Ohne Gelegenheit keine Diebe

Wer auf dem Bau klaut, braucht meist nicht einmal einen Geissfuss. Die Täter spazieren häufig unbehelligt zum Ort des Geschehens. Bild: Pixabay

Diebstahl.  Klau auf dem Bau bleibt ein Ärgernis, auch wenn die Zahlen rückläufig sind. Nebst Anketten und Einschliessen sind es in erster Linie organisatorische Massnahmen, die den «Schwund» an Material und Geräten eindämmen. Das sagen zumindest Montageprofis.

Der rote Koffer mit der weissen Schrift sticht sofort ins Auge. Auch das schwarze Gerät mit grünen Buchstaben lässt sich auf einen Blick orten. Jovial und freundlich grüssend mischt sich der Herr im unscheinbaren Arbeitstenü unter die Maler, Gipser und Schreiner. Er ist nur einer von vielen Menschen auf der Grossbaustelle. Doch nach der Znünipause ist der «Kollege» plötzlich verschwunden und mit ihm der rote Koffer und das schwarze Gerät – auf Nimmerwiedersehen.

Klau auf dem Bau ist und bleibt ein Thema und für die betroffenen Firmen und Handwerker – abgesehen vom finanziellen Schaden – vor allem auch ein stetiges Ärgernis. Die polizeiliche Kriminalstatistik zeigt zwar, dass sich die Zahl der Einbruchdiebstähle in der Kategorie «Baugewerbe» seit 2009 halbiert hat (siehe Grafik nebenan). Allerdings sind hier eben nur die Einbrüche verzeichnet, das heisst, die Täterschaft hat sich mit Gewalt Zugang zu abgeschlossenen Räumlichkeiten verschafft, nicht aber Einschleichdiebstähle, wie sie auf Baustellen eben auch vorkommen.

Ein Hauptgrund für den Rückgang sind sicher technische und organisatorische Massnahmen gegen Diebstahl, welche die Geschädigten in den vergangenen Jahren getroffen haben. So gibt es im Land wohl kaum eine Grossbaustelle mehr, die nicht eingezäunt ist und bei welcher der Zugang aufs Gelände nicht durch eine Pforte überwacht wird.

Organisation ist die halbe Miete

Dennoch sagt Patrick Güntert, stellvertretender Geschäftsführer der Firma AM Montagen GmbH aus Embrach ZH: «Trotz Security und sonstigen Massnahmen werden Gegenstände von den Baustellen entwendet.» Den handwerklichen Betrieben entstünden so jährlich zum Teil erhebliche Schäden. Dank interner Massnahmen seien die Zahlen aber rückläufig. Auf interne und organisatorische Massnahmen kommt Jack Breitenmoser als Erstes zu sprechen, wenn es um Diebstahlprävention auf Baustellen geht. Breitenmoser ist Inhaber und Geschäftsführer der Firma Peter Baumgartner Schreinermontagen AG in Gossau SG. Er ist zudem Präsident der Fachgruppe Montage innerhalb des Verbands Schweizerischer Schreinermeister und Möbelfabrikanten (VSSM). Sein Grundsatz lautet: «Bevor ich weiss, was fehlt, muss ich wissen, was überhaupt von wem von uns zur fraglichen Zeit auf der Baustelle war.»

Fakten statt Vermutungen

Seit einigen Jahren setzt er dazu auf «Hilti On Track». Auf der Software aus Liechtenstein zur Verwaltung von Betriebsmitteln sind alle 2500 Geräte und Werkzeuge aus dem Magazin aufgelistet, auf welche die Monteure bei ihren Einsätzen zurückgreifen können. «Wir wissen von jedem genau, was er vor dem Einsatz beim Magaziner gefasst hat und wo es im Einsatz ist. Dazu sind alle Geräte mit Strichcode versehen», erklärt Breitenmoser. Bei der Rückgabe kontrolliere der Magaziner, ob alles, was gefasst wurde, auch wieder zurückgebracht wor- den sei. Er wirft auch einen Blick auf den Zustand der Maschine und weist diese immer einem Service oder der Reparatur zu. Nicht nur die Einsatzparameter sind im System erfasst, sondern auch der Zustand, das Alter und der Anschaffungspreis. Das erleichtere die Zusammenarbeit mit Polizei und Versicherung. «Nur so kann ich belegen, dass auf der Baustelle XY tatsächlich ein Gerät verschwand», sagt Breitenmoser. Davor arbeitete die Peter Baumgartner Schreinermontagen AG mit einer eigenen Geräteverwaltung auf Excel und mit Papierbögen. «Da wirklich die Übersicht und Gewissheit zu haben, war schier unmöglich», räumt Breitenmoser ein. Bei der Einführung des neuen Systems hätten die Angestellten teilweise schon etwas gemurrt und sich überwacht gefühlt.

«Doch sie haben einen entscheidenden Vorteil rasch erkannt: Es gibt so gut wie keine emotionalen Diskussionen mehr, wer nun verantwortlich ist, wenn etwas fehlt.» Während früher jährlich um die zehn kostspielige Baukompressoren «verloren» gingen, waren es im vergangenen Jahr noch Gegenstände im Wert von 500 Franken.

Dass der Verlust so niedrig ist, hat aber nicht allein mit der elektronischen Verwaltung der Betriebsmittel zu tun, sondern auch mit Massnahmen auf der Baustelle selbst. Und hier gilt: Einsperren und festmachen, was immer geht. Das betont auch Iris Meyer. «Alles, was nicht angekettet oder eingeschlossen ist, kommt weg», sagt die Verantwortliche für Marketing und Kommunikation bei der Dietsche Montageprofis AG aus Kriessern SG. «Wir organisieren uns einen Raum mit abschliessbarer Bautür. Oder das Werkzeug wird jeden Abend im abgeschlossenen Fahrzeug versorgt», sagt Meyer weiter. Viele Monteure greifen auch auf abschliessbare Kisten zurück. «Das Werkzeug wird in abgeschlossenen Boxen oder in Palettrahmen mit abschliessbaren Deckeln verstaut. Und es wird zum Teil auch angekettet», sagt Patrick Güntert von AM Montagen. Und auch er betont: «Was natürlich noch besser hilft, sind mit Türen gesicherte Räume, die den Monteuren von der Bauleitung gestellt werden.»

Versicherungsrechtlich entscheidend

Die Art und Weise der Sicherung der Geräte auf Baustellen ist versicherungsrechtlich entscheidend. «Versicherungen zahlen den Diebstahl nur, wenn es sich um einen offensichtlichen Einbruch handelt mit entsprechenden Spuren», sagt Iris Meyer von Dietsche. «Da viel Werkzeug jedoch im laufenden Tagesbetrieb verschwindet, handelt es sich nicht um einen Einbruch.» Meyer sagt auch, dass Diebstahl vor allem auf Grossbaustellen in Ballungszentren ein grosses Problem sei. Zwar lasse sich auch der sogenannte einfache Diebstahl versichern, «doch wegen der hohen Prämien und Selbstbehalte rechnet es sich im Schadensfall kaum», ergänzt Güntert.

Mehrere Anbieter von Elektrogeräten und Werkzeug entwickeln aktuell Trackingmethoden für Geräte oder bieten solche Systeme schon an. Die drei Exponenten der Montage-Szene stehen solchen neuen Ansätzen zwar grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber. Doch eine echte, praxistaugliche Massnahme gegen Diebstahl sei dies aktuell noch nicht. «Das ist noch sehr kostspielig. Deshalb für uns zurzeit noch keine Option», sagt Meyer. Die Firma AM Montagen prüft laut Güntert derzeit einen Ortungschip von Apple. «Um ihn allenfalls in unseren Werkzeugboxen zu verbauen», verrät er. Die Möglichkeiten seien interessant, doch die Kosten dürften nicht zu hoch sein. Und Jack Breitenmoser von Peter Baumgartner Schreinermontagen AG meint lakonisch: «Was nützt es mir, wenn ich dank Tracking weiss, dass die gestohlene Bohrmaschine nun in Ouagadougou ist?» Häufig, so sagt Breitenmoser, heisse es bei vermissten Gegenständen auf der Baustelle schlicht wie früher im Militär: «SBG – suchen, bis gefunden.»

www.fachgruppe-montage.chwww.am-gmbh.chwww.montageprofis.chwww.pb-schreinermontagen.ch

Tipps und Tricks der Versicherer

Kein Ärger auf der Baustelle

Vor einigen Jahren veröffentlichte der Schweizerische Versicherungsverband (SVV) ein Merkblatt zum Thema Diebstahl auf Baustellen. Das Faltblatt ist inzwischen vergriffen, doch die publizierten Tipps und Tricks haben keineswegs an Gültigkeit verloren.

Ein erster Punkt ist dabei die Prävention von Klau auf Baustellen. Dazu gehört es, dass nicht einfach irgendjemand Zugang zum Gelände und zum Bau hat. Wer auf der Baustelle zu tun hat, sollte erkennbar sein, wozu eine einheitliche, beschriftete Arbeitskleidung beiträgt. Unbekannte Personen sollten angesprochen werden. Ausserdem empfehlen die Versicherer Kontrollgänge ausserhalb der Arbeitszeiten. Und was sich eigentlich von selbst versteht: Des Nachts sollten Türen und Fenster, sofern schon vorhanden, konsequent geschlossen werden.

Bei der Lagerung von Material sollte auf Folgendes geachtet werden:

  • Nicht mehr Material als nötig und nicht frühzeitiger als nötig auf Baustellen lagern
  • Möglichst in abschliessbaren Räumen oder Behältern einlagern
  • Regelmässige Bestandskontrolle
  • Geräte auffallend gross und grell beschriften. Das erschwert den Weiterverkauf.
  • Lagerplätze beleuchten, evtl. sogar mit Bewegungsmeldern.

Stefan Hilzinger, hil

Veröffentlichung: 21. April 2022 / Ausgabe 16/2022

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