Werkstatt mit sozialem Gewissen

Der Becher eines der 20 Alphörner, welche die Schreinerei jährlich herstellt. Bild: Christian Bärtschi

Alphorn.  In Trimbach bei Olten hat sich die Schreinerei mit dem Namen Die Werkstatt auf den Bau von Alphörnern spezialisiert. Die Schreiner, die selber auch Alphorn spielen, beschäftigen dabei Menschen mit einer psychosozialen Beeinträchtigung.

Wer die eher unscheinbare Schreinerei Die Werkstatt im solothurnischen Trimbach bei Olten betritt, würde nicht denken, dass hier pro Jahr rund 20 Alphörner hergestellt werden. Es ist nicht gerade die klassische Gegend für den Alphornbau, und doch hat der Schreinermeister und Werkstattleiter Udo Schäfer gemeinsam mit den zwei Schreinern Dimitri Hauswirth und Michel Zahn hier mit Erfolg den Alphornbau in eine soziale Werkstatt integriert.

Angefangen hat alles mit einem Geburtstagsgeschenk: Werkstattleiter Udo Schäfer erhielt zu seinem 50. Geburtstag im Jahr 2013 ein Alphorn geschenkt. Er lernte das Spielen auf dem traditionellen Instrument und stiess dabei auf einige verbesserungswürdige Merkmale: «Mein Alphorn ist ein eher ursprüngliches und mit viel Handarbeit hergestelltes, traditionelles Instrument. Bedingt durch die dickwandige Gestaltung ist es verhältnismässig schwer. Als Schreiner hat man da schnell erste Ideen, welche Verbesserungen möglich wären.» Bald rückten auch Eigenschaften wie leichte Spielbarkeit und eine gute Ansprache in den Fokus. Fast zeitgleich nahm die Vision Gestalt an, den Alphornbau in die Werkstatt zu integrieren. Denn die Schreinerei ist Teil der Sozialunternehmung WG Treffpunkt. Sie bietet Menschen mit psychosozialen Beeinträchtigungen Beschäftigungs- und Qualifizierungsplätze.

Der harzige Weg zum eigenen Alphorn

Schäfer liess es nicht bei diesen Gedankenspielen bewenden. Als der damalige Zivildienstleistende und Schreiner Dimitri Hauswirth im März 2014 in die Werkstatt eintrat, wurde dieser beauftragt, im Rahmen einer Projektarbeit den ersten Prototyp eines Alphorns herzustellen. Weil Hauswirth als Freizeitgitarrist auch noch Musikbegeisterung mitbrachte, war er von diesem Projekt sofort angetan.

Die zwei Tüftler mussten praktisch bei null beginnen. Einerseits hatten sie, abseits ihres Fachwissens als Schreiner, keine Kenntnisse und Erfahrungen im Bau von Alphörnern. Andererseits existieren auch keine Lehrbücher zum Alphornbau. Erschwerend kam hinzu, dass die meisten der rund 20 Alphornbauer in der Schweiz ihr Wissen sorgsam hüten.

So musste Dimitri Hauswirth vieles ausprobieren und beispielsweise selbst Vorrichtungen und Schablonen, ja sogar eine Kopierfräsmaschine für die Herstellung der einzelnen Teile entwickeln und bauen. Auch schaute er sich zahlreiche bestehende Instrumente an, übernahm gewisse Details und entwickelte diese für die Anwendung bei seinem Alphorn weiter. Die Werkstatt ist nicht mit CNC-gesteuerten Maschinen ausgerüstet, und auch eine erste Drechselmaschine musste, trotz bescheidenem Budget, zuerst besorgt werden.

Arbeit an der Intonation

Das erste Alphorn aus Trimbach war handwerklich auf hohem Niveau, hatte jedoch noch erhebliches Optimierungspotenzial bezüglich der Intonation. Auch der Bau weiterer Musteralphörner mit verschiedenen Lösungsansätzen brachte keine entscheidenden Verbesserungen. Die fleissigen Tüftler mussten feststellen, dass ein Alphorn, das über die ganze Tonröhrenlänge mit einem gerade verlaufenden Konus ausgestattet ist, bei der Resonanzverteilung problembehaftet ist. «Wenn es wirklich gut intoniert sein soll, kommt man nicht darum herum, die Tonröhre, die sogenannte Mensur, zu stufen», sagt Schäfer.

Für diese Mensurgestaltung wurde der Instrumentenbauer Rainer Egger aus Münchenstein BL beigezogen. Dieser konnte durch seine jahrzehntelange Erfahrung in der Optimierung von Instrumenten und entsprechende Berechnungen entscheidend zur erfolgreichen Weiterentwicklung beitragen. Was noch fehlte, war ein passender Name. Weil Schäfer auf einem Jurahügel wohnt, hat er die sanft geschwungene Landschaft des Jura täglich vor Augen. So entstand die Idee, den Jura und das Alphorn zu verbinden – zum Namen Juralphorn.

Astfrei für optimale Schwingung

Alphörner werden meistens aus Fichte hergestellt. Weitere mögliche Holzarten sind Erle, Arve und Linde. Die Trimbacher verwenden Fichte. Zum Einsatz kommen nur besonders gerade gewachsene und feinjährige Hölzer aus Bergregionen der Schweiz. Für die Anfertigung der Rohre wird ausschliesslich astfreies Holz verwendet, weil sich nur so ein optimales Schwingungsverhalten erreichen lässt. Im Bereich des Bechers werden Äste teilweise toleriert, weil an dieser Stelle manche Kunden ein markantes Erscheinungsbild bevorzugen. Weist das Holz Verfärbungen oder eine zu starke Astigkeit auf, wird es nicht verwendet.

Drei- bis vierteilig

Wenn eine Bestellung für ein Juralphorn eingeht, werden meistens gleich zwei bis vier Instrumente hergestellt. Nur schon, damit sich das Einstellen der einzelnen Maschinen lohnt. Erfahrungsgemäss gehen während der Herstellung oft noch weitere Bestellungen ein, sodass in der Regel alle in einem Arbeitsgang hergestellten Instrumente bereits einen Abnehmer haben, wenn sie fertiggestellt sind. Die Alphörner aus Trimbach bestehen wahlweise aus drei oder vier Teilen. Wobei der Trend laut Schäfer klar zum vierteiligen Alphorn geht.

Ein Juralphorn mit der in der Schweiz gebräuchlichen Ges-Stimmung ist 3,40 Meter lang und wiegt 2,3 Kilogramm. Durch Zusatz- oder Austauschrohrteile können noch weitere Stimmungen erzeugt werden. So etwa die F-Stimmung, die eine Verlängerung von 20 Zentimetern verlangt, oder die G-Stimmung, wofür die Standardstimmung um 20 Zentimeter verkürzt wird. Verkauft werden die Instrumente in zwei Varianten. Zum einen in der zum Standard gewordenen, mit Peddigrohr umwickelten und so vor kleinen Oberflächenbeschädigungen geschützten Version. Zum anderen in der Natur-Version, bei der neben dem Becher auch die Rohre in der natürlichen Holzschönheit erstrahlen.

Der Klang eines modernen Alphorns

«Unser Instrument ist sehr schlank und leicht spielbar. Es eignet sich damit nicht nur für langgezogene, traditionelle Töne, sondern auch für schnelle Tonfolgen und für ein exaktes Spiel», sagt Schäfer. Das Juralphorn gehört mit diesen Eigenschaften zur Klasse der feinen, teilweise auch als Konzertalphörner bezeichneten Instrumente. Mit solch modernen Alphörnern kann beispielsweise auch Jazz gespielt werden. Laut dem Schreinermeister zeichnet sich ein gutes und klangvolles Alphorn durch eine dünne Wandstärke von 6 bis 7 Millimetern und ein dadurch geringes Gewicht aus – neben einer perfekt auf die Becherform abgestimmten Mensur.

Zwei der drei Schreiner bauen das Alphorn nicht nur, sondern spielen es auch: Dimitri Hauswirth beherrscht das Instrument ein wenig, konzentriert sich jedoch vor allem aufs Bauen. Udo Schäfer kann dagegen als versierter Spieler und Vermarkter der hauseigenen Alphörner sehr gut auf die Kundenbedürfnisse eingehen, weil er die Wünsche der Alphornspieler aus eigener Erfahrung kennt. Sehr wichtig für den erfolgreichen Weg des Alphorns aus dem Jura waren jedoch vor allem einige Musiker, die das Instrument gekauft und weiterempfohlen haben. «Wir hatten einen sehr erfolgreichen Start und Glück, dass der bekannte, gut vernetzte Schweizer Solohornist und Alphornspieler Martin Roos aus Basel und die im Zürcher Oberland lebende Alphornlehrerin Gaby Laetsch uns begeistert weiterempfohlen haben», sagt der Schreinermeister.

Über die Landesgrenzen hinaus

Dank eines überzeugenden Instruments und der willkommenen Mundpropaganda verlassen jährlich rund 20 Alphörner die Werkstatt in Trimbach. Aktuell werden die Instrumente vor allem in der Schweiz verkauft. Doch auch andere Alpenländer wie Österreich, Deutschland und das Auswanderungsland USA sind für den Werkstattleiter vielversprechende Absatzmärkte.

Jüngst konnte die bekannte Schweizer Alphornvirtuosin Eliana Burki als Botschafterin gewonnen werden. «Bei ihren Auftritten wird die Musikerin künftig von einem Juralphorn begleitet. Sie wird somit die Marke über die Landesgrenzen hinaus bekannt machen», freut sich Schäfer.

Ein Grund für den Bau der Alphörner ist nicht zuletzt die Einbindung der bis zu acht Mitarbeitenden in der Werkstatt. Einfachere Arbeiten wie das Ausfräsen der Rohre, Zuschnittarbeiten oder auch das Vorbereiten des Peddigrohrs werden durch Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen ausgeführt. Die wichtigsten Schritte, also die Fein- und Abschlussarbeiten an den Alphörnern, sind Sache der erfahrenen Schreiner Dimitri Hauswirth und Michel Zahn. «Wir sind aber dabei, weitere Arbeitsschritte so zu konzipieren, dass unsere Leute noch besser eingebunden werden können», sagt Schäfer. Generell stosse die Idee, Alphörner zu bauen, bei den in der Werkstatt Beschäftigten auf grosses Interesse.

Für viele Klienten, die sich für die Mitarbeit in der Schreinerei Die Werkstatt entscheiden, ist das Alphorn ein entscheidendes Kriterium. Auf diese Weise erfreut das Juralphorn nicht nur Musiker und Zuhörer mit seinem Klang, sondern übernimmt auch eine wichtige Rolle bei der Wiedereingliederung von Menschen in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt.

Die Werkstatt - Schreinerei mit kreativen Wurzeln

Die drei Schreiner Michel Zahn, Dimitri Hauswirth und Udo Schäfer arbeiten in der Schreinerei Die Werkstatt in Trimbach. Diese beschäftigt Menschen mit psychosozialen Beeinträchtigungen und ermöglicht ihnen, an einem geschützten Arbeitsplatz zu arbeiten oder sich auf den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt vorzubereiten. 

Die Werkstatt gehört zum Verein WG Treffpunkt und produziert für diesen sowie für private Kunden Möbel und Einrichtungsgegenstände aller Art. Auch Innenausbauarbeiten werden ausgeführt. Seit 2016 werden unter dem Namen Juralphorn serienmässig Alphörner hergestellt. cb 

www.diewerkstatt-wgt.ch

CB

Veröffentlichung: 27. September 2018 / Ausgabe 39/2018

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