Verlängerte Hände für konstante Qualität

Immer griffbereit... Bild: Andreas Brinkmann

Sicherheit.  Damit die Bewegungsabläufe jederzeit souverän die maschinelle Produktion unterstützen können, braucht es durchdachte Hilfsmittel und Training wie beim Sport. Welche Hilfsmittel wirklich helfen und wie sie richtig angewendet werden.

Meterdick liegt der Schnee in vielen Skiorten, und so mancher kann es kaum erwarten, mit seinen «Brettern» einen wunderschön weissen Hang hinunterzuschwingen. Wer zurückdenkt, kann sich aber noch gut an die Anfänge erinnern. Dass es viel Geduld, gute Anleitungen und verbissenes Üben gebraucht hat, um selbstbestimmt und sicher fahren zu können. Am Schluss ist es dann wie Velofahren oder mit Messer und Gabel essen: Was man kann, verlernt man nicht mehr so einfach.

Was ist wirklich cool?

Das gleiche Prinzip gilt für jeden handwerklichen Beruf, denn es geht hier auch um das «Gewusst wie» und um das Trainieren von konkreten Bewegungsabläufen, bis diese unauslöschlich gespeichert sind. Schliesslich braucht jeder Kundenauftrag schon die ganze Aufmerksamkeit, um die gewünschte Qualität in einer guten Zeit hinzukriegen. Da wäre es schlicht zu anstrengend und unsicher, wenn man sich auch noch auf die Handstellungen und Körperhaltung beim Bedienen von alltäglichem Werkzeug und Maschinen konzentrieren müsste. Je mehr dort selbverständlich, einfach, immer gleich und richtig gemacht wird, desto mehr Energie bleibt für weniger Alltägliches. Souverän und cool ist nicht derjenige, der es nicht nötig hat, sich an Vorgaben zu halten, sondern derjenige, der aus seiner trainierten Routine heraus Dinge selbstverständlich und immer gleich durchziehen kann.

Wie ein Boxer im Ring

Bei jedem Training werden Lösungen schneller übernommen, wenn der Hintergrund verstanden worden ist. So manch einer hat sicher einmal am Anfang seiner Schreinerkarriere gelernt, dass er leichte Fäuste machen soll, wenn er in den Maschinensaal kommt. Nur, warum eigentlich? Alle Maschinen und deren korrekt eingestellte Schutzvorrichtungen sind so konstruiert, dass im Ernstfall eine Faust nicht bis zum rotierenden Werkzeug vordringen kann. Wenn also in Werkzeugrichtung keine Finger aus der Faust ragen, können sich diese auch nicht verletzen.

Martin Bossart arbeitet als Sicherheitsfachmann bei der Suva in Luzern und weiss, dass es immer noch viele Schreiner gibt, die sich am Daumen der rechten Hand verletzt haben. Das hat dann wohl damit zu tun, dass sie eine ganz wichtige Regel nicht verinnerlicht haben: Die Hände sind immer und in jeder Situation mindestens faustbreit vom Werkzeug entfernt. Das tönt logisch, nur wie trennt man dann eine schmale Leiste schnell und absolut sauber an der Tischkreissäge in Längsrichtung auf? Klar, das weiss jetzt jeder. Aber woher kommen dann die verletzten Daumen?

Martin Bossart weist darauf hin, dass nebst diesem Sicherheitsabstand vier weitere Punkte den wirklichen Profi ausmachen:

  • Eine konforme, funktionstaugliche Maschine.
  • Die richtige Wahl der Arbeitsmittel und deren richtige Einstellung.
  • Die Schutzeinrichtungen richtig verwenden und einstellen.
  • Eine jederzeit korrekte Handstellung – das muss wirklich trainiert werden.

Zu jeder Zeit das Richtige griffbereit

Die Generation, die aktiv im Arbeitsleben stand, als die Stossholzgriffe der Suva eingeführt wurden, ist längst in Rente gegangen. Das spezielle Stossholz der Kehlmaschine sowie das Seiten- und das Längsstossholz der Tischkreissäge sind seit vielen Jah- ren Pflicht. Sie müssen zwingend bei der jeweiligen Maschine griffbereit positioniert sein.

Alternativen wie der deutsche Schiebestock werden geduldet, aber als Ersatz nicht akzeptiert. Der hat nämlich ähnliche Mängel wie besagter Daumen: Durch die fehlende Tischauflage kann er vom Werkstück abrutschen, und durch den Kontakt mit dem Sägeblatt bei schmalen Leisten reduziert sich seine Mitnahmekerbe, wodurch ein Halten kaum noch möglich ist.

Seitenstossholz

Damit die Schutzhaube bis auf das Werkstück heruntergelassen werden kann, darf der Längsanschlag oder die schiebbare Beilage im Bereich der Haube nur 15 mm dick sein. Entsprechend sollten natürlich die beiden Stosshölzer auch nur 15 bis 20 mm dick sein. Wenn der Längsanschlag standardmässig immer liegend montiert ist, verschafft das mehr Bewegungsfreiraum auf der rechten Seite des Blattes.

Das Seitenstossholz hat mit seinem Grundmass von 140 × 140 mm einen Griffausschnitt, der eine schnabelartige Spitze bildet. Diese dient dazu, Restholzstreifen vom laufenden Sägeblatt wegnehmen zu können. Die Spitze sollte daher auch immer nach vorne zeigen. Mit dem eher kleinen Brett ergibt sich eine gute seitliche Führung, ohne zu verkanten. Und doch ist es gross genug, um allenfalls bis an das Sägeblatt zu kommen, ohne dass die Hand je gefährdet wird. Der konstante Seitendruck direkt vor dem Blatt ergibt einen Top-Schnitt ohne Riefen.

Längsstossholz

Mit einer Länge von 300 bis 400 mm und einer Breite von 80 bis 100 mm  ist das Längsstossholz so lang, dass es so weit unter die Haube geschoben werden kann, bis das Werkstück zwei Finger dick über den Durchtrennpunkt reicht. Damit ist die Vorderkante einen Finger weiter, als der Längsanschlag sein darf. Geht dieser nämlich weiter in den Blattbereich, kann eine Leiste, die Spannungen aufweist, zwischen Anschlag und Blatt verklemmen. Die genaue Schnittbreite ist so nicht mehr gegeben, und es kann sogar zum Rückschlag kommen.

Die Stossholzbreite entspricht etwa einer Faustbreite. Ist das zu schneidende Brett breiter als das Stossholz, kann auf dieses verzichtet werden. Dann kann auch direkt mit der geschlossenen Faust geschoben werden – geschlossen, damit die Hand bei einem Abrutschen nicht ins Blatt geraten kann.

Plattenmaterial ab 200 bis 300 mm Breite kann in der Regel nicht mehr durch Spannungen stark aufgabeln und somit problemlos am Blatt vorbeigeschoben werden. Das Versetzen des Längsanschlages bis zum Blattende verunmöglicht dann zudem ein Verkanten beim Schieben.

Übrigens: Das maximal 350 mm lange, aber dafür 40 bis 50 mm dicke Stossholz ist ideal, um bei einer Besäumkreissäge Holzstreifen in Richtung Längsanschlag zu schieben. Auch dort muss es an zentraler Position jederzeit erreichbar positioniert sein.

Kehlstossholz

Bleibt also noch zu klären, warum das Stossholz an der Kehlmaschine eine Stufe hat und am besten aus Buche gefertigt wird.

Vom Gesamtmass 300 bis 350 mm mal 70 bis 80 mm wird ein Teil von 100 bis 120 mm Länge in der Dicke von 20 bis 25 mm für die Griffbefestigung belassen. Der ganze sonstige vordere Teil wird mit der Bandsäge auf 6 bis 8 mm Dicke geschnitten. So kann das Stossholz unter dem eingestellten Kehlschutzapparat mit Seitendruck hindurchgeschoben werden.

Buche spaltet schlecht, wodurch die Stabilität auch bei der geringen Dicke gegeben ist. Zwei Ausklingungen in den vorderen Ecken ermöglichen ein Einhängen an der Ecke des Werkstückes. Durch die Auflage auf dem Tisch und den schrägen Druck mit dem Stossholz, der auch in Richtung Anschlag geht, ist das zu bearbeitende Teil gut gefasst und ein Abrutschen nicht möglich. Ohne anzuschlagen kommt auch die Hand am Kehlschutzapparat vorbei, wodurch selbst kurze, schmale Leisten gleichmässig, vollständig durchgeschoben werden.

Noch etwas weiter gedacht

Eine Alternative zum Suva-Griff bietet seit einiger Zeit der deutsche Hersteller Aigner. Sein Griff «Quickly» kann an der unteren Kante von Stosshölzern aus Weichholz frei positioniert werden. Das hat zudem Vorteile bei Sonderstosshölzern wie zum Rundstäbeschneiden auf der Bandsäge oder zum Zapfenkehlen, um das Brett ausgewogener führen zu können. Die Spitzen bei diesem Griff werden nicht in das Holz hineingeschlagen. Der «Quickly» wird vielmehr mit den hinteren Spitzen an die Holzkante geschoben, der Griff nach unten gedrückt, und durch das Betätigen eines Hebels fahren die vorderen Spitzen in die Holzoberfläche. Sie ziehen die hinteren Spitzen gleich mit in die Kante hinein.

Normalität in der sicheren Handhabung und der schnelle Durchlauf in der maschinellen Bearbeitung war und ist für jeden Handwerker von zentraler Bedeutung. Davon profitiert nicht nur der Versicherungsgeber Suva, sondern jede Schreinerei. Das war auch beim Fototermin in der Schreinerei der Stiftung Ancora-Meilestei in der zürcherischen Forch gut zu sehen. Gerade das Ausbilden junger Fachkräfte gibt dem routinierten Mitarbeiter die Möglichkeit, seine antrainierten Automatismen erklärend weiterzugeben und für sich frisch zu halten. Profitieren tun damit alle – auch die Daumen.

www.suva.ch

ab

Veröffentlichung: 08. Februar 2018 / Ausgabe 6/2018

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