Schöne Möbel für den Genuss

In diesem Humidor finden bereits bis zu 200 Zigarren Platz. Diese werden mit einer Beleuchtung richtig in Szene gesetzt. Bild: Nüesch Humidore

Nische.  Gehts ums Aufbewahren von Zigarren, treffen zwei Leidenschaften aufeinander: Jene des Zigarrenliebhabers, der seinen edlen Tabak richtig lagern möchte, und jene des Schreiners, der dafür einen perfekten Humidor aus Holz herstellt.

Was bei der Lagerung von Massivholz wichtig ist, zählt auch bei der Aufbewahrung von Zigarren: das Sicherstellen einer ge-wissen relativen Luftfeuchte. Bei Zigarren liegt diese bei ungefähr 70 %. Zu feucht gelagerte Zigarren brennen schlecht, und im schlimmsten Fall kann sich sogar Schimmel bilden. Bei zu niedriger Luftfeuchte werden die Zigarren brüchig, und die Aromen gehen verloren.

Richtig gelagert werden Zigarren deshalb in einem Humidor. Die Bezeichnung hat ihren Ursprung im Lateinischen, wo «humidus» so viel wie «feucht» bedeutet. Humidore gibt es in allen Variationen, vom kleinen Kistchen bis hin zur begehbaren Lösung, und sie bestehen meistens aus Holz.

Kunden und Partner

Drei Schweizer Schreiner haben diese Nische für sich entdeckt: Remo Marc Nüesch aus St.Gallen ist selbst passionierter Raucher von Zigarren und hat lange nach einem passenden Humidor gesucht. Fündig wurde er aber nicht: «Die auf dem Markt ver-fügbaren Produkte gefielen mir optisch nicht, waren technisch nicht ausgereift oder schlicht viel zu teuer», so Nüesch. Also hat sich der Inhaber einer Schreinerei mit der Thematik auseinandergesetzt und vor vier Jahren damit begonnen, selber Humidore zu entwickeln. Sein erklärtes Ziel dabei war, schöne Möbel mit Humidorfunk- tion zu bauen. Seit rund eineinhalb Jahren ist er nun mit seiner eigenen Produktlinie «Nüesch Humidore» am Markt.

Auf einem anderen Weg zum Humidorbau kam die Schreinerei Odermatt aus dem zugerischen Baar. «Für einen Kunden, der ein begeisterter Zigarrenraucher ist, planten wir einen Innenausbau. Dabei kam die Frage auf, ob wir auch einen Humidor integrieren könnten», erzählt Jürg Odermatt. Nach dem erfolgreichen Abschluss des Projekts spinnten Odermatt und sein Kunde die Idee weiter und gründeten im Jahr 2013 die Humidor Design GmbH.

Zehn Jahre Erfahrung im Bau von Humidoren hat die Schreinerei Walter Rüegg aus dem st.-gallischen Goldingen: «Ein guter Freund von mir ist im Zigarrenhandel tätig und suchte damals einen neuen Schreiner für die Zusammenarbeit», berichtet Rüegg. Sein Freund und heutiger Partner Andreas Stachl hatte bereits einige Erfahrung in diesem Bereich, insbesondere was die Befeuchtungsgeräte anbelangt. Seither führen die beiden zusammen verschiedenste Humidorprojekte aus.

Wertvoller Inhalt

Um zuverlässig ein gleichmässiges Klima zu erreichen, müssen Befeuchtungsgerät und Möbel perfekt aufeinander abgestimmt sein. Gemäss den Schreinern handelt es sich im Prinzip um einfache Physik. «Wer aber glaubt, man könne einfach eine schöne Holzkiste bauen und ein im Internet bestelltes Befeuchtungsgerät montieren, bewegt sich auf dünnem Eis», sagt Remo Marc Nüesch. Es besteht die Gefahr, dass dem Kunden ein finanzieller Schaden entsteht, wenn der Humidor nicht ordnungsgemäss funktioniert und die Zigarren schlecht werden. Selbst kleine Humidore fassen 100 Zigarren und mehr, der Wert des Inhaltes kann dann schnell die 1000-Franken-Grenze überschreiten. Und in der Zigarren-Gemeinde würde sich ein solcher Schaden schnell herumsprechen, der Vertrauensverlust wäre gross.

Aufgrund der Feuchtigkeit sind verzogene Fronten und Seiten beinahe vorprogrammiert, wenn die Möbel nicht entsprechend konstruiert werden. Meistens kommt bei hochwertigen Humidoren eine zweiteilige Konstruktion zum Einsatz: Sie besteht aus einer äusseren, dekorativen Hülle, die durch eine entsprechende Beschichtung gegen Feuchtigkeit geschützt wird. «Bei grossen, begehbaren Humidoren setzt man hier ähnlich wie bei einer Gebäudehülle auf Dampfbremsen», erklärt Walter Rüegg, der pro Jahr im Schnitt zwei begehbare Humidore baut.

Zirkulation ist gefragt

In die Hülle integriert wird das eigentliche Innenleben des Humidors. Dieses besteht oft aus unbehandelter, spanischer Zeder, weil man der Ansicht ist, dass dieses Holz die Aromaentwicklung einer Zigarre am besten unterstützt. Zudem hält das Holz auch etwaige Schädlinge fern. Häufig zum Einsatz kommt aber auch Rotzederholz, welches ähnliche Eigenschaften aufweist. Im Prinzip kann man gemäss Remo Marc Nüesch auch andere Holzarten verwenden. «Wichtig ist einfach, dass das Holz keinen negativen Einfluss auf die Zigarren hat, zum Beispiel durch austretendes Harz.»

Nebst einer makellosen Verarbeitung muss bei der Innenausstattung vor allem eine ausreichende Luftzirkulation im Möbel gewährleistet sein. Erreicht wird diese mittels entsprechender Schlitze und Ausfräsungen. Dabei müssen die Schreiner darauf achten, dass die Luftumwälzung auch funktioniert, wenn alle Tablare mit Zigarren belegt sind. Bei grösseren Möbeln oder solchen mit speziellen Formen können dafür sogar versteckte Kanäle für die Luftführung nötig sein.

Für die Front wird beinahe immer Glas eingesetzt, denn man will ja seine Zigarren auch präsentieren können, bei Humidoren für den Gastrobereich ist das besonders wichtig. Zudem treten bei einer Glastür keine Probleme im Zusammenhang mit der Feuchtigkeit auf.

Die Schreinerei Odermatt hat zum Beispiel ein Modell im Angebot, das sich in USM-Möbel integrieren lässt. Dessen Glasklappe ist in einem Rahmen aus Massivholz eingefasst. «Da brauchte es ein paar Versuche, bis wir eine Lösung hatten, die sich nicht verzieht und optisch ansprechend ist», erzählt Jürg Odermatt.

Aktiv befeuchten

Bei den Befeuchtungsgeräten setzen die drei Schreinereien überwiegend auf aktive Lösungen. Das heisst, sie sind mit Wasserbehälter, mehreren Ventilatoren, elektronischen Steuerungen und Sensoren ausgerüstet. Eine im Wasserbehälter befindliche Filtermatte verdunstet dafür das Wasser, ein Ventilator verteilt die feuchte Luft. Ein zweiter Ventilator wälzt die Luft im Humidor in gewissen Zeitabständen um. Feuchtigkeit und Intervalle können dank der Steuerung individuell angepasst werden. Anders ist es beinahe unmöglich, im gesamten Innenraum für ein gleichbleibendes Klima zu sorgen. Werden die vorgegebenen Werte nicht eingehalten, ertönt ausserdem ein Alarmton. Solche Geräte haben natürlich ihren Preis, und es wird auch ein Steckdosenanschluss benötigt.

Aber alle drei Schreiner sind sich einig: Die günstigen Tischhumidore mit kleinen, passiven Befeuchtungselementen und einfachen Hygrometern sind für die Langzeitlagerung von Zigarren ungeeignet. «Passive Systeme haben einfach zu wenig Leistung, und die Hygrometer sind zu ungenau», erklärt Remo Marc Nüesch.

Wie Jürg Odermatt erzählt, lässt auch die handwerkliche Qualität der Kästchen oft zu wünschen übrig: «Wir waren an der Tabakwarenmesse in Dortmund, da sieht man schon sehr viele preiswerte Produkte, die wohl nicht lange halten.» Deshalb etablieren sich die Schreinereien auch hauptsächlich im Bereich von eher grösseren, hochwertigen Humidoren.

Eigenes System entwickelt

Remo Marc Nüesch ging sogar so weit, dass er für seine Humidore zusammen mit einem Ingenieur ein Befeuchtungsgerät entwickelte. Dieses fertigt Nüesch selber in seiner Schreinerei, inklusive Einbau sämtlicher elektronischer Komponenten. «Bei den auf dem Markt erhältlichen Systemen hat mich immer das eine oder andere Detail gestört», begründet Nüesch. Nebst den bereits genannten Funktionen verfügt sein Modell zum Beispiel über eine spezielle UVC-Lampe. Sie sorgt dafür, dass sich im Wasserbehälter keine Algen oder Keime bilden. Dadurch kann für die Befeuchtung gewöhn- liches Leitungswasser verwendet werden. Bei anderen Lösungen wird die Keimbildung beispielsweise über die Zugabe einer Desinfektionslösung verhindert.

Nüesch testet ausserdem alle seine Humidore vor der Auslieferung während zweier Wochen. Ein extra gekauftes, hochpräzises Messgerät zeichnet dabei das Innenraumklima auf. Der Kunde erhält dann ein Prüfprotokoll mit den Daten.

Die verwendeten Beschläge und Einbauleuchten müssen natürlich mit dem Klima im Humidor zurechtkommen. Zudem darf kein Abrieb, Fett oder sonstiges Material auf die Zigarren gelangen, das diese verunreinigen würde.

Kombinationen erwünscht

Oft wünschen die Kunden auch einen Humidor in Kombination mit anderen Elementen. Das reicht von der Ablagefläche für die benötigten Rauchutensilien über Möglichkeiten, den passenden Whisky daneben zu lagern, bis hin zum Weinkühler. Selbstverständlich bieten die Schreiner auch entsprechende Accessoires wie Aschenbecher oder Tabletts aus Holz an.

Gemäss Walter Rüegg werden zum Beispiel bei Humidoren für Raucherlounges oft Lösungen mit separaten, abschliessbaren Fächern verlangt: «So können die Stammgäste ihre Zigarren und Utensilien vor Ort aufbewahren.» An einem speziellen Modell arbeitet zurzeit Remo Marc Nüesch: Nebst den Zigarren sollen auch antike Golfschläger bei einer konstanten Luftfeuchte gelagert werden. Der Schlägerschaft besteht hier ebenfalls aus Holz. Schwindet dieser zu stark ab, besteht die Gefahr, dass sich der Schlägerkopf löst.

Genau diese Individualität, das Entwickeln und Tüfteln, reizt die Schreiner beim Bau von Humidoren. Zudem gelangt man durch die Zigarrenraucher an neue Kundenkreise, wodurch allenfalls weitere Aufträge winken.

Auch für die Schreiner in der Produktion ist es eine schöne Abwechslung. Es kommt viel Massivholz und Furnier zum Einsatz, die Auswahl und Sortierung des Holzes unter Berücksichtigung des Schwindens und Quellens hat einen hohen Stellenwert – klassische Schreinerarbeit eben.

www.nuesch-humidore.comwww.humidordesign.chwww.schreiner-profi.chwww.astac.ch

ph

Veröffentlichung: 28. Januar 2016 / Ausgabe 4/2016

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