Zu Hause ist vielerorts


Die Bantli AG aus Eschenz hat vergangenen Herbst eine zweite Filiale im zürcherischen Regensdorf eröffnet. Bild: Bantli AG
Die Bantli AG aus Eschenz hat vergangenen Herbst eine zweite Filiale im zürcherischen Regensdorf eröffnet. Bild: Bantli AG
Zwei Standorte. Ob ein zusätzliches Büro, eine zweite Produktionsstätte oder ein Schauraum: Die Gründe für (Schreiner-)Betriebe, eine zweite Filiale zu eröffnen, sind vielfältig. Etwas setzt ein solcher Entscheid jedoch immer voraus: keine Angst vor Mehraufwand.
Die Schweiz gilt gemeinhin als Land der KMU. Tatsächlich spielen die kleinen und mittleren Unternehmen für die hiesige Wirtschaft eine entscheidende Rolle. Von der Bäckerei über den IT-Spezialisten oder den Maschinenhersteller bis eben hin zum Schreinerbetrieb bilden KMU die grosse Mehrheit der Schweizer Unternehmen und stellen rund zwei Drittel der Arbeitsplätze des Landes. Vielfach wachsen und gedeihen diese Unternehmen aus einer Familientradition heraus. Der Grossvater hat es aufgebaut, der Vater hat es etabliert und der Sohn schreitet nun den Weg möglichst innovativ fort.
Wo diese Betriebe beheimatet sind, hat meistens weniger mit wirtschaftlich-statistisch aufeinander abgestimmten Standortfaktoren zu tun als schlicht und einfach mit der Heimat des Firmengründers.
So entstehen solche Unternehmen in der Regel dort, wo der Gründer zu Hause ist. Betriebswirtschaftliche Überlegungen kommen erst dann zum Tragen, wenn ein Unternehmen im Laufe der Jahre gewachsen ist und neue, zusätzliche Standorte sucht. Dann spielen die sogenannten harten (Absatzmarkt, Infrastruktur, Steuern, Arbeitskräftepotenzial, Ressourcenverfügbarkeit) und weichen Standortfaktoren (Kulturangebot, Freizeitmöglichkeiten, Bildungsangebot) eine zumindest mitentscheidende Rolle. Welche Faktoren schliesslich den Ausschlag geben, kann von Branche zu Branche, ja von Unternehmen zu Unternehmen gänzlich unterschiedlich sein.
Erst kürzlich in die Kategorie der Unternehmen mit mehreren Standorten gestossen ist die Bantli AG Schreinerei und Holzbau in Eschenz. Just im September des vergangenen Jahres hat das Unternehmen von Geschäftsinhaber Oliver Bantli in Regensdorf eine neue Filiale in Betrieb nehmen können. «Die Filiale ist eine Verkaufsstelle, in der wir einen Mitarbeiter beschäftigen», erklärt Bantli. Dieser Mitarbeiter ist für den Verkauf sowie für kleinere Projektleitungen zuständig. «Ausschlaggebend für diese zweite Filiale war primär, dass wir möglichst nahe bei den Kunden rund um die Stadt Zürich sein möchten», führt Bantli aus. Und ja, natürlich erhoffe man sich von dieser Massnahme auch, den Kundenstamm in dieser Region erweitern zu können. Ob das klappt, müsse und werde die Zeit zeigen. Der Chef ist jedenfalls zuversichtlich. «Nach so kurzer Zeit fehlen uns natürlich noch die Erfahrungswerte», gesteht Bantli.
Doch das Ziel sei es, an beiden Standorten «heimisch» zu bleiben respektive zu werden und dadurch mehr Stammkunden zu gewinnen und diese kompetent und aus der Nähe bedienen zu können. Keine einfache Aufgabe, dessen ist sich Bantli sehr wohl bewusst. «Ich gehe davon aus, dass das Gewinnen neuer Kunden sowie das Ausbauen des Kundenstammes schwierig wird und vor allem Zeit braucht», sagt er. Man sei praktisch bei null gestartet und müsse dies nun schrittweise aufbauen. Ein zweiter Verkaufsstandort, der neu am Markt sei, müsse allerdings langfristig betrachtet werden und benötige von den beteiligten Personen Durchhaltevermögen und ein überdurchschnittliches Engagement. Ansonsten werde es schwierig, sich zu behaupten. Bantli ist jedoch davon überzeugt, mit der Eröffnung einer zweiten Verkaufsfiliale den richtigen Schritt für die Zukunft seiner Firma gemacht zu haben. Eine Zukunft, in welche der rund 35 Mitarbeiter starke Betrieb auch mit einer neuen Dauerausstellung am alten Standort in Eschenz gehen wird. Auf rund 500 m2 kann Oliver Bantli den Besuchern dort zeigen, was seine Firma alles anbietet.
Bei der Firma Lüthi + Wyder AG liegt der Entscheid für einen zweiten Standort derweil bereits etwas länger zurück. Neben dem Hauptsitz in Bollodingen hat man sich 1996 entschlossen, noch eine zweite Geschäftsfiliale in Burgdorf zu eröffnen. Der Ursprung der Idee lag hier für einmal nicht bloss im rein wirtschaftlichen, sondern zu einem guten Stück auch im familiär-praktischen Bereich. «Mein Tätigkeitsfeld in der Schreinerei umfasst vornehmlich die Administration», erklärt Fränzi Lüthi. Als sie damals gemeinsam mit ihrem Mann, dem Geschäftsinhaber Werner Lüthi, ein eigenes Haus erworben hatte, kam die Frage auf, ob sie ihre Arbeiten nicht auch von zu Hause aus erledigen könnte. Das stelle ja mit der heutigen Vernetzung der EDV-Anlagen kein grösseres Problem mehr dar.
«Da wir zwei Kinder haben und die Betreuung selber übernehmen wollten, wurde das Modell schliesslich zur Wirklichkeit», erinnert sich Fränzi Lüthi. «Einer der Vorteile von zwei Filialen ist, dass ich keinen Arbeitsweg habe und somit mehr Zeit im Büro verbringen kann», sagt Fränzi Lüthi.
So sei sie, was die Arbeitszeit anbelange, sehr flexibel und könne zum Beispiel auch einmal spätabends arbeiten. Zudem könne sie die umgeleiteten Telefonanrufe in Empfang nehmen, falls einmal alle Büromitarbeiter auswärts seien. Und die Kundschaft von Burgdorf könne jederzeit, einfach und schnell im Büro Muster abholen oder etwas abgeben. Trotz der vielen Vorteile habe sich für Fränzi Lüthi im Laufe der Jahre im «Zwei-Filialen-Prinzip» allerdings auch ein kleiner Nachteil herauskristallisiert. So sei ihr persönlicher Kontakt zu den Mitarbeitern in Bollodingen durch den zweiten Arbeitsort eher kleiner geworden, was sie als sehr schade empfinde. Trotzdem würde sie sich heute wieder gleich entscheiden. «Ich finde dieses Modell sehr wertvoll und geniesse es, die Freiheit zu haben, meine Arbeitszeit selber einzuteilen.»
Das Prinzip einer zweiten Geschäftsfiliale als Verkaufsstelle oder zusätzliche Produktionsstätte ist wohl der «gewöhnliche Fall». Dass es auch anders geht, zeigt das Beispiel der Schreinerei Albert Speck AG in Oberwil bei Zug. Hier fand die «klassische» Erweiterung der 1976 in Oberwil gegründeten Schreinerei bereits 1990 mit der Übernahme einer zusätzlichen Werkstatt in Allenwinden statt. Im Jahr 2000 verschob sich dann die gesamte Produktion nach Allenwinden und die Werkstatt in Oberwil schloss ihre Tore. Aufgegeben wurde der alte Standort nicht. Vielmehr entstand auch in Oberwil Neues, nämlich ein firmeneigener Schauraum. «Der Schauraum in Oberwil ist ein wichtiger Pfeiler unserer Firma», sagt Geschäftsführer Roland Speck. Dass sein Unternehmen mit dem Schauraum im Dorf immer noch Präsenz zeigt, empfindet Speck als wichtig. «Die Kundennähe kann in einer globalisierten Welt ein Wettbewerbsvorteil sein», sagt der Unternehmer. Natürlich bringe das alleine noch nicht automatisch mehr Kunden. Man habe so aber die Chance, sein Image aktiv zu gestalten und zu beeinflussen. Und ja, über die Jahre betrachtet rechne sich der Schauraum finanziell gesehen. Auch wenn sich das nicht bis ins letzte Detail quantifizieren lasse.
Die Gründe für eine Standorterweiterung können also ebenso unterschiedlich sein, wie es die einzelnen Unternehmen als solche sind. Auch ist der Entscheid eines zweiten Standortes in jedem Fall mit erheblichem Mehraufwand verbunden. Das konnten alle befragten Unternehmer unisono bestätigen. Wenn man diesen Aufwand aber nicht scheut, sich die nötige Zeit gibt und mit innovativen Ideen aufwarten kann, ist ein zweiter Firmenstandort vor allem eines – eine grosse Chance.
Veröffentlichung: 26. Februar 2015 / Ausgabe 9/2015
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