Viele Wege führen zur Nullfuge

Bild: Philipp Heidelberger

Leimsysteme.  Die Frage, welches Nullfugensystem das beste ist, verkommt oft zu einer Glaubensfrage. Für Schreinereien lohnt es sich aber, die Sache nüchtern zu betrachten und auf das für den Betrieb am besten geeignete System zu setzen.

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Rund zehn Jahre ist es her, seit die beiden Maschinenhersteller Ima und Homag Kantenanleimmaschinen mit Laseraggregat auf den Markt brachten. Die Anbieter haben inzwischen verschiedene Nullfugentechno-logien im Angebot und vertreten ebenso viele Philosophien. Dasselbe gilt für die Schreinereien, die sich für eine dieser Schienen entschieden haben. Ebenfalls hineinspielen die Anbieter von Schmelzklebstoffen und Kantenmaterial. Für alle Seiten geht es dabei um viel Geld. Das Thema sorgt deshalb nach wie vor für viel Gesprächsstoff und manchmal auch Emotionen.

Laser brachte Entwicklungsschub

Tatsache ist, dass die Markteinführung der Lasertechnologie der Entwicklung in der Kantenanleimtechnik nochmals massiv Schub verliehen hat. Daraus hervorgegangen sind alternative Nullfugentechnologien mit Heissluft- oder Infrarotaggregaten. Ebenfalls nicht stehen geblieben sind die Anbieter von Schmelzklebern. Zwar kamen beispielsweise PU-Klebstoffe schon Jahrzehnte vor der Lasertechnologie in die Leimtöpfe der Kantenanleimmaschinen. Sie waren von Beginn an sehr beständig gegenüber Feuchtigkeit. Die Klebstoffe waren aber auch schwierig zu verarbeiten und enthielten viele Füllstoffe, was sich bei der Fugenqualität negativ bemerkbar machte.

Dank der stetigen Weiterentwicklung enthalten PU-, aber auch EVA-Kleber heute viel weniger Füllstoffe. Zusammen mit modernen Kantenanleimmaschinen sind dadurch wesentlich dünnere Leimfugen und somit optische Nullfugenqualitäten erreichbar.

Für den Schreiner stellt sich heute somit mehr denn je die Frage, auf welche Klebetechnologie er setzen soll. Leider gibt es darauf keine einfache Antwort. Die Kantenanleimmaschine war schon früher eine «Diva», als nur mit EVA-Klebern gearbeitet wurde. Heute lassen sich die Anlagen zwar einfacher und genauer einstellen, aber man muss trotzdem die Parameter im Griff haben. Zudem soll die Anlage für den jeweiligen Betrieb finanzierbar sein und rentabel betrieben werden können.

Uninteressant für das Handwerk

Die Lasertechnologie ist dabei relativ schnell aussen vor. Sie ist mit Abstand das teuerste System in der Anschaffung und im Unterhalt. Dafür lassen sich mit ihr enorm hohe Vorschubgeschwindigkeiten von 50 m/min und mehr realisieren. Zudem kann man den Laser exakt auf das jeweilige Kantenmaterial einstellen, und das innert kür- zester Zeit zwischen den jeweiligen Werkstücken.

Aus diesen Gründen ist die Lasertechnologie für die meisten Schweizer Schreinerbetriebe uninteressant. Die Stückzahlen sind schlicht zu tief, als dass sich so hohe Vorschubgeschwindigkeiten und Investitionskosten rechtfertigen liessen. Gemäss Homag Schweiz hat man bisher auch nur rund 20 Laseraggregate in die Schweiz geliefert. Diese sind überwiegend in den Bereichen Küchen-, Bad- und Büromöbel im Einsatz.

Mit Heissluft- und Infrarottechnologien haben die Maschinenhersteller die Nullfuge zwar auch für kleinere Betriebe erschwinglicher gemacht. Dennoch erfordert das Aufschmelzen von Kantenmaterial viel Know-how, und man muss die Parameter im Griff haben. So gibt es in der Branche immer wieder Gerüchte über Anlagen, die nicht richtig funktionieren, oder über Laserkanten, die nicht richtig halten.

Alle Faktoren beachten

Sehr oft haben solche Probleme damit zu tun, dass einer der zahlreichen Parameter nicht in Ordnung war. So ist beispielsweise ein perfektes Fügen der Plattenkante nicht nur für die Fugenqualität unerlässlich. Es hat auch einen grossen Einfluss auf die Wasserbeständigkeit. Denn durch mechanische Bearbeitungen entstehen feinste Haarrisse in der Dekorschicht. Durch diese kann dann Feuchtigkeit in den Kantenbereich eindringen. Die meisten, die eine Laser-, Infrarot- oder Heissluftanlage besitzen, verarbeiten Laserkanten deshalb nur bei Platten mit einer mindestens 0,5 mm dicken Dekorschicht.

Bei Heissluftaggregaten kommt hinzu, dass man die Erwärmung der Anlage, des Kantenmaterials und der Platte sowie den Energieverbrauch berücksichtigen muss. Hinzu kommen noch allgemeine Faktoren wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Staub im Maschinenraum oder die Qualität des Kan-tenmaterials selbst. Insbesondere bei dünnen Kanten von 1 mm und weniger kann es ansonsten vorkommen, dass sich die Grammatur der Spanplatte auf der Kante abzeichnet.

Schmelzkleber braucht es

Wer also mit dem Gedanken spielt, sich eine Kantenanleimmaschine mit Aggregat für Laserkanten zu kaufen, muss sich fragen, ob er den gesamten Prozess so gut im Griff haben kann und will, um einen störungsfreien und rentablen Betrieb bei hoher Qualität gewährleisten zu können.

Ausserdem braucht es in der Regel ohnehin noch ein Aggregat für Schmelzkleber. Denn nicht für jedes Dekor sind auch Laserkanten verfügbar, insbesondere wenn es um kleinere Mengen geht. Auch bei Massiv- oder Furnierkanten kommt man kaum um Schmelzkleber herum. Viele Schreinereien benötigen genau diese Vielfalt und Flexibilität. Zwei fix montierte Aggregate verlängern allerdings die gesamte Maschine. Verschiedene Hersteller wie beispielsweise Holzher haben deshalb Schnellwechselsysteme für Leimaggregate entwickelt. Ein Umstellen von Laser- auf gewöhnliche Schmelzkleberkanten ist ohne Weiteres möglich. Dennoch handelt es sich um eine Zusatzinvestition in ein zweites Aggregat.

Mehr Toleranz in der Verarbeitung

Vor diesem Hintergrund dürfte ein System mit Schmelzkleber für viele kleine und mittlere Schreinereien nach wie vor eine gute Lösung sein. In der Schweiz gibt es sogar Anbieter, die zwar Heissluftsysteme im Angebot hätten, aber konsequent davon abraten. Mit Ott gibt es ausserdem tatsächlich einen Hersteller, der weder ein Laser- noch Infrarot- oder Heissluftaggregat anbietet. Vielmehr setzt das Unternehmen auf EVA- und vor allem PU-Klebstoffe.

Wie bereits erwähnt, lassen sich heute auch mit PU-Schmelzklebern Kanten mit Nullfugenoptik anleimen, die sich kaum noch von Laserkanten unterscheiden. Zudem sind sie toleranter in der Verarbeitung, indem sie beispielsweise potenzielle Haarrisse im Dekor auffüllen, was die Feuchtebeständigkeit positiv beeinflusst.

Problematisch war aber lange Zeit das Handling des Klebstoffes: Geöffnete Gebinde oder angebrauchte Kartuschen mussten schnell aufgebraucht werden, weil der Kleber durch den Kontakt mit der Luft zu reagieren begann. Das bedeutete, dass auch die Leimwalzen oder -düsen aufwendig und mit teurem Reinigungsmittel gesäubert werden mussten. Für Betriebe, die nicht täglich Kanten anleimen, war das eher unbefriedigend. Ausserdem führt das mehrmalige Aufheizen und wieder Abkühlen von PU- und EVA-Granulat im Leimbecken zu einem Qualitätsverlust. Vorschmelzer oder Kartuschen, die nur so viel Leim schmelzen wie gerade benötigt, sind deshalb heute weitverbreitet.

Leim im Topf lassen

Mittlerweile gibt es aber PU-Kleber, die bis zu drei Tage im Leimsystem verbleiben können ohne auszuhärten. Somit fällt die aufwendige Reinigung vor dem Wochenende weg, sofern dann am Montag gleich weitergearbeitet wird. Darüber hinaus haben die Maschinenhersteller diverse Systeme für die Lagerung der Klebstoffe, Vorschmelzer oder ganzer Aggregate entwickelt. Dabei werden sie meist in fahrbaren Stationen mit luftdichtem Behälter verstaut. Diese werden dann klimatisiert oder mit Stickstoff befüllt, um die Klebstoffreaktion zu unterbinden oder zu verzögern. Manche dieser Stationen erlauben sogar ein Vorheizen des Vorschmelzers oder Aggregates, damit diese sofort einsatzbereit sind.

Geschlossen oder ab Band

Interessant in diesem Bereich sind ausserdem komplett geschlossene Vorschmelzer-systeme, wie sie zum Beispiel von der Schweizer Balti AG hergestellt werden und in der Schweiz über die Homag erhältlich sind. Sie werden mit grossen PU-Kartuschen ab 2 kg befüllt und luftdicht verschlossen. Ein hydraulischer Zylinder presst den noch kalten Klebstoff an die Schmelzplatte, wo er mit möglichst geringer Temperatur aufgeschmolzen wird. Über einen beheizten Schlauch gelangt der Kleber dann direkt zur Leimwalze oder -düse. Dort ist der Schlauch mit einem Ventil ausgerüstet, damit der Kleber im Schlauch nicht mit Luft in Kontakt kommt. Gemäss Herstellerangaben kann der PU-Leim ohne Probleme etwa drei Monate darin aufbewahrt werden.

Dennoch lohnt sich ein Aufheizen des gesamten Systems für nur wenige Teile nicht. Betriebe sind deshalb gut beraten, auch das Kantenanleimen entsprechend zu organisieren. Das minimiert nicht nur den Verbrauch von Klebstoff und Reinigungsmittel, sondern verbessert zudem die Qualität und Effizienz.

Für kleine Betriebe könnte ausserdem eine gemeinsame Entwicklung von Format 4 und Jowat spannend sein. Die «Gluebox» ermöglicht ein PU-Leimen gänzlich ohne Leimbecken oder Kartuschen. Der Klebstoff kommt wie die Kante auf einer Rolle und wird vor dem Zusammenfügen aufgeschmolzen. Das System wurde in diesem Jahr das erste Mal an der Ligna in Hannover (D) präsentiert und soll auch an der Messe Holz in Basel zu sehen sein.

Richtig deklariert

PU-Klebstoffe gehören allerdings zu den reaktiven Klebern und enthalten somit Isocyanate. Diese Stoffe können die Augen, Schleimhäute, Haut und Atemwege reizen. Zudem können Isocyanate Allergien hervorrufen, und sie stehen im Verdacht, krebserregend zu sein. Es gibt jedoch mittlerweile verschiedene sogenannte monomerreduzierte Klebstoffe. Enthalten sie weniger als 0,1 Prozent, gelten sie als monomerarm und müssen dann nicht mehr als Gefahrstoff gekennzeichnet werden. Wer also Wert auf diesen Aspekt legen will, muss hier unbedingt auf die korrekte Deklaration achten oder diese einfordern.

Dank all diesen Weiterentwicklungen kann im Nullfugenbereich auch das Handwerk bezüglich Qualität mit der Industrie mithalten. Ebenso wichtig ist aber, dass die Flexibilität erhalten bleibt – sofern der Betrieb die Abläufe und Parameter im Griff hat.

ph

Veröffentlichung: 10. Oktober 2019 / Ausgabe 41/2019

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