Widerspruch beim Sichern von Räumen

In Richtung Fluchtweg muss jede Tür in weniger als einer Sekunde geöffnet werden können. Bild: Glutz AG

Paniktüren.  Was an Gebäuden und Räumen so sorgfältig verschlossen und gesichert wird, soll ebenso bei Gefahr einen sicheren Fluchtweg bieten. Panikschlösser sind technisch immer weiter entwickelte Wunderwerke im täglichen Dauergebrauch.

Häuser werden gebaut, um Schutz zu bieten. Entsprechend, was und wie sie schützen sollen, werden die Hülle mit allen Innenunterteilungen sowie die Fenster und Türen geschaffen. In den meisten Fällen geht es auch darum, dass der Zugang begrenzt werden kann und das, was drin ist, nicht abhanden kommt.

Sicherheit, die einsperren kann

Begrenzungen mögen unerwünschte Besucher fernhalten, haben aber im Gegenzug den Nachteil, dass das Verlassen eines gut schützenden Gebäudes mit Hindernissen versehen ist. Damit in einem Notfall – wenn beispielsweise ein Feuer ausbricht – auf der Flucht nicht jede Tür aufgeschlossen und Verriegelungen geöffnet werden müssen, werden Fluchtwege definiert und alle relevanten Türen mit Panikschlössern versehen. Im neuen Brandschutzordner, Ausgabe 2023, des VSSM finden sich zu all diesen Bereichen ausführliche Erklärungen und Vorgaben. Darin sind ebenso alle Vorschriften und Ausnahmen zu den Funktionsweisen und Drehrichtungen bestimmter Türen zu finden. Neu gibt es die VSSM-Fachdokumentation auch als E-Book.

Der garantiert freie Durchgang

«Die wichtigste Eigenschaft eines Panikschlosses ist die Entriegelung des Schlosses über den Innendrücker, welche jederzeit gewährleistet sein muss. In einer Notsituation ist es wichtig, jederzeit über den da- für vorgesehenen markierten Fluchtweg fliehen zu können», sagt Simon Lüthi, der Produktmanager von MSL, einer Produktionsfirma der Assa Abloy Schweiz AG, in Richterswil ZH.

Konkret bedeutet das, dass ein solches Schloss nach EN 179 ohne Hilfsmittel in einer Zeit von weniger als einer Sekunde mit nur einer Handbewegung geöffnet werden kann. Bei der Betätigung eines Drückers darf die erforderliche Freigabekraft 70 N nicht überschreiten – was 7 kg entspricht. Gerade bei den heute häufig verwendeten Türschlössern mit Mehrfachverriegelung muss die Mechanik deshalb sehr leichtgängig funktionieren. Da sich die Umgebungs- und Bedienbedingungen in einem Ernstfall massiv verändern können, werden solche Schlösser auch unter entsprechenden Bedingungen geprüft.

Wenn alle gleichzeitig raus wollen

Sobald sich in einem Raum normalerweise zwei und mehr Personen pro Quadratmeter aufhalten, müssen dessen Notausgänge in Fluchtrichtung statt mit Drückern mit horizontalen Betätigungsstangen ausgerüstet sein. Griffstangen, oder auch Panikstangen genannt, können mit der Hand umfasst werden, was bei einer Druckstange, oder auch Pushbar genannt, nicht möglich ist. Beide sind in der Schweiz zugelassen, reichen fast über die ganze Türbreite und lösen auf Druck in Fluchtrichtung aus. Werden bei einer Panik also Menschen gegen die Tür gedrückt, öffnet sich diese. Die erforderliche Freigabekraft darf dabei 150 N nicht überschreiten – was 15 kg entspricht. Da bei einer Panikstange beispielsweise eine Jacke darüber gehängt werden kann und die Stange sich damit nicht mehr frei bedienen lässt, sind in manchen anderen Ländern nur Pushbars erlaubt.

Doppelflügelige Fluchttüren

Bei der Fluchtwegplanung werden auch die Breiten der Fluchtwege und somit die lichten Durchgangsbreiten bei Türen bestimmt. Da kann es vorkommen, dass von einer doppelflügeligen Tür der Gangflügel alleine schon als Fluchtweg genügt. In diesem Fall darf dann der Standflügel mit einem Kantenriegel fixiert werden. Der Gangflügel muss hingegen die gleichen Anforderungen erfüllen wie eine Einzeltür. Erfordert die Breite des Fluchtwegs beide Türen, muss der Standflügel über eine Gegenbascule verfügen, die mit dem Panikschloss des Gangflügels gemeinsam geprüft wurde.

Solche Doppeltüren müssen exakt aufeinander abgestimmt sein, denn im Ernstfall darf es keine Rolle spielen, welcher Flügel zuerst geöffnet wird. Beim Öffnen des Standflügels müssen beide Türflügel, ohne zu verklemmen, aufgehen.

Sind auf einem Fluchtweg Panikstangen zum Öffnen der Türen erforderlich, müssen beide Flügel in Fluchtrichtung damit ausgerüstet sein. Aus der Gegenrichtung bekommt der Gangflügel einen Türdrücker und der Standflügel ein Blindschild. Sind auch in Fluchtrichtung Drücker erlaubt, wird derjenige vom Standflügel senkrecht nach oben weisend montiert.

Grundsätzliche Panikschlossfunktionen

Der Gedanke an eine möglichst schnelle Flucht darf aber nicht über die hauptsächliche Aufgabe von Türen hinwegtäuschen: Sie sollen schliessen, schützen und Dinge dahinter bewahren. Von aussen her stellen sich die gleichen Anforderungen bezüglich Einbruchsicherheit und Zugangskontrolle wie sonst auch. Die Firma Glutz AG in Solothurn weist darauf hin, dass es vier Panikfunktionen bei den Türschlössern gibt. Gemeinsam ist: Bei allen öffnen alle Verriegelungen bei der Drückerbetätigung in Richtung aussen.

  • Die Funktion «E» hat als einzige einen durchgängigen Vierkantstift. Dafür wird aussen ein Türknauf montiert, und es braucht einen Schlüssel zum Öffnen.
  • Bei der Funktion «B» wird im Nacht- betrieb die Tür verschlossen und der Aussendrücker ausgekuppelt.
  • Bei «C» ist der Aussendrücker immer in Leerlauffunktion und benötigt zur Betätigung eine Schlüsselumdrehung. Ohne Schlüssel kuppelt der Drücker wieder aus.
  • Die Funktion «D» entspricht der von «C», nur wird bei Betätigung des inneren Drückers der Aussendrücker fix eingekuppelt, wodurch Rettungskräfte frei passieren können. Zum Entkuppeln braucht es dann einen Schlüssel. Die Variante eignet sich für reine, im Alltag nicht benutzte, Fluchttüren.

Elektronisch gesicherte Türen

Es ist nicht in jedem Fall sinnvoll, dass man ohne Weiteres aus einem Raum oder Gebäude hinaus kann – nur dann, wenn wirklich Gefahr droht. Wenn Diebe mit ihrer Beute durch die Hintertür eines Ladens dank dem Panikschloss verschwinden oder demente Personen ohne Weiteres aus Pflegeeinrichtungen entweichen können, ist das schlecht. Und auch Kleinkinder sollen nicht einfach aus der Kita hinausspazieren. Solche Türen müssen elektronisch gesichert werden. Die Freischaltung kann mit einem Nottaster ausgelöst werden. Bei dessen Betätigung geht ein Alarm los, und zudem kann die Türentriegelung kurz verzögert werden, um beispielsweise dem Betreuungspersonal etwas Reaktionszeit zu geben. Der Alarm muss dann über einen Schlüsselschalter wieder zurückgestellt werden.

Ein Nottaster muss gemäss Norm SIA 500 «Hindernisfreies Bauen» auf einer Höhe von 0,8 bis 1,1 m ab Boden angeordnet sein und darf horizontal maximal 0,6 m vom Verschluss der Tür entfernt sein. Damit in einer Kita die Tür kurz freigeschaltet werden kann, wird ein Bedienschalter auf einer Höhe von 1,8 m montiert. Damit ist er nur für erwachsene Personen gut erreichbar.

Ein Beispiel mit Zweifallenschloss

Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten, womit ein Schloss so einen Durchgang verriegelt. Die verschieden funktionierenden Fallen, unterschiedlichen Riegel, Einfach- und Mehrfachverschlüsse mit möglichen Selbstverriegelungen erfordern bei der Auswahl zur optimalen Lösung sehr tiefe Kenntnisse dieser Technik bezüglich Mechanik, Elektronik und der Dauerhaftigkeit in der gewählten Zusammenstellung. Ausgearbeitete und geprüfte Vorgaben müssen daher strikte eingehalten werden.

Das Beispiel einer Verbindungstür von einer Tiefgarage zu einem Treppenhaus zeigt, dass Fluchtwege je nach Situation in beide Richtungen denkbar sind. Die Lösung mit einem Zweifallenschloss erlaubt mit der Panikfunktion die Flucht aus dem Wohnhaus. Umgekehrt kann mit dem Nottaster die Garage in einem Notfall auch ohne Schlüssel verlassen werden. Damit wird allerdings auch ein Alarm auf der Brandmeldeanlage ausgelöst.

www.vssm.chwww.assaabloy.chwww.glutz.com

Andreas Brinkmann

Veröffentlichung: 25. Januar 2024 / Ausgabe 4/2024

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