Weihnachtsgeschichte zum Anfassen

Der pensionierte Schreiner Walter Lips (81) fertigt in Hand-arbeit hölzerne Weihnachtskrippen. Bild: Franziska Herren

Walter Lips’ Reich befindet sich im Keller eines Wohnblocks. In einem fensterlosen Hobbyraum hat er sich auf einigen Quadratmetern eine Werkstatt eingerichtet, in der Holz, fein säuberlich eingeordnete Werkzeuge, von Hand angefertigte Weihnachtskrippen und passende Figuren untergebracht sind. Der Duft nach Fichten- und Lärchenholz verbreitet eine heimelige Stimmung, und die Weihnachtskrippen verleihen der Werkstatt eine feierliche Atmosphäre. In den Krippen ist die Weihnachtsgeschichte in Miniatur bis ins kleinste Detail arrangiert: Maria und Josef warten mit dem Jesuskind auf die Heiligen drei Könige. Auch Ochse und Esel und zuweilen ein Schaf sind zugegen. An der einen oder anderen Stallwand lehnt ein Scheiterhaufen. Ein funktionierender Ziehbrunnen, zwar ohne Grundwasser, eine Palme oder mit Heu gefüllte Säcke stehen neben dem einen oder anderen Stall. «Das ist meine Lieblingskrippe», sagt Lips und zeigt auf einen Stall aus Fichtenholz mit einem Giebeldach. «Ich nenne sie Josefstall.» Der angesprochene Stall ist aus seiner alpenländischen Serie. Neben einem offenen Teil gibt es einen abgeschlossenen Bereich mit Fenster und Stalltür. Die schrägen Wände und das windschiefe Dach aus Lärchenholz sollen das Alter des Stalls ausdrücken. «Das Lärchenholz verfärbt sich rötlich und verleiht dem Dach mit der Zeit eine besondere Patina», erklärt Lips.

«Mir gefällt, dass der Stall heimelig wirkt. Ich bin selber ein häuslicher Typ.» Mit 22 drängte es Lips hingegen hinaus in die Welt. Er trampte während mehrerer Monate durch Europa und den Nahen Osten – von der Schweiz über Österreich, Serbien, Griechenland, die Türkei bis nach Syrien, Libanon und Jordanien. Dabei machte er auch in Bethlehem Rast – der Stadt, wo die Weihnachtsgeschichte ihren Ursprung hat.

Damals ahnte Lips nicht, dass er sich später einmal intensiv damit beschäftigen wird. Aus seinen Erinnerungen holt er heute die Inspiration für seine zweite Serie: die orientalischen Weihnachtskrippen. Die Ruinenkrippe mit Palme ist eine komplexe Konstruktion, die über mehrere abgetrennte Räume verfügt. Auf Wunsch seiner Kundschaft hat er ausserdem eine zusammenklappbare, orientalische Felsenkrippe angefertigt. Lips’ Hingabe für Weihnachtskrippen entflammte nach seiner Pensionierung. «Ich arbeite einfach gerne mit Holz. Ich liebe das Material wegen seines Dufts, seiner Natürlichkeit und seiner Nachhaltigkeit –, um dieses Modewort zu verwenden.» Schon als Kind schnitzte er Schiffchen aus herumliegendem Holz. Später fertigte er als Schreiner Möbel an. Nach seiner Pensionierung begann er, Modelle für Krippen zu zeichnen und mit Säge, Hobel und Schnitzmessern für seine Familie Weihnachtskrippen anzufertigen. Die Figuren kauft er übers Internet. Von Verwandten und Bekannten liess er sich überreden, auch Krippen zu verkaufen. «Ich ging früher an mehrere Weihnachtmärkte. Heute verkaufe ich die Krippen nur noch am Chlausmärt in Oberengstringen bei Zürich», erklärt der 81-Jährige.

45 Stunden arbeitet er mit grösster Sorgfalt und Liebe zum Detail an einem Stall. «Ich verweile gerne bei der Arbeit an den Krippen und habe eine Mordsgeduld.» Da Krippen nicht jedermanns Sache sind, stellt er seit Kurzem aus Birken- und Kirschbaumstämmen Holzkerzen mit ausgesägter Flamme her. Das Spezielle daran: Im Inneren der Kerze ist Platz für ein Schnapsfläschchen. «Ich bin selber kein Schnäpsler», sagt Lips und lacht. «Aber ist es nicht ein richtiges Männergeschenk?»

«Ich liebe das Material Holz wegen seines Dufts, seiner Natürlichkeit und seiner Nachhaltigkeit –, um dieses Modewort zu verwenden.»

fh

Veröffentlichung: 19. Dezember 2019 / Ausgabe 51-52/2019

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