Vom Schreinern zum Schreiben

Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase hat sich der gelernte Schreiner Daniel Stähli (32) gut an die Abläufe und Regeln des Behördenbetriebs gewöhnt. Bild: Franziska Gertsch

Leute. 100 Grundstücke und rund 50 Gebäude, verstreut über 165 Quadratkilometer und 6 Dörfer: Das ist das Wirkungsfeld des gelernten Schreiners Daniel Stähli.

Er ist seit zwei Jahren Fachbereichsleiter Liegenschaften in der Berner Oberländer Gemeinde Lauterbrunnen und kümmert sich um die gemeindeeigenen Parzellen und Bauten, «von Schulhäusern über Wohnhäuser bis hin zu öffentlichen Toiletten und Alphütten», wie er sagt. Der Job ist vielseitig und abwechslungsreich. Sämtliche Anfragen zu Liegenschaften der Gemeinde landen auf seinem Pult. Eine zentrale Aufgabe ist die Bewirtschaftung der Gebäude. Stähli vermietet Wohnungen und andere Räume der Gemeinde und ist erster Ansprechpartner für Mieterinnen und Mieter. Er organisiert auch den Unterhalt der Objekte. Oft übernimmt er die Projektleitung – wie beim Umbau von Räumlichkeiten für die letzten Sommer eröffnete Kindertagesstätte. Bei grösseren Projekten ist er Ansprechperson für Architekten und Planer. «Dank meines beruflichen Hintergrunds habe ich Verständnis für die Sache und ein grosses Netzwerk an Handwerkern», erklärt er. Kleinere Reparaturen führt er selbst aus. «Wenn ich jeweils selbst auf die Baustelle gehen kann, ist das eine schöne Abwechslung zur Büroarbeit», sagt er. Letztere macht einen Grossteil seines Jobs aus. Ein wichtiges Projekt ist aktuell die Gesamtplanung für die Liegenschaften der Gemeinde: Erstmals werden sämtliche Parzellen und Gebäude systematisch inventarisiert. Ausserdem soll der 32-Jährige den Sanierungs- und Unterhaltsbedarf eruieren und in einem Gesamtkonzept darlegen.

«Wenn ich jeweils selbst auf die Baustelle gehen kann, ist das eine schöne Abwechslung zur Büroarbeit.»

An die Arbeit in einer Gemeindebehörde musste sich der Schreiner erst gewöhnen. Vieles ist durch Reglemente, Verordnungen und Kompetenzregelungen vorgegeben – auf der anderen Seite stehen verschiedene Anspruchsgruppen mit ihren Interessen. «Diesen Spagat muss man erst mal schaffen, und man muss sich auch damit abfinden, dass es Abläufe gibt, die ihre Zeit brauchen, und dass man als Vertreter der Behörden seine persönliche Meinung zurückstellen muss», meint er. «Aber das ist auch richtig, nur so ist gewährleistet, dass eine Gemeinde wirklich im Interesse des Gemeinwohls handelt.» Als Sekretär der Liegenschaftskommission begleitet Stähli die politischen Prozesse administrativ, schreibt Protokolle, Anträge und Stellungnahmen. Und das ist etwas Besonderes: «Während der Schulzeit bereitete mir das Schreiben Mühe. Nie hätte ich gedacht, dass dies einmal eine meiner Hauptaufgaben sein wird», sagt er und lacht. In Wengen aufgewachsen, hatte Stähli zunächst eine Schreinerlehre in Lauterbrunnen gemacht, wo er nach einem Jahr im Militär noch neun Jahre arbeitete. 2020 begann er die berufsbegleitende Ausbildung zum technischen Kaufmann. «Ich wollte mich weiterentwickeln und Neues lernen», erklärt er. Der Lehrgang, der unter anderem Grundlagen in Betriebswirtschaft, Rechnungswesen, Marketing oder Beschaffungswesen vermittelt, eröffnete ihm eine neue Welt. Als die Gemeinde Lauterbrunnen die neu geschaffene Stelle als Fachbereichsleiter Liegenschaften ausschrieb, bewarb er sich sofort – mit Erfolg. «Das ist für mich ein absoluter Glücksfall und immer noch ein Traumjob mit viel Potenzial», sagt Stähli. Dass er weiterhin zur Arbeit in «sein» Tal fährt, freut ihn ebenfalls. Obwohl er schon lange mit seiner Verlobten in Matten bei Interlaken lebt, hat er Familie und viele Freunde im Lauterbrunnental, spielt dort Unihockey und verbringt einen Grossteil seiner Freizeit beim Wandern und Biken dort.

Franziska Gertsch

Veröffentlichung: 26. Juni 2023 / Ausgabe 25/2023

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