Schönheit, die von innen kommt


Wandhängendes Küchensystem und Kochtisch: Am Messestand von Schüller Küchen an der diesjährigen Living Kitchen verfliesst die Grenze von der Küche zum Wohnraum. Bild: Schüller Möbelwerk
Wandhängendes Küchensystem und Kochtisch: Am Messestand von Schüller Küchen an der diesjährigen Living Kitchen verfliesst die Grenze von der Küche zum Wohnraum. Bild: Schüller Möbelwerk
Innenbeschläge. Küchen funktionieren unter anderem dank ausgeklügelten Beschlägen. Diese machen zurzeit den Trend hin zur offenen Wohnküche möglich. Doch nicht alle an Messen sichtbaren Beschläge erhält man im Handel. Grosse Küchenhersteller testen dort auch Prototypen.
«Form follows function»: Mit der Aussage, die Louis Henry Sullivan vor über 100 Jahren in Zusammenhang mit Architektur aufgriff, warf er die Funktionalismus-Debatte an. Unter Funktionalismus versteht man, dass die Schönheit in Architektur und Design sich primär aus der Funktion ergibt.
Gute Beschläge definieren sich ähnlich. Sie sollen in erster Linie funktionieren statt auffallen. Sie nehmen sich dezent zurück und bieten dem Benutzer dabei optimalen Komfort. Zwar können gute Beschläge auch sicht- bar sein, wenn sie aus gestalterischen Gründen ihre innere Mechanik zur Schau stellen sollen – meist wirken sie gerade bei Küchen aber im Stillen, um den wesentlichen Nutzen des Möbels nicht zu konkurrenzieren.
Von funktional bis verspielt
Der primäre Nutzen einer Küche ist es nun einmal, den Koch oder die Köchin bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Dies allerdings geschieht nicht immer auf dieselbe Weise. An Einrichtungsmessen sind zwei gegensätzliche Trends zu beobachten. Einerseits die Elektrifizierung als unterstützendes Element: sich wie von selbst öffnende Schubladen, höhenverstellbare Arbeitsplatten, die auf Knopfdruck dem entsprechenden «User» angepasst werden können, vollautomatische Backöfen, welche die optimale Zubereitungsart für das gewünschte Gericht bereits kennen, Induktionskochfelder, bei denen es keine Rolle mehr spielt, wo genau man den Topf aufsetzt, sowie sich raffiniert öffnende Klappmechanismen.
Demgegenüber steht eine Rückbesinnung auf die archaischen, wesentlichen Funktionen, auf schlichte, aber einwandfrei arbeitende Mechanik und Technik. Gaskochfelder erhalten den Vorrang vor Induktion; sanft laufende, stabile Auszüge öffnet der Benutzer wieder von Hand, Konstruktionen bestehen aus ehrlichen, massiven Naturmaterialien wie Holz, Keramik, Stein oder Metall.
Die grosse Herausforderung für die Unternehmen der Küchenbranche besteht nun darin, die unterschiedlichen Ansätze miteinander sinnvoll zu gefälligen Konzepten zu vereinen. Dabei nutzen viele Hersteller moderne Technologien, ohne Bekanntem und Bewährtem abzusagen.
Dass sich die Küche zum Wohnbereich hin öffnet, ist als Trend nicht unbekannt. In letzter Zeit findet man jetzt aber vermehrt offene Küchen, die den Wunsch von Kunden und Architekten umsetzen. Das geschieht einerseits mit modularer Bauweise, die es erlaubt, klare Grenzen aufzubrechen. Un-terbauten gehen in Sideboards über, Oberbauten werden zu Hängeschränken, welche auch im Wohnzimmer eine Funktion erfüllen. Andererseits ist zu beobachten, dass kubische Küchenformen von Designern bewusst aufgebrochen und damit leichter gestaltet werden. Kochinseln bieten sich hierfür an. Neue Versionen wirken leicht, erinnern eher an Tische als an herkömmliche Kochstätten. Dabei verwendet man – zur Freude des Schreiners – für das Untergestell gerne Massivholz.
Dass gebrochene Formen Leichtigkeit ausstrahlen und vor allem Übergänge darstellen, ist indessen eine alte Gestaltungsweisheit. Sie widerstrebt jedoch dem Funktionalismus-Gedanken. Zu beobachten sind solche Formen bei Pflanzen, die sich zum Himmel hin verästeln. In Design und Architektur hat man dieses Prinzip stets mit Ornamenten darzustellen versucht.
An der diesjährigen Living Kitchen fiel bezüglich aufgebrochenen Formen unter anderen das Konzept «Next125» von der Schüller Küchen KG auf. Es erhielt nicht nur für das wandhängende Küchensystem einen Interior Innovation Award, sondern gleich auch für den dazugehörenden Kochtisch, dessen Gestell durch eine keramische Abdeckung ergänzt wird. Bei beiden spielen Beschläge eine wichtige Rolle. Und gleich noch einen versteckten Beschlag gibt dieselbe Küche preis: Schliesst man den Kühlschrank hier aus Versehen nicht vollständig, übernimmt das Türband dies nach vier Sekunden automatisch. Das verheissungsvolle Teil ist allerdings ein Prototyp, versichert Stefan Kohler, Schweizer Ansprechpartner von Schüller. Die Messe in Köln werde genutzt, um abzuklären, ob die Idee bei den Kunden überhaupt Anklang finde. Auch der Entwicklungspartner Blum hält sich mit Angaben über den möglicherweise neuen Beschlag zurück. Es handle sich um eine Sonderlösung des «Servo-Drive». Diese sei aber nicht im Handel erhältlich. Vielmehr präsentiert der österreichische Beschlägehersteller gegenwärtig den Vorratsschrank «Space Tower». Er ist beliebig breit planbar und ermöglicht damit, vorhandenen Stauraum in Küchen optimal zu nutzen. Konkurrent Hettich stellt das Auszugsystem «ArciTech» vor. Für Holzschubladen sei der «Quadro»-Auszug aber weiterhin die bewährte Führung, versichert Nina Stackelbeck, Marketingleiterin bei Hettich.
Dem Trend hin zu Wohnküchen trägt die deutsche Häcker Küchen GmbH mit dem multifunktionalen «Moving Table» Rechnung. Herzstück der archaisch anmutenden Kochinsel ist der verschiebbare Granittisch. In geschlossenem Zustand schützt er das Induktionskochfeld; ausgefahren dient die schwere, bis zu 2,4 m lange Steinplatte als Küchentisch. Solche Dimensionen verlangen nach leistungsfähigen Führungen. Auf der Suche nach solchen ist Häcker im Maschinenbau fündig geworden. Die Beschläge sind verständlicherweise nicht im Fachhandel erhältlich. Zu den Details hält sich der Entwickler ebenfalls bedeckt.
Eine neue Form von «Öffnen und Schliessen» hat derselbe Produzent mit dem Produkt «Climber» gefunden. Der motorisierte Lamellenverschluss ist für Oberbauten geeignet, die sich damit besonders effektvoll öffnen lassen. Auch diesen Beschlag findet man vorerst noch nicht im Handel.
Auf den Reiz des Versteckten baut die Warendorf Küchen GmbH mit «Hidden Kitchen». Was in geschlossenem Zustand wie eine oxydierte Metallwand aussieht, lässt sich per Knopfdruck öffnen. Über eine Breite von 5 m schwenkt der Klappbeschlag auf Wunsch mittels überdimensionaler Scharniere nach oben. Ein Speziallack mit Eisenpartikeln verleiht dem Küchenschrank die rostige Oberfläche.
Gänzlich aufgelöst scheint sich der Verschluss der Backöfen von Gaggenau zu haben. Hier ist Design fast nur noch hörbar. Der ausgeprägte, wohlklingende «Blop», der beim Schliessen der Backofentür ertönt, wird im Soundlabor entwickelt. Da stellt man sich doch gleich die Frage, wann Konsumenten und Hersteller auch das Schliessen von Küchenschränken akustisch mitbestimmen.
www.next125.dewww.haecker-kuechen.comwww.warendorf-kuechen.chVeröffentlichung: 07. März 2013 / Ausgabe 10/2013
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