Möbelhaus auf Zeit

Exklusive Möbel, Leuchten, Keramik und Textilien von lokalen Herstellern werden auf einer Fläche arrangiert. Bild: Space grotesk

Pop-up-laden.  Als das Basler Einkaufszentrum Erlenmatt seine Tore öffnete, blieben rund 500 Quadratmeter Verkaufsfläche frei. Ein Kollektiv hat die Gelegenheit genutzt, um eine temporäre Möbelausstellung für lokale Handwerker und Gestalter zu lancieren. Doch das Projekt hat Mühe.

Unter dem Dach des neuen Basler Zentrums Bâleo Erlenmatt finden Wohnungen, Kinderkrippe, Einkaufszentrum, Elektrohandel und – nicht zuletzt – «Space grotesk» Platz, ein Möbelhaus für lokales Handwerk und Design. Zur Eröffnung des Zentrums fehlten noch Mieter, also bot das Baubüro eine Fläche mietfrei und befristet an. Wo gezügelt wird, braucht es Möbel und Accessoires, dachten sich die Gründer des alternativen Möbelhauses. Das sind Designer Jan Knopp und Kommunikator David Herrmann. Zusammen stehen sie hinter dem Kollektiv Konstruktiv, einem Team, das sonst Kommunikationsprojekte realisiert.

Showroom in der urbanen Peripherie

Im Mai dieses Jahres eröffnete also auf einer Fläche von 500 Quadratmetern «Space grotesk». Das Bâleo Erlenmatt ist das jüngste Gebäude im gleichnamigen Quartier, das in den letzten fünf Jahren auf der Fläche des ehemaligen Güterbahnhofs entstanden ist. Noch ist das Viertel im Entstehen, Ladenlokale und Wohnungen sind noch zu beziehen. Die Aufbruchstimmung reizt viele lokale Kleinbetriebe. Insgesamt 31 Hersteller sind im «Space grotesk» vertreten mit Möbeln, Lampen, Keramik, Textilien, Kunsthandwerk – eine auserlesene Mischung von Produkten aus der Region. «Ich hatte eine Liste regionaler Handwerksbetriebe zusammengestellt und sie kontaktiert», sagt Store-Managerin Meret Burkhalter. Immer wieder kommen neue Produkte dazu. «Wir versuchen, das Arrangement monatlich umzustellen, auch weil Produkte neu dazukommen oder verkauft werden.»

Zielgruppe für Exklusives

Von einem «wahnsinnig schön gestalteten Showroom» spricht Cyrill Hämisegger von Jacoby Möbel aus dem benachbarten Oberwil BL. Der gelernte Schreiner ist für den Aussenauftritt seines Drei-Mann-Betriebs verantwortlich, der 2017 gegründet wurde. «Wir haben grosses Interesse an einem öffentlichen Ausstellungsraum zusammen mit anderen Herstellern. Hier gefällt uns die nicht markengebundene, originelle Atmosphäre sehr», sagt er. Einige Stücke der zwölf Möbel umfassenden Kollektion konnten bereits verkauft werden. Zielgruppe der Aussteller sind Kundinnen und Kunden, die das Exklusive suchen, beispielsweise die sogenannten finanzstarken Expats.

Mit Leidenschaft für Möbel

«Wer Exklusives verkaufen will, muss etwas davon verstehen», sagt der Schreiner. Deshalb lud er die Store-Managerinnen Meret Burkhalter und Anita Svaganovic zu einer Schulung in seine Werkstatt ein. «Unsere Passion für das Möbelmachen soll im Verkaufsgespräch rüberkommen», sagt Hämisegger. Über Möbel vom Schreiner gebe es viel zu wissen, findet auch Svaganovic. Da ist zum Beispiel die Konstruktionsweise des Tischs «Frau Caminada»: Die Tischbeine sind mit einer Schwalbenschwanzverbindung an der Tischplatte befestigt. Auch Holzart und Finish spielen in der Beratung eine zentrale Rolle. Jacoby Möbel setzt Hölzer wie die Europäische Ulme ein, einen holländischen Zuchthybriden aus Feld- und Bergulme, der gegen den schädlichen Ulmensplintkäfer resistent ist. Alle Hölzer sind abschliessend geölt.

Ein Auge für Partnerschaften

Der Rundgang geht mit Schwarznuss aus Südosteuropa in Form der Couch «Mr. Johannsson» weiter. Für die Sitzgelegenheit liegt eine längere Entwicklungsphase mit Polstern und Säumen hinter dem Team. Die Naht sass anfangs nicht richtig. Reduktion der Details auf das Wesentliche charakterisiert das Gestaltungsprinzip von Jacoby Möbel. Dabei hat das Team ein Auge für Partner. Eine Chance für Kooperationen sieht Hämisegger mit anderen Ausstellern wie etwa dem Basler Polsterer von Idealraum. Man denke besser im Team denn als Konkurrenten, sagt der Schreiner.

Auch disziplinenübergreifend ist «Space grotesk» inszeniert. Die Veranstalterinnen lancieren regelmässig Kunstausstellungen und Events wie zum Beispiel in diesen Tagen eine ostfriesische Teezeremonie, die potenzielle Käufer ins Haus bringt.

«Space grotesk» und das ganze Quartier sind sich stark am Entwickeln und strahlen auch über die Landesgrenze hinweg. Der Schreinermeister, Planer und Designer Klemens Grund aus dem deutschen Grenzort Weil am Rhein hatte über das E-Mail einer Freundin von «Space grotesk» erfahren. «Ich hatte Lust, mich mit der Basler Designszene zu vernetzen», sagt er. Wenn es um die Umsetzung serienreifer Stücke oder die Herstellung spezieller Einzelstücke geht, arbeitet er mit Handwerksbetrieben zusammen. «Das Besondere an meiner Arbeit ist die Verschmelzung von handwerklicher Tradition, materialgerechtem Denken und zeitgenössischer Gestaltung.»

Grunds «Tisch 2» besteht aus massiver Esche, die Tischplatte ist mit Esche furniert. Die Längszargen werden als Art Schiene genutzt, auf der die Tischplatte gleitet. Grund wollte keine industriellen Metallauszüge einsetzen. Man schiebt die beiden Hälften auseinander und verlängert den Tisch um einen Einsatz. «Die Formverleimung der Tischplatte legt sich elegant wie ein Tischtuch über die Zargen», meint der Schreiner.

Brücke vom Büro in den Wohnbereich

Möbelschreiner und Innenarchitekt Patrick Doggweiler ist auf Showrooms wie «Space grotesk» angewiesen, um neue Kunden zu gewinnen. Seine Werkstatt ist abgelegen, öffentliche Räume findet er bei seinen jährlichen Auftritten an den Designmessen Blickfang in Basel und Zürich. Mit seiner eigenen Firma konzentriert er sich auf individuelle Möbel aus Massiv- und Sperrholz. Mit einem kleinen Pensum entwickelt er Kunstausstellungen an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Basel. Er realisiert sowohl eigene Entwürfe wie auch Kundenwünsche. Sein Regal mit Metallstützen ist in der ausgestellten, hohen Ausführung eine Neuheit, die Tablare sind aus massiver Schweizer Esche. Es ist einfach auf- und abbaubar und kann so diversen Wohnsituationen angepasst werden. Die Tablare lassen sich nach Bedarf kürzen oder verlängern. Bei Doggweilers Rollmöbel handelt es sich um ein mobiles Homeoffice, das nicht den typischen Bürostil haben soll. Mit dem Korpus aus Fichten-Sperrholz wollte er eine Brücke zum Wohnbereich schlagen. Doggweiler stellt erst seit kurzer Zeit aus und kann über die Resonanz noch nicht viel sagen.

Viel Arbeit, wenig Ertrag

«Space grotesk» gibt kleinen Labels eine Chance. Das Projekt ist eine grosse Herausforderung für die Leiterinnen Meret Burkhalter und Anita Svaganovic. Nachdem die erste Mietfrist im Sommer abgelaufen war, gab es Verlängerung. Die Einnahmen sind gering bei sehr hohem Arbeitseinsatz. Bei Abverkauf erhalten sie Margen, oder sie erheben einen minimen Mietzins. «Wir müssen das Konzept neu überdenken», sagen beide. Am Jahresende wollen sie sich eine Denkpause gönnen. Die Idee gefällt noch immer, doch es fehlt Kundschaft, vermutlich auch, weil der Laden versteckt im Untergeschoss liegt. Durch die Zwischennutzung ist es ihnen nicht erlaubt, aussen am Gebäude ein Schild anzubringen.

www.spacegrotesk.chwww.jacoby-moebel.comwww.klemensgrund.dewww.doggweiler.ch

MZ

Veröffentlichung: 28. November 2019 / Ausgabe 48/2019

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