Systeme, die dem Schutz dienen

Ein Magnet hält die rahmenlose Pivot-Tür der Jos. Berchtold AG mit Fluchttür-Griff-platte in der Nische. Bild: Jos. Berchtold AG

Systemschutz.  Erst die Entwicklungsarbeit einzelner Firmen ermöglicht den Stand der Technik, den wir heute einsetzen. Nachahmungen und Abänderungen geprüfter Produkte können für Personen gefährlich werden, weshalb es sich lohnt, die geleistete Arbeit zu verstehen.

Schreinerkunden wollen oder benötigen häufig Dinge, deren Herstellungsverfahren oder zusätzliche Elemente, wie Beschläge, nicht allgemein bekannt oder verfügbar sind. Sobald für einen solchen Wunsch neue Entwicklungen gemacht werden müssen, die dann über etliche Versuchsreihen noch geprüft und zugelassen werden müssen, geht die Kosten-Nutzen-Rechnung für den Einzelfall nicht mehr auf. Interessant sind für den Normalfall jedoch Produkte, die nach allgemeinen Kenntnissen nachgebaut und an besondere Bedürfnisse individuell angepasst werden können – ein Angebot kann geplant und konkret berechnet werden, anderes machen die Spezialisten.

Entwicklungen, die alle akzeptieren

Wenn ein neues Türschloss auf den Markt kommt, kann jeder Schreiner davon ausgehen, dass erfahrene Spezialisten die Komponenten zu diesem mechanisch und auch elektronisch anspruchsvollen Produkt aufgebaut haben. Das Schloss wurde entsprechend den vorgegebenen Anforderungen geprüft, und selbst die Anzahl der erreichbaren Zyklen ist zertifiziert. Das schafft die Sicherheit, die es für den Tür-Auftrag braucht, und der Schlosshersteller haftet dafür, dass die Qualität auch effektiv stimmt. Dass sollte für ihn bei den selbstgefertigten Elementen gut möglich sein, da es sich um eine Serienfertigung in einem geschlossenen Arbeitsprozess handelt.

Türen, die mehr können müssen

Auch einige Schreiner entwickeln in diesem umfangreichen Sinn Produkte, die sie ebenfalls prüfen und zertifizieren lassen. Auch diese entstehen normalerweise nicht nur als einzelner Kundenwunsch, sondern werden anschliessend anderen Schreinern, Planern, Architekten und Bauherren angeboten. Gerade im Türenbereich gibt es diverse Funktionen, die eine Garantie brauchen, weshalb nicht einfach nach Erfahrungswerten konstruiert werden kann, sondern solche Türen speziell für die vorgegebenen Aufgaben entwickelt und zertifiziert werden müssen. Da geht es um Dinge wie beispielsweise Schalldurchgängigkeit, den Grad der Einbruchssicherheit, Schusssicherheit oder den Brandschutz. Das, was schriftlich versprochen wird, muss garantiert sein und auch funktionieren – ist das nicht so, haftet der Hersteller.

Gegen die Zerstörungskraft des Feuers

Bei Brandschutztüren werden, wie bei den Türschlössern, die Komponenten von erfahrenen Spezialisten zusammengestellt und die Konstruktion aufgebaut. Von der Anbindung an die Wand, den zu verwendenden Materialien, dem Türrahmen, dem Türblatt und allen eventuell gewünschten Beschlägen und damit auch allen notwendigen Fräsungen oder Kabelkanälen muss alles im Voraus exakt definiert und brandschutztauglich sein. Dann wird das Modell in der grössten gewünschten Abmessung gebaut, in einen feuerfesten Wanddurchgang in einer Zertifizierungsstelle eingebaut, mit vielen Messpunkten versehen und einer Brandprüfung unterzogen. Ist der Test negativ, weiss man immerhin, wo die Schwachstellen liegen und kann wieder von vorne anfangen – bis alles stimmt.

Qualität, die man kaufen kann

Derart aufwendige und kostspielige Entwicklungen, wie etwa von Brandschutztüren, können nur von spezialisierten Firmen geleistet werden, welche diese Türprodukte selber vermarkten oder im Auftrag für andere Schreiner herstellen. Oder aber sie vergeben Lizenzen, wie der VSSM in Wallisellen ZH, damit Schreiner exakt den Vorgaben entsprechende Türen herstellen und montieren können. Als Prüfausweis muss eine Kennzeichnung am Türblatt angebracht werden, die unter anderem die Nummer der Anerkennung durch die Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen (VKF) angibt. Das jeweilige Produkt muss zu jeder Zeit genau dem Prüfdokument entsprechen. Viele Produkte ergeben somit sehr viele Prüfungen.

Es gibt keine Kavaliersdelikte

Rechtlich gilt die Prüfplakette als Urkunde, ist vom Rechtsdienst des VSSM zu vernehmen. Entsprechend führt eine Vorspiegelung falscher Tatsachen zu zivilrechtlichen Folgen – und das selbst bis zu zehn Jahren und länger nach Abnahme einer Tür durch den jeweiligen QS-Verantwortlichen Brandschutz. Ausser dem sofortigen Rückbau und korrekten Ersatz auf Kosten des Fehlbaren und der im Lizenzvertrag vorgesehenen Vertragsstrafe können im Brandfall auch Haftpflichtansprüche geltend gemacht werden. Strafrechtlich kann der Fehlbare sowieso wegen Betrug, Urkundenfälschung, Warenfälschung oder Verletzung der Regeln der Baukunst belangt werden – ganz zu schweigen, was im Ernstfall bei Körperverletzung noch hinzukommen kann. Auch ohne Brandfall kann nur schon bei Stichproben, die man beispielsweise bei einer Nutzungsänderung macht, strafbares Verhalten entdeckt werden.

Erfindungen für neue Möglichkeiten

Gerade bei den Herstellern von Türen gibt es Firmen, die ein sehr grosses Entwicklungsengagement haben. Die Jos. Berchtold AG aus Zürich ist beispielsweise bekannt für sehr grosse Türen, die dann besondere Anforderungen an die Beschläge stellen. Und auch ihre Brandschutztore verfügen über funktionelle Möglichkeiten, wie faltbare Teilelemente, die nicht einfach bei einem anderen Hersteller erhältlich sind.

In der Firma ist eine eigene Entwicklungsabteilung mit Problemlösungen, deren Umsetzung zu Produkten und den Prüfverfahren dazu beschäftigt. Auf diese Weise sind schon Beschläge entstanden, die jeder Schreiner im Handel kaufen kann, aber auch brandschutztaugliche Pivot-Scharniere für Brandabschnittstore oder eben Schiebebeschläge mit mechanischer Vorrichtung für Falttürelemente. Dem Zeitgeist entsprechend ist auch die bündig in die Tür eingelassene Fluchttür-Griffplatte «Purros», womit die Tür wie mit einem Druckbalken geöffnet wird – geprüft und zertifiziert sicher. Solche Produkte sind bereits bei der Entwicklung sehr aufwendig und müssen anschliessend ja auch wieder mit den Türen geprüft werden, um zugelassen zu werden. Entsprechend werden solche Produkte dann auch patentgeschützt, um überhaupt sicherzustellen, dass sie am Markt angeboten werden können und sich der Aufwand auch rechtfertigt.

Das Kopieren von patentierten Produkten ist verboten, und Nachahmungen müssen beim Bekanntwerden unverzüglich entfernt und ersetzt werden, was dann für den Endkunden sehr unangenehm ist. Zudem ersetzt eine billige Kopie nicht das Original. Es ist daher nur fair, wenn man Bauherren rechtzeitig in Kenntnis setzt, wenn ihnen solche Produkte offeriert werden.

Brandschutz mit der uralten Originaltür

Eine der bedeutendsten Erfindungen der Jos. Berchtold AG ist eine Maschine, mit der alte Türblätter, trotz ihrer windschiefen Form, in einem Durchlauf so aufgetrennt werden können, dass sich die vollständigen Blattflächen auf eine feuerfeste Mittellage kleben lassen. Damit kann dann aus einem uralten Originaltürblatt eine zertifizierte Brandschutztür entstehen. Das Verfahren heisst «Heritage» und konnte schon bei so manchen historischen Bauten angewandt werden.

www.vssm.chwww.josberchtold.ch

Andreas Brinkmann

Veröffentlichung: 14. März 2024 / Ausgabe 11/2024

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