Verschachteln und zuschneiden

Mit einem Planierfräser wird die Opferplatte jeweils kalibriert. Bilder: SZ, Philipp Heidelberger

Fertigung.  In Nordamerika ist die Produktion mittels Nesting-Verfahren längst etabliert. Auch in Europa scheint dies vermehrt ein Thema zu werden. Im Kanton St. Gallen hat eine kleine Schreinerei auf diese Technik umgestellt und erzählt von ihren Erfahrungen.

Vor rund acht Jahren erschien in der SchreinerZeitung ein Artikel mit dem Titel «Nesting auf dem Vormarsch?». Die Schlussfolgerung damals war, dass wohl künftig auch in der Schweiz die Nesting-Technologie – also das Ausfräsen von Teilen aus ganzen Platten – eine grössere Verbreitung erfahren werde.

Einen Schritt vorwärts machen

Besucht man heute modern ausgestattete Schreinereien, trifft man fast ausschliesslich auf klassische Bearbeitungszentren (Baz) mit gewöhnlichem Konsolentisch. Allerdings nur fast: Im Frühling 2016 traf bei der Agosti Meier AG im st. gallischen Waldkirch eine neue «Pratix S22-31 C plus» von SCM mit Rastertisch ein. Die beiden jungen Unternehmer Angelo Agosti und Andreas Meier ersetzten damit das 13 Jahre alte vertikale Baz. Natürlich sei auch der Kauf einer neuen vertikalen Maschine ein Thema gewesen. «Damit hätten wir in unseren Augen aber keinen echten Schritt vorwärts gemacht», sagt Angelo Agosti.

Die Schreinerei mit sechs Mitarbeitern verfügt über eine Kantenanleimmaschine ohne Fügeaggregat und eine ältere «Striebig». Für eine Steigerung der Produktivität bei gleichbleibender oder besserer Qualität wären also auch in diesem Bereich Investitionen nötig geworden.

Mit einem Baz mit Konsolentisch und 5-Achs- Aggregat liesse sich zwar jedes Werkstück umfahren und somit die Kantenqualität sicherstellen. Dennoch hätte jedes Teil auf der Plattensäge zugeschnitten und einzeln auf dem Baz aufgelegt werden müssen. «So richtig effizient schien uns das auch nicht, zumal die Teile bei jedem Fertigungsschritt zwischengepuffert werden müssen», erzählt Angelo Agosti. In einem Betrieb mit begrenztem Platz ein nicht zu unterschätzender Faktor.

Ausserdem produziert die Schreinerei in erster Linie individuelle Schränke, Küchen und Möbel, oft mit lackierten Oberflächen. Vereinzelte Türen oder andere Spezialteile, zum Beispiel für den Brandschutzbereich, lässt man bei Agosti Meier schon länger beim Schreiner im Nachbardorf herstellen. «Dieser ist dafür viel besser eingerichtet, liefert Qualität, und das erst noch günstiger, als wir das mit unseren Möglichkeiten können», sagt Agosti.

Wenig Know-how in der Schweiz

Genau dieser Umstand dürfte dafür verantwortlich sein, dass die Nesting-Technologie in der Schweizer Schreinerbranche noch nicht sehr verbreitet ist. Die meisten Betriebe wollen mit einem universellen Baz eine möglichst breite Palette abdecken und so die Auslastung sicherstellen. In Waldkirch hingegen wurde der Entschluss gefasst, sich auf das Kerngeschäft zu fokussieren.

Also begann man, sich tiefer mit der Nesting-Technologie auseinanderzusetzen. Da es aber in der Schweiz bisher kaum klassische Schreinerbetriebe mit solchen Maschinen gibt, mussten die beiden Unternehmer bald feststellen, dass es schwierig ist, an Informationen und Referenzen zu kommen. Auch bei den Maschinen- und Werkzeughändlern gab es vergleichsweise wenig Erfahrungen, respektive man verwies auf Beispiele aus dem Ausland.

Also recherchierten die Schreiner aus Waldkirch weiter. Denn das Produktionsverfahren ändert sich grundlegend, insbesondere was die Eckverbindungen angeht. «Hier muss man vor dem Maschinenkauf wissen, wie die Verbindungen gelöst werden sollen», sagt Agosti. Viele Informationen und Beispiele gibt es aus Nordamerika, wo das Nesting-Verfahren weit verbreitet ist. Ebenfalls geklärt werden musste, mit welcher Software die Daten aufbereitet und an die Maschinensteuerung übergeben werden sollen.

Die Ecke überdenken

Sichtbar geschraubte oder verleimte Verbindungen im Schrank- und Korpusbau werden nun mittels Nut und Kamm ausgeführt. Diese Verbindung hat im Nesting den Vorteil, dass zwischen den ausgefrästen Teilen kein Platz für eine vertikale Bearbeitung benötigt wird. Sie ist ausserdem sehr präzise, benötigt keine zusätzlichen Werkzeuge und keine Dübel, die eingeleimt werden müssen.

Auf den ersten Blick etwas ungewöhnlich sieht es bei der Herstellung von lösbaren Eckverbindungen aus: Hier setzt man auf «Clamex»-Verbinder von Lamello. Überall dort, wo stirnseitig eine Nut nötig ist, muss zuerst eine Tasche ausgefräst werden, um die Kante für den «Clamex»-Fräser überhaupt zugänglich zu machen. Da stellt sich natürlich die Frage, ob sich dadurch der Verschnitt vergrössert und die Bearbeitungszeit verlängert. Angelo Agosti winkt ab: «Im Schnitt beträgt der Ausnützungsgrad 80 bis 90 Prozent. Je nachdem dauert es etwa 20 Minuten, bis aus einer Halbformatplatte alle Teile ausgefräst und bearbeitet sind.» Tatsächlich kein schlechter Wert, wenn man bedenkt, dass dadurch die Zeit für den separaten Zuschnitt komplett wegfällt. In der Zwischenzeit kann der Maschinist die Teile für die nächste Platte programmieren, Kanten anleimen oder Bauteile zusammenbauen. Bei einem Baz mit Konsolentisch wäre dies nur mittels einer automatischen Beschickung möglich.

Hat man Plattenreste, die noch verwendet werden sollen, verhält es sich ähnlich wie mit jedem anderen Programm für die Zuschnittoptimierung: Der Maschinist gibt die Masse ein, und das Programm errechnet mit den vorhandenen Teilen die effizienteste Aufteilung.

Eine Platte muss daran glauben

Eine Besonderheit beim Nesting ist der Einsatz einer sogenannten Opferplatte. Weil in den meisten Fällen beim Ausfräsen der Teile durchgefräst werden muss, würde ansonsten der Rastertisch aus Aluminium darunter leiden. Geopfert wird meistens eine MDF-Platte, weil sehr gut durch sie hindurch gesaugt werden kann und sie relativ günstig ist.

Beim ersten Einsatz der Platte wird diese auf den Rastertisch gelegt und mit einem Planierfräser planiert. Dieser Vorgang muss im Fall der Agosti Meier AG nach der Verarbeitung von etwa sieben Halbformatplatten wiederholt werden. Eine 19-mm-MDF lässt sich bis auf 5 mm abnutzen und genügt somit für die Bearbeitung von bis zu 70 Halbformatplatten. «In unserem Fall reicht das meistens für mehrere Wochen.»

Das Auflegen auf den Maschinentisch kann eine Person ganz einfach alleine bewerkstelligen: Dazu wurde ein Plattenwagen mit Kippfunktion gekauft. Damit lassen sich die Platten einfach aus dem vertikalen Regal nehmen und mit einem Handgriff auf den Maschinentisch legen. Eine Alternative wäre der Einsatz eines Krans gewesen, was aber aufgrund der baulichen Gegebenheiten wieder verworfen wurde.

Ein entscheidender Aspekt ist, dass die Maschine gut zugänglich ist, um die Halbformatplatten mühelos aufspannen zu können. Gemäss Angelo Agosti war dies auch der Hauptgrund für die Wahl der SCM-Maschine: «Von jenen, die noch in der Endauswahl standen, war dies die einzige, die komplett ohne jegliche Schutzgitter oder Lichtschranken auskommt.» Das gewählte Modell ist mit Bumpern ausgerüstet. Ein Punkt, der für jede kleinere und mittlere Schreinerei eine Rolle spielt und oft vernachlässigt wird.

Fertigungszelle der Zukunft?

Interessant kann die Nesting-Technologie auch für grössere Schreinereien sein, die über ein zweites Baz nachdenken. Oft kommen dafür vertikale Maschinen zum Einsatz, die zwar relativ kompakt und kostengünstig sind. Der Zuschnitt muss aber weiterhin auf einer Säge erfolgen, und es braucht einen Maschinisten, der das Baz permanent bedient. Verschiedene Maschinenhersteller haben deshalb in den vergangenen Jahren Fertigungszellen präsentiert, die aus einem zentralen, automatischen Plattenlager, einer horizontalen Säge und einem Nesting-Center bestehen. Die Maschinen können somit aus demselben Lager beschickt und die Teile eines Auftrages je nach Bearbeitung aufgesplittet werden. Einige Hersteller sprechen sogar von zweistelligen Wachstumsraten beim Nesting. Und die Automatisierung dürfte in Zukunft immer weiter voranschreiten.

In der Schweiz waren automatische Plattenlager und Beschickungen bis vor einigen Jahren kaum ein Thema. Mittlerweile gibt es aber zahlreiche Betriebe, auch kleinere, die in diese Technologie investiert haben. Warum also nicht gleich noch ein Nesting-Center damit beschicken?

Bei der Schreinerei Agosti Meier ist man überzeugt davon, mit der Fokussierung auf die Kernkompetenzen und dem Einsatz der Nesting-Technologie den richtigen Schritt für die Zukunft gemacht zu haben.

www.agostimeier.ch

ph

Veröffentlichung: 09. Februar 2017 / Ausgabe 6/2017

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