Vertikal die Produktion optimieren

Vertikale Bohr- und Bearbeitungszentren haben sich in der Schweizer Schreinerbranche etabliert. Bild: Biesse Group

CNC.  Vertikale Bearbeitungszentren haben in den letzten Jahren eine starke Weiterentwicklung erfahren. Von der vermeintlichen Einsteigermaschine haben sie sich zu wichtigen Stützen in den Produktionslinien entwickelt, die andere Bereiche entlasten oder ergänzen können.

Einsteigermaschine und geringer Platzbedarf – diese Begriffe halten sich nach wie vor hartnäckig, wenn es um vertikale Bearbeitungszentren (Baz) geht. Obwohl dieses Konzept an sich nicht neu ist, haben sich diese Maschinen in der Schreinerbranche erst in den letzten Jahren richtig etabliert.Mittlerweile dürften mehrere hundert solcher Maschinen in Schweizer Betrieben im Einsatz sein. Alleine die Homag Schweiz AG hat gemäss eigenen Angaben mittlerweile über 150 «BHX 055» ausgeliefert. Auch die Biesse Schweiz AG und die Weinig Holz-Her Schweiz AG sprechen von einer durchwegs positiven Entwicklung in diesem Segment.

Einsteiger oder nicht?

Inzwischen spricht aber kaum noch jemand von einer Maschine für Einsteiger. «Viele Kunden, die ein vertikales Baz kaufen, haben bereits eine horizontale Maschine und somit Erfahrung in diesem Bereich», sagt Michael Gwerder, Gebietsverkaufsleiter von Biesse. Ob Einsteiger oder nicht, mehr denn je muss sich der Schreiner beim Maschinenkauf darüber im Klaren sein, was er genau produzieren will. Handelt es sich nur um Schränke oder Küchen, dann ist auch ein Beginner mit einem vertikalen Baz gut bedient. «Die meisten Schreiner wollen aber ebenfalls Türen und andere grosse Teile fräsen können. Da kommen diese Maschinen schnell an ihre Grenzen», sagt Gwerder.

Problematisch sind dabei nicht nur die Ausmasse der Teile, sondern auch deren Gewicht. Die Wahl fällt dann doch meistens auf eine gewöhnliche horizontale Maschine. Es gibt zwar auch grosse vertikale Baz, die teilweise sogar in der Industrie in verketteten Anlagen zum Einsatz kommen. Der Preisunterschied zum horizontalen Baz mit 5-Achs-Technologie ist dann aber nicht mehr besonders gross.

Auf das Wesentliche reduziert

Zudem muss für vertikale Modelle ebenfalls genügend Platz eingerechnet werden. Zwar ist die tatsächlich benötigte Stellfläche relativ klein. Wie bei anderen Durchlaufmaschinen braucht es am Anfang und am Ende der Maschine jedoch genügend Raum, um auch die längsten Teile gut beschicken zu können. Geht man von einer maximalen Teilelänge von 2500 mm aus, werden also über 5000 mm benötigt.

Gemäss Patrik Meyer von der Homag lassen sie sich eigentlich eher mit Bohrzentren vergleichen: «Sie können wenige Bearbeitungen effizient und präzise ausführen.» Dafür werden die Maschinen mit hochwertigen, aber auf das Wesentliche reduzierten Komponenten ausgerüstet. Dies wirkt sich natürlich positiv auf den Preis aus. Aus diesen Gründen werden in der Schweiz hauptsächlich kleine und mittlere vertikale Maschinen verkauft.

Kurze Rüstzeiten

Richtig dimensioniert und ausgerüstet, bieten vertikale Bearbeitungszentren mehrere Vorteile: Die meisten Modelle sind mit Spannzangen ausgerüstet, sprich es müssen keine Sauger platziert und die Werkstücke nicht an Anschlägen ausgerichtet werden. Dadurch ergeben sich sehr kurze Rüstzeiten und es gibt keine Sauger mehr, die beschädigt werden können. Ausserdem entfällt somit die Vakuumpumpe und der damit verbundene Energieverbrauch und der Wartungsaufwand. Kurz – die Betriebskosten können tief gehalten werden. Je nach Ausstattung gibt es Maschinen, die mit zwei Spannzangen ausgerüstet sind und somit beispielsweise auch ein Umgreifen ermöglichen. Da die Spannzangen unten angeordnet sind, können die Teile aber nur auf drei Seiten umfahren werden.

Eine Ausnahme bilden hier die Maschinen der «Evolution»-Baureihe von Holz-Her. Sie sind mit einem vollautomatischen Saugersystem mit Durchgangsbohrerkennung ausgerüstet. Mit der grössten Maschine der Baureihe können die Teile so auch vierseitig umfahren werden.

«Wir haben sogar Kunden, die Massivholzbearbeitungen auf der Maschine durchführen. Das sind natürlich Extrembeispiele, sie zeigen aber, was alles möglich ist», sagt der Geschäftsführer der Weinig Holz-Her Schweiz AG, Beat Haller.

Einfach in der Bedienung

Alle Maschinen sind mit einer automatischen Dickenmessung und mittlerweile auch mit einer Werkstücklängenerkennung ausgerüstet. Dadurch werden Kollisionen verhindert und es gibt neue Möglichkeiten in der Programmierung. Je nachdem können allfällige Toleranzen in der Werkstücklänge automatisch dort aufgefangen werden, wo sie nicht stören.

Dadurch sind die vertikalen Baz sehr einfach und sicher zu bedienen. Es muss nicht permanent ein CNC-Maschinist anwesend sein, jeder kann ein Werkstück auflegen oder abstapeln, insbesondere wenn mit Barcode gearbeitet wird.

Das Abstapeln geht übrigens auch leicht von der Hand: Nach der Bearbeitung transportiert die Maschine das Teil wieder zur Werkstückauflage. Der Maschinist muss also nicht wie bei einer normalen Durchlaufmaschine ständig um diese herumlaufen. Wie bereits erwähnt, gibt es mittlerweile auch Lösungen für die Industrie mit Materialpuffern, Beschickungen und Rückführanlagen. Solche Einrichtungen sind aber gemäss den Maschinenherstellern noch kaum ein Thema. Zum einen steigen dadurch die Kosten für die Anlage, zum anderen muss dann der gesamte Arbeitsablauf auf die vertikale Produktion eingestellt werden.

Wenige Funktionen, dafür schnell

Durchaus ein Thema ist hingegen das Einfräsen von Clamex-Verbindern. Alle Anbieter haben in der Zwischenzeit entsprechende Aggregate im Portfolio. Allerdings ist man hier wiederum gut beraten, sich zu überlegen, welche Bearbeitungen man tatsächlich auf dem vertikalen Baz machen will und muss. Denn diese Aggregate benötigen viel Platz, der bei so kompakten Maschinen äusserst wertvoll ist.

Hat die Schreinerei schon ein horizontales Baz in Betrieb, dann lohnt es sich eventuell, Aufträge aufzusplitten und jene Teile mit Clamex auf dieser Maschine zu fräsen. «Dafür kann man das vertikale Baz mit einem zusätzlichen Bohraggregat ausrüsten und so die Dübel- oder Reihenlochbohrungen wesentlich effizienter ausführen», sagt Patrik Meyer. In diesem Zusammenhang ebenfalls eine sinnvolle Option kann das automatische Dübeleintreiben sein. So ausgerüstet, ist ein Betrieb dann in der Lage, etwa jede Minute ein fertiges Korpus- oder Schrankteil herzustellen.

Darüber hinaus gibt es nun auch vertikale Baz, die mit einer C-Achse ausgerüstet werden können, welche somit ähnliche Funktionen bieten wie eine horizontale Maschine. Aber die Anlagen sind dann verständlicherweise vom Platzbedarf und vom Preis her nicht mehr weit voneinander entfernt.

In die Produktion integrieren

Zu einem bereits vorhandenen, horizontalen Bearbeitungszentrum kann eine einfach gehaltene vertikale Maschine also eine gute Ergänzung sein. So lassen sich die Materialflüsse aufteilen und Kapazitäten für komplexere Bearbeitungen auf der horizontalen Maschine freischaufeln.

Für Einsteiger können gut ausgerüstete vertikale Baz durchaus auch eine Alternative zur horizontalen Variante darstellen – sofern das Unternehmen primär Plattenbearbeitungen für Schränke und Korpusse durchführt.

So oder so, das Potenzial der Maschine kann nur ausgeschöpft werden, wenn sie richtig in den Produktionsablauf integriert wird. Dazu müssen auch der Zuschnitt und das Kantenleimen in den Prozess miteinbezogen werden.

www.homag.comwww.biesse.comwww.holzher.com

ph

Veröffentlichung: 20. April 2017 / Ausgabe 16/2017

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