Ziemlich viel des Guten

Möbel von Koket aus den USA. Der Schrank ist mit etwa 25 000 Franken gar nicht so teuer, denn nach oben gibt es kaum Grenzen. Bild: Diego Ravier

Luxusmöbel.  Im höchsten Preissegment des weltweiten Möbelmarktes findet sich nicht nur hochstehendes Design von Qualitätsherstellern. Der Markt für teure Möbel wächst in vielen Ländern rasant, was auch zu ungewohnter Ästhetik mit viel Glitzer und Glamour führt.

Was sich seit Jahren abzeichnet, hat bei der letzten Möbelmesse in Mailand sein Manifest gefunden. Der Markt für Luxusmöbel ist zu einem globalen Spielfeld geworden. Mit «xLux» haben die Veranstalter der weltweit wichtigsten Designpräsentation den Anbietern für die regelmässig seltsam entrückt wirkenden Wohnideen für den prallen Geldbeutel gleich zwei Messehallen eingerichtet. Denn schon seit einiger Zeit haben Mode- und Lifestyle-Brands wie Armani, Cavalli, Fendi oder Versace die Möbel- und übrigens auch die Hotelbranche für sich entdeckt. Auch Automarken wie Aston Martin oder Bentley zeigen ihre Kollektionen dann gerne zusammen mit entsprechenden Fahrzeugen und viel Glamour.

Es geht um Marketing

Die meisten dieser «Fremdgeher» stellen ihre Möbel nicht selbst her, sondern lassen sie von Unternehmen mit entsprechendem Know-how in Lizenz produzieren. Dass ein Modelabel am Ende einfach noch das Logo auf das Ergebnis der Arbeit von Experten heftet, ärgert nicht wenige Möbelproduzenten von hochwertigen, im Design westlich geprägten Edelmarken. Nur bei Bugatti, da ist das anders. Denn das Unternehmen hat seine Wurzeln im Möbeldesign und baute erst später Autos.

Die Kunden, vor allem in den sogenannten Wachstumsmärkten, mögen nunmal gros-se Namen, weshalb Luxusmarken aus der Mode-, Lifestyle- und Autowelt mit hohem «Bling-Bling-Effekt» auch bei der Inneneinrichtung gefragt sind. Und schliesslich geht es um Geld, wovon auch so mancher Möbelproduzent profitiert, der mit den Luxusmarken zusammenarbeitet.

Kooperationen zwischen gänzlich unterschiedlichen Akteuren gibt es freilich schon lange. So haben die Porsche-Designer vor 13 Jahren eine Küche für Poggenpohl entworfen, Diesel arbeitet seit vielen Jahren mit Moroso, oder man denke nur an die Designschmiede Pininfarina, normalerweise für Autos zuständig und immer wieder verantwortlich für Möbelentwürfe.

Das Neue ist vielmehr, dass Luxusmarken aus Nicht-Einrichtungsbereichen sich in der Branche als eigene Marke positionieren. Also nicht mehr mit «Maserati by Zanotta» firmieren, sondern beispielsweise «Armani Casa» heissen. Und das hat Gründe.

Luxusprobleme mit den Märkten

Der Markt für Luxusartikel beim Wohnen gilt als schwierig. Dafür ist dieser mit enormen Wachstumszahlen versehen. Und die Anzahl der Millionäre wächst anscheinend in gleicher Weise mit. In China etwa konnte so mancher Anbieter von Luxusmöbeln in den letzten Jahren regelmässig zweistellige Zuwachsraten verzeichnen. Im selben Umfang nimmt die Anzahl Vermögender dort jährlich zu. Demgegenüber ist der Markt in den USA und Europa eher stabil. Das Wachstum im Luxussegment findet laut dem Mailänder Institut CSIL im Bericht «World luxury furniture market» vor allem in den neuen sogenannten ungesättigten Märkten statt. Neben dem grössten Einzelmarkt, den USA, sind es vor allem die Reichen in Schwellenländern, die Möbel mit klassischen Elementen, opulenten Ausstattungen und für den designaffinen Betrachter nicht selten schlicht übertrieben wirkendem Erscheinungsbild kaufen.

Luxusartikel werden dort gekauft, wo das nötige Kleingeld dazu verfügbar ist. Der wachsenden Gruppe der Reichen kann man in dem vor wenigen Wochen erschienenen «World Wealth Report 2018» aus dem Hause Capgemini nachspüren. Am stärksten wächst demnach die Anzahl der Millionäre in der Asien-Pazifik-Region, gefolgt von Nordamerika, wobei die USA für etwa 96 % dieser Region verantwortlich zeichnen. Insgesamt leben dort drei Viertel der Neumillionäre, und die beiden Regionen verfügen zusammen über fast ebenso viel des frei verfügbaren Geldes der Welt.

Laut der Studie hat das investierbare Vermögen der Wohlhabenden dieser Welt im letzten Jahr erstmals die Summe von 70 Billionen US-Dollar überschritten. Bis 2025 rechnen die Experten mit dem Erreichen der 100-Billionen-Marke. Das Wachstum der Reichen hält also aller Voraussicht nach an und entwickelt in manchen Ländern und Regionen eine grosse Dynamik, was die gegenwärtig deutlich zu spürende Entwicklung mit Glitzer-Interieur mutmasslich erhalten wird.

Für jeden etwas anderes

Was aber Luxus ist und wie sich dieser in Produkten manifestiert, darüber streiten sich die Ökonomen und Marketingexperten. Je nach Quelle reicht die Einteilung der Kunden für das höchste Preissegment von 4 bis 16 Konsumententypen.

Einig dagegen sind sich die Fachleute darin, dass ein Luxusmarkt stets die gleiche Entwicklung nimmt und mit den klassischen ökonomischen Theorien der Bedürfnisbefriedigung übereinstimmt.

Mehrere Entwicklungsstadien

Neureiche konsumieren viel und heftig, vor allem in Ländern, in denen dies aus den unterschiedlichsten Gründen in der Vergangenheit nicht oder nur beschränkt möglich war. Die Entwicklung der Gesellschaften durchläuft dann mehrere Entwicklungsstadien, bis sie zu einer «reifen» Konsumgemeinschaft wird. Dann geht es immer weniger um Gold und Glitzer, sondern zunehmend um Aspekte wie Sinnhaftigkeit und immaterielle Güter wie zum Beispiel «Zeit haben».

Je reifer eine Gruppe von Konsumenten ist, desto grösser wird auch der Anteil an Käufern, die für Werbung und Markenbotschaften kaum mehr empfänglich sind.

Andersherum sind wohlhabende Marktteilnehmer dort, wo neuer Reichtum entsteht, besonders interessiert an den grossen Namen und an den Gütern, die den Reichtum plakativ verkörpern. So lässt sich auch das Interesse und Engagement von Modelabels und Luxusartikelherstellern im Einrichtungsbereich der neu entstehenden Luxusmärkte erklären. Man versucht, die Marke und das damit verknüpfte Image zu verkaufen – weniger das Produkt.

Wo Reichtum steht und neu entsteht

Laut «World Wealth Report 2018» ist die Region Asien-Pazifik das Gebiet mit den meisten Millionären und der grössten Anhäufung von Vermögen.

Mit 3,162 Millionen Millionären hat Japan die zweithöchste Anzahl nach den USA mit 5,285 Millionen. Erst danach folgen Deutschland mit 1,365 Millionen und China mit 1,256 Millionen. An siebter Stelle liegt die Schweiz. Nach den Berechnungen von Capgemini leben hierzulande 389 000 Millionäre. Das sind mehr als beispielsweise in Kanada, Indien oder auch Russland.

Interessant sind in solchen Studien und Auflistungen stets die Randnotizen. Dort kann man etwa erfahren, dass Indien derzeit das Land ist, in dem die Anzahl der Wohlhabenden am deutlichsten wächst. Zwar leben in diesem Staat mit rund 1,3 Milliarden Einwohnern nur 263 000 Millionäre, doch betrug die Zunahme zuletzt 20 % in einem Jahr. Ein Markt, der schon viele Jahre als einer der Plätze der Zukunft gehandelt wird. Doch die Konsumenten im riesigen Land haben auch spezielle Vorstellungen von Design und von einem persönlichen Ausdruck von Wohlstand.

Für den italienischen Edelküchen-Hersteller Valcucine ist Indien ein äusserst interessanter Platz. Der Grund: Die potenziellen indischen Kunden schätzen die individuell mittels farbiger Folien gestaltbaren Fronten der Küchen hinter Glas sehr.

Traditionelles modern interpretieren

Diese Individualisierung von hochwertigem Design und Qualität scheint den Bedürfnissen dort zu entsprechen, können doch so die speziellen traditionellen Farben und Motive auch modern interpretiert werden. Obwohl Indien erst am Anfang der Entwicklung hin zu einer wohlhabenden Oberschicht steht, scheint der Reifegrad der dortigen Konsumgesellschaft, gemessen an den Theorien der Marktforscher, zumindest vereinzelt deutlich höher entwickelt zu sein, als er sein dürfte.

Solche Besonderheiten machen die Luxusmärkte für die Marktstrategen schwierig. Zu einem Zeitpunkt, an dem reiche Inder eigentlich Gold und Glitzer kaufen müssten, entscheiden sie sich für hochwertiges Design aus Italien. Insofern sind solche aufstrebenden Märkte für viele Akteure interessant, auch für die Hersteller von zeitgemässen Designmöbeln.

Kauflust bleibt erhalten

Ganz anders stellen sich die Besonderheiten in China dar. Dort können die Reichen und Superreichen vor allem eines tun: konsumieren. Aufgrund des Systems können Wohlhabende sich nicht verwirklichen. Stiftungen gründen, Schulen eröffnen oder ähnliches gesellschaftliches Engagement ist nicht ohne Weiteres möglich.

Wer Geld hat, kann noch mehr Geld schaffen, dieses ausgeben oder es dem Staat abgeben. Das führt dazu, dass sehr reiche Chinesen auch nach längerer Zeit ihre grosse Kauflust behalten.

www.salonemilano.itwww.csilmilano.comwww.worldwealthreport.com

ch

Veröffentlichung: 30. August 2018 / Ausgabe 35/2018

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