale, strukturelle, potenzielle und realisierte Macht. Die Führungsstrukturen und Machtgeflechte des bisherigen Leaders sind es also, die es aufzubrechen gilt! Ist das wirklich so?

Konzepte, Strategien und Massnahmen rund um die Führungstätigkeit werden detailliert geplant und aufgebaut, bevor sie angewandt werden. Macht wird in den meisten Fällen intuitiv, das heisst mit «Bauchgefühl» praktiziert. Die grösste Herausforderung ist es also, vor allem die informellen Führungs- und Machtstrukturen zu eruieren und nach eigenem Willen zu formen. Mittels einer Bottom-up-Analyse – also vom «Unterbau» eines Betriebs nach oben – und entsprechenden Basisgesprächen können bestehende informelle, eingeschliffene Führungsstrukturen am ehesten herausgefiltert werden. Somit zeigt sich, ob und wie diese verändert werden müssten.

Umsetzung in der Firmenführung

Über Ethik und Normen machen sich viele Unternehmer Gedanken, nicht aber darüber, wie er oder sie Macht, Autorität und Einfluss in der Organisation zu steuern gedenkt. Das ist wohl auch ein entscheidender Grund, weshalb sich das Handeln in diesem Bereich oft auf planloses Reagieren beschränkt. Menschen, die geführt werden (müssen, wollen), haben individuelle Fähigkeiten, Eigenschaften und persönliches Potenzial. Erfolgreiche Führungskräfte müssen diese Aspekte fördern und fordern. Die gesellschaftliche Entwicklung verlangt einen noch subtileren Umgang mit Macht in der Führung. Die jungen «Digital Natives», also Personen, die mit Internet & Co. aufgewachsen sind, zeigen sich als anspruchsvoller, aber auch weniger loyal gegenüber dem Arbeitgeber.

In Zukunft wird erfolgreiche Führungstätigkeit weniger mit Druck und Zwang auskommen müssen. Vielmehr hängt der Erfolg eines Unternehmens und seine Führung von Menschen, vom Umgang mit Menschen, Werten und Normen und weniger von Durchsetzung der Organisationsstrukturen sowie der Kapitalentwicklung ab. Neue Lösungsansätze, wie sie schon in einzelnen Gremien wie Verwaltungsrat und Geschäftsleitung, aber auch Projektteams Einzug gehalten haben, sind gefragt. Kreativität mit Unternehmertum, visionäres Denken gepaart mit emotionaler Intelligenz werden auch von Mitarbeitenden gefragt.

Bewusster Einsatz von Macht

Erfolgreiche Führungskräfte können die in der Grafik gezeigten Machtkonstrukte einsetzen, müssen dies aber nicht. Das ist von zentraler Bedeutung. Der Gebrauch von Führungsmitteln kann verschiedenste Reaktionen und Auswirkungen auf alle involvierten Parteien haben. Bei der Übernahme einer Nachfolge, sei es als Unternehmer oder Führungsperson, ist es wichtig, sich dieser Thematik bewusst zu sein und den Umgang auch offen zu thematisieren. Nur auf diese Weise wird es gelingen, eine kommunikative und offene Firmenkultur mit bewusster Machtausübung umzusetzen.

Michael Estermann, Hiag Handel AG,

und Roland Walker, Beck Design AG,

sind Teilnehmer des Executive MBA

der HochschulE Luzern – WirtschafT

Die Kursausschreibung zum Thema «Betriebsübergabe – Erfolg dank Planung» der Höheren Fachschule Bürgenstock ist unter der Rubrik «Bildung» auf Seite 37 zu finden.

Eine «Gesunde» Einstellung

Sechs Punkte zur Macht:

  • Sichtweise des Gegenübers einnehmen und betrachten
  • Auch Höflichen und Anständigen wird Folge geleistet
  • Verlange von anderen nur, was für dich selber gilt
  • Verantwortungsbewusst handeln und denken
  • Jeder hat nur die Macht, die ihm andere zugestehen
  • Sich der Reaktion von Machteinsatz im Vorfeld bewusst sein

Externe NAchfolge: Zwei Beispiele

«Erfolg dank guten Argumenten»

Nach über 40-jähriger Geschäftstätigkeit hat Hansjörg Zimmerli die Verantwortung an Christian Binder übergeben, welcher die Schreinerei H. J. Zimmerli AG in Zofingen seit Anfang Februar führt. Wie geht er mit festgefahrenen Strukturen um? «Wenn man etwas verändern will, dann um die gesetzten Ziele zu erreichen. Bei Bedarf setze ich mich mit meinem Team zusammen, um gemeinsam eine Lösung zu finden.»

Und bei Widerstand? «In einem solchen Fall geht es in die Wiederholungsschlaufe: Was wollen wir erreichen? Welches sind die besten Mittel? Welche Hindernisse gibt es? Grundsätzlich klappt es mit einer Veränderung dann am besten, wenn sie zusammen mit den Mitarbeitenden angepackt wird. Wichtig sind gute Erklärungen und Argumente – damit war ich bislang immer erfolgreich.»

www.schreinerei-zimmerli.ch

«Anpacken, was jetzt umsetzbar ist»

Auch beim Absaug- und Haustechnikunternehmen E. Fuchs AG in Aadorf hat per Februar 2012 ein externer Führungsnachfolger seine Tätigkeit aufgenommen. Nach über 27 Jahren gemeinsamer Geschäftsleitung haben Lotti und Ernst Fuchs die Geschicke des Unternehmens in die Hände von Mattias Cathomen übergeben.

Wie geht er mit der neuen Situation um? «Zuerst einmal ist es wichtig, den Betrieb kennenzulernen. Meine Ideen diskutiere ich zuerst im Rahmen der Geschäftsleitung. Wenn ich sehe, was verändert werden muss, wird das an- gepackt, was aktuell umsetzbar ist. Viel Staub aufwirbeln und gleich 50 neue Ideen zu präsentieren, wäre unpassend und kontraproduktiv.»

Und bei internem Widerstand? «Falls sich nach einer Entscheidung Widerstand im Team bilden sollte – was bislang nicht der Fall war –, arbeite ich mittels Überzeugung und Schulung. Es gilt aufzuzeigen, wo die Vorteile liegen.»

www.efuchs-ag.ch

Veröffentlichung: 05. April 2012 / Ausgabe 14/2012

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