«Sie läuft 63 Stunden pro Woche»

Obwohl die BS Fenster- und Türenbau AG deutlich mehr in Maschinen und Software investierte als geplant, zahle sich der hohe Einsatz nun aus, sagt Ivan Stofer. Bild: Reto Schlatter

CNC.  Investitionen sind finanziell wie planerisch ein grosser Lupf. Das war auch bei der BS Fenster- und Türenbau AG in Sursee so, als sie ihr neues Bearbeitungszentrum anschaffte. Was es alles braucht, damit die Rechnung aufgeht, erklärt Geschäftsleitungsmitglied Ivan Stofer.

Ein CNC-Bearbeitungszentrum (Baz) bildet das Herzstück in der Produktion der BS Fenster- und Türenbau AG in Sursee LU. Dieses Baz ist in der Schweiz aussergewöhnlich, da mit ihm sowohl Fenster wie auch Türen produziert werden. Ivan Stofer, Leiter Fensterbau und Service sowie Mitglied der Geschäftsleitung, sagt, welche Überlegungen zu diesem 3,3-Millionen-Franken-Projekt geführt haben.

Schreinerzeitung: Herr Stofer, wenn man die Produktionshalle der BS Fenster- und Türen AG betritt, kann man das CNC-Bearbeitungscenter nicht übersehen. Ist alles um dieses aufgebaut?
Ivan Stofer: Ja, das kann man so sagen. Die Maschine bildet seit ihrer Inbetriebnahme das Zentrum unseres Projektes in der Produktion. Wir wollten in Richtung Industriedenken gehen. Der Prozess hat mit dem Betrieb eines neuen ERPs von Triviso begonnen. Zwei Jahre später nahmen wir die neue Hobellinie in Betrieb, danach eine neue CNC-Rahmen/Flügel-Verleimanlage und die grosse CNC.
Um was für eine Maschine handelt es sich? Haben Sie Eckdaten, damit man sich das besser vorstellen kann?
Es ist das Modell BMB 925 von Homag, ein CNC-Bearbeitungszentrum der grössten Dimension. Das heisst, es verfügt über fünf Frässpindeln, hat 204 Werkzeugplätze, wovon derzeit 181 genutzt werden. Benötigt werden 800 Liter Wasser zum Kühlen der Frässpindeln. Die Maschine fräst rund 54 000 Teile pro Jahr und läuft bei uns etwa 63 Stunden in der Woche. Sie hat sowohl eine Stabbearbeitung für Fensterkanteln wie auch einen Flächentisch auf der anderen Seite.
So ein Gerät kann kaum einfach in Betrieb genommen werden. Können Sie vom Projekt erzählen?
Die grösste Arbeit war, die Maschine zu programmieren, damit sie sowohl für den Fenster- als auch den Türenbau einsetzbar ist. Wir produzieren zu drei Vierteln Fenster und zu einem Viertel Türen. Wir haben es geschafft, mit nur einer branchenspezifischen technischen Software sämtliche Daten auf das Bearbeitungszentrum zu spitzen. Das ist vollkommen aussergewöhnlich in der Schweiz.
Mit welcher Software?
«Look 3E», eine Software, die vor allem in der Fensterbranche bekannt ist. In die Software mussten wir Erweiterungen integrieren, damit auch Türblätter mit allen Ausschnitten gefräst werden können. Diese direkte Anbindung ist das Revolutionäre am Projekt.
War es schwierig, das passende Baz zu finden?
Ja, wir haben viel Zeit investiert. Wir waren an der Maschinenmesse in Nürnberg und bei verschiedenen Herstellern. Vor allem musste es auch in unsere Räumlichkeiten passen. Als Homag mit der BMB-Linie kam, waren wir uns sicher. Und wir profitierten von einer Einkaufsgemeinschaft.
Wie meinen Sie das?
Wir stellen Fenster des Typs «Vision 3000» her und bilden mit anderen Produzenten eine Innovationsgruppe. Als wir uns Gedanken über die Anschaffung machten, fragten wir bei den anderen nach, ob sie auch Investitionsbedarf hätten. Am Schluss bestellten wir zusammen vier CNC-Maschinen in unterschiedlichen Grössen.
Hatten Sie beim Projekt externe Hilfe?
Ja, ohne Linus Oehen von der Beratungsfirma Tre Innova wäre es deutlich schwieriger geworden. Er hat ein riesiges Wissen über Maschinentechnik und hat eine auf uns zugeschnittene Lösung entwickelt. Während des Projekts waren immer die gleichen Player im Boot: Neben Oehen waren dies Homag, die Programmierer von 3E und Oertli, der Hersteller der Werkzeuge.
Haben Sie in der Innovations- gruppe noch Weiteres zusammen bewerkstelligt?
Ja, das Menügerüst – also, welche Teile wir brauchen, wie die Werkzeuge aussehen sollen und welche Schnitte benötigt werden. Das sind wir zusammen angegangen und haben eine grosse CAD-Bibliothek gezeichnet und aufgebaut. So ist die perfekte Schnittbibliothek für unser Werkzeugkonzept entstanden. Das war die erste grosse Aufgabe. Bei uns zusätzlich auch für den Türenbau. Das benötigte rund zwei Jahre Vorlaufzeit.
Und wer hat die Entwicklungsarbeit im Betrieb gemacht?
Wir hatten das Glück, dass mein Cousin, Fabian Stofer, Lust auf etwas Neues hatte. Er hat sich täglich zu 100 Prozent mit dem Projekt beschäftigt. Er war der perfekte Sachbearbeiter, ging in die Tiefe, durchdachte und programmierte alles. Als Schreiner weiss er, was es braucht. Es war wichtig, dass wir ihn vom Alltagsgeschäft abschotten konnten. Diese Arbeit ist viel wert. Natürlich hätten wir das auch einkaufen können. Doch ich rate jedem Unternehmen, einen internen und vertrauensvollen Mitarbeitenden mit dem Programmieren zu betrauen.
Nachdem die Bibliotheken standen, konnte dann die Maschine geliefert und installiert werden?
So einfach war das nicht. Wir mussten den Boden verstärken, damit dieser die zehn Tonnen der CNC trägt. Ein neuer Stromverteilkasten musste her und auch das Layout der Produktion wurde überarbeitet.
Musste die Produktion in dieser Zeit ruhen?
Nur eine Woche. Zuerst haben wir alle bisherigen Maschinen ins Kaltlager transferiert, um während des Umbaus dort arbeiten zu können. Alle wussten, dass das klappen musste. Es gab keinen Plan B.
Und wie verlief der Einstand?
Das Baz wurde bei Homag in Deutschland zusammengebaut. Mein Cousin und ich sind hingefahren und haben es gut einen Monat lang eingefahren. Als es dann im Betrieb stand, war die Freude gross. Ich habe ihm täglich zugeschaut.
Fiel es auch mal aus?
Ja, sicher. Im ersten Jahr gab es den einen oder anderen Unterbruch. Mal stand die Maschine still, mal führte ein Crash zu defekten Werkzeugen oder Spannzangeneinrichtungen. Der längste Stillstand dauerte vier Tage. Wir müssen also auch heute noch schauen, dass wir von der CNC her einen Puffer haben, damit bei einer Störung die restliche Produktion nicht beeinträchtigt wird. Zudem schauen wir, dass wir wichtige Ersatzkomponenten an Lager haben.
Wurde viel Ausschuss produziert?
Es geht. Zum Einfahren im Betrieb haben wir sicher eine Camion-Ladung Holz durchgelassen. Herausfordernd war vor allem der Türenbau, da die Software von 3E ja angepasst werden musste, und das bei scharfer Produktion. Es war ein längerer Prozess.
Wie sind die Mitarbeitenden mit der Umstellung umgegangen?
Gut. Einige hatten zuerst Angst um ihre Stelle. Für die Angestellten haben sich die Prozesse stark verändert. Sozusagen vom Handhobel zur höchsten CNC-Technik, die man sich in einer Schreinerei vorstellen kann. Wir haben unsere Leute von Beginn weg informiert und auf die Reise mitgenommen. In der Oberflächenabteilung, der Glaserei und dem Metallzuschnitt hat sich jedoch kaum etwas geändert.
Haben alle mitgemacht?
Ja, grundsätzlich schon. Leider hatte der Hauptmaschinist uns nach einem halben Jahr aus gesundheitlichen Gründen verlassen. Es musste also wiederum neues Personal rekrutiert und eingeschult werden. Es braucht Leute, die der Technik vertrauen und in den Prozess hineinwachsen. Am Anfang brauchte es bei gewissen Mitarbeitenden einiges an Überzeugungsarbeit, doch heute glauben alle an unseren Weg.
Benötigen Sie weniger Angestellte?
Nein. Wir haben niemanden entlassen. Es hat eine leichte Verlagerung ins Büro gegeben. Wir brauchen mehr Manpower bei der Datentechnik und dem Programmieren. Ein anderes Beispiel: Derjenige, der früher geleimt hat, ist heute Allrounder.
Wie viele Personen bedienen das CNC-Bearbeitungscenter?
Wir beschäftigen drei Maschinisten. Sie arbeiten in einer Jobrotation. Während einer das Baz bedient und beim Hobeln ist, ist der andere beim Verleimen im Einsatz. So haben sie Abwechslung und wir haben die Stellvertretung geregelt. Der Produktionsleiter bedient die CNC nur im Notfall. Er ist sonst mit dem Datenmanagement, der Planung und Überwachung beschäftigt.
Wie viel haben Sie in dieses Projekt investiert?
Rund 3,3 Millionen Franken. Davon 1,1 Millionen für die Homag. Die Werkzeugkosten machten rund eine halbe Million Franken aus. Wir kauften zudem eine Hobelmaschine und einen Verleimautomaten, beides von Weinig. Am Schluss kostete das Projekt eine Million mehr als gedacht. Doch wir haben bis zum Verleimen alle Posten durchgedacht und stellen nun hochqualitative Fenster her. Viele sind nicht Standard. So können wir uns von den Mitbewerbern abheben. Ein Viertel der Fenster entspricht noch dem Angebot von früher. Der Rest ist neu.
Dann haben sich die Anschaffung und der Aufwand gelohnt?
Ja. Zu Beginn zahlten wir zwar Lehrgeld. Doch heute machen wir mehr Umsatz und generieren eine grössere Wertschöpfung. Das Projekt ist betriebswirtschaftlich ein Erfolg. Im Verkauf sind wir sicherer geworden, was den Aufwand betrifft. Es ist egal, ob wir nur 1 Stück oder 100 herstellen. Es gibt kaum ein Fenster oder eine Tür, die wir nicht rechnen und produzieren können. Die Architekten verlangen immer öfter neue und spezielle Varianten. Darauf haben wir uns eingerichtet.

Zum Unternehmen

Fenster und Türen aus Sursee

Bruno und Romy Stofer gründeten 2001 in Sursee die BS Fenster- und Türenbau AG. Ivan Stofer gehört seit 2012 zur Geschäftsleitung und leitet die Fensterabteilung und den Service. Der Türenbau wird von Marco Wüst geleitet. Das Unternehmen beschäftigt 60 Angestellte, davon sind aktuell 3 Lernende. Knapp ein Drittel der Mitarbeitenden ist auf der Montage und im Service tätig. Der Fensterbau macht drei Viertel des Auftragsvolumens aus. Pro Jahr werden rund 4500 Fenster sowie 120 Aussen- und 3000 Innentüren produziert.

www.bs-sursee.ch

Nicole D’Orazio, ndo

Veröffentlichung: 13. Oktober 2022 / Ausgabe 41/2022

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