«Es braucht nach wie vor das Gespür»

Knöpfe und Joysticks haben auch auf modernen Stationen ihre Berechtigung. Bild: Kündig AG

2019 hat die Kündig AG aus Wetzikon ZH, eine Schweizer Maschinenherstellerin, ihr neues Steuerungssystem präsentiert. Dieses wurde komplett in der Schweiz entwickelt und gestaltet. Im Interview erklärt der für die Entwicklung zuständige Techniker Julian Bolz, wie dies ablief, worauf man speziell geachtet hat und was die Besonderheiten waren.

SchreinerZeitung: Worauf haben Sie bei der Entwicklung der neuen Bedienoberfläche speziell geachtet?
Julian Bolz: Bei unseren Maschinen geht es darum, die Bedienung so einfach wie möglich zu halten. Das ist ein Aspekt, den unsere Kunden sehr schätzen.
Dann war nicht der Ruf nach einem grösseren Display der Auslöser?
Nein, wir hatten ja schon länger Maschinen mit Touch-Bildschirmen im Angebot. Aber uns war es wichtig, mit der gesamten Steuerung einen Schritt vorwärts zu machen. Denn Digitalisierung, Industrie 4.0 und so weiter stellen ganz neue Anforderungen an die Steuerung betreffend Konnektivität, Responsibilität und Bedienerfreundlichkeit.
Können Sie uns ein Beispiel nennen?
Eine moderne Steuerung ermöglicht es, wirklich alle Funktionen von einer Stelle aus zu kontrollieren. Das ist komfortabler und animiert dazu, die Einstellmöglichkeiten zu nutzen und so das beste Ergebnis herauszuholen. Zudem kann man verschiedenste Scanner, Sensoren oder auch Kameras anschliessen.
Weshalb hat es trotzdem noch Knöpfe und einen Joystick zur Bedienung?
Bei unseren Umfragen haben wir herausgefunden, dass es trotz Touchscreen vielen Anwendern wichtig ist, dass sie die grundlegenden Funktionen auch auf diese Weise steuern können. Zudem kann man die Ein- sowie Ausknöpfe gross und fühlbar gestalten, sodass man sie quasi auch blind findet. Das ist auf einem Touchscreen schwieriger.
Gibt es dafür auch sicherheitsbedingte Gründe?
Klar, es braucht entsprechende Notstop-Schalter. Aber sonst eigentlich nicht, es gibt ja inzwischen Maschinen, die nur noch über den Bildschirm bedient werden.
Die Maschinen kommen auf der ganzen Welt zum Einsatz. Gibt es dort andere Vorschriften, die Sie beachten müssen?
Eigentlich kaum, es kommt manchmal vor, dass vielleicht ein Notstopp anders platziert werden muss oder ein zusätzlicher gefordert wird. Das sind aber alles verhältnismässig kleine Anpassungen. Aufwendiger ist beispielsweise das Übersetzen der gesamten Steuerung in die verschiedenen Sprachen. Gerade die Fachbegriffe müssen da absolut korrekt sein.
Worauf haben Sie bei der Benutzeroberfläche speziell geachtet?
Ein wichtiger Punkt war sicher, dass nach der Auswahl eines Schleifprogrammes nur jene Informationen angezeigt werden, die man auch benötigt. Das heisst, dass beispielsweise Informationen zu Aggregaten, die nicht in Betrieb sind, ausgeblendet werden. Und es sollte möglichst einfach sein, die eingestellten Parameter als Programm zu speichern.
Gibt es noch andere Aspekte?
Ziel war es ausserdem, dass jeder im Betrieb die Schleifmaschine bedienen kann. Oft erleben wir, dass zuerst nur zwei Maschinisten an die neue Maschine dürfen. Sehr bald aber dürfen sie auch andere bedienen, weil die Steuerung einfach zu handhaben ist.
Man braucht also praktisch keine Fachkenntnisse mehr?
Doch, diese braucht es weiterhin. Denn wir können mit der Steuerung nur das Einstellen einfacher machen und die Betriebssicherheit garantieren. Was man mit den jeweiligen Parametern bewirkt, muss der Bediener wissen und verstehen.
Gibt es schon Bestrebungen, dass die Maschine irgendwann selber erkennt, ob ein Schleifband durch oder eine Oberfläche nicht gut geschliffen ist?
Da gibt es gewisse Ansätze, neu haben wir eine Bandabnutzungsanzeige. Sie zeigt anhand der Laufmeter an, welcher Teil des Bandes schon stärker beansprucht wurde. Ein effektives Vermessen des Bandes oder Analysieren der Oberfläche ist aber noch Zukunftsmusik.
Ist es zu aufwendig und zu teuer?
Nicht nur. Ob ein Band abgenutzt oder eine Fläche gut geschliffen ist, ist schwierig zu erfassen, weil die Ansprüche ganz verschieden sind und dies jeder anders beurteilt. Hier braucht es nach wie vor das Gespür des Maschinisten.
Der neue Touchscreen ist nicht mehr horizontal, sondern vertikal angeordnet – ein Zugeständnis an die Smartphone-Generation?
Tatsächlich kam diese Idee nicht von ungefähr. Während der Entwicklung dachten wir, wir könnten es einfach mal so versuchen, und es hat super funktioniert. Zunächst gab es zwar schon Skeptiker, aber inzwischen sind sie verstummt.
Wie entstehen die ganzen Piktogramme und Grafiken der Benutzeroberfläche?

Ich habe mich dabei an modernen HMI, (Human-Machine-Interfaces, Mensch-Maschine-Schnittstellen) und Apps orientiert. Diese Darstellungsformen sind heute sehr simpel gehalten und weisen keine überflüssigen Informationen auf. Auch auf 3D-Darstellungen wird heute öfter verzichtet.

Wie findet man heraus, ob die Piktogramme funktionieren?
Das ist relativ aufwendig. Man kommt nicht darum herum, die Entwürfe verschiedenen Personen zu zeigen, um herauszufinden, ob sie das Piktogramm richtig verstehen. Auch der Aussendienst ist dabei ein wichtiger Ratgeber, denn dieser ist täglich mit den Kunden in Kontakt.
Gab es grosse Unterschiede zwischen der jüngeren und älteren Generation?
Man spürt die Unterschiede relativ gut. Gerade was den Stil angeht, ist die ältere Generation natürlich stark von der Windows-Oberfläche geprägt.
Wird man in Zukunft solche Steuerungen regelmässig updaten müssen wie Computer oder Smartphones?
Wir gehen schon davon aus, dass die jetzige Version für eine längere Zeit Bestand hat. Installationen von Updates wären aber problemlos möglich, im Moment ist das einfach noch aufwendig.
Können Sie uns sagen, inwiefern?
Es sind noch lange nicht alle Maschinen mit einem Netzwerk verbunden. Denn es gibt Kunden, die ihre Maschinen explizit nicht an ein Netzwerk anschliessen wollen. Diese müsste man vor Ort aktualisieren.
Wenn trotzdem eine Störung auftritt?
Bei technischen Störungen zeigen die modernen Steuerungen grafisch genau und im Klartext an, wo das Problem liegt. So kann der Maschinenbediener sofort erkennen, ob er die Störung selber beheben kann oder nicht. Im Falle eines System-Absturzes können wir dieses auch innert Kürze wieder herstellen. Wir bewahren von jeder ausgelieferten Maschine ein Basis-Backup auf. Ausserdem gibt es auch einen USB-Anschluss. Darüber kann man jederzeit ein eigenes Backup von allen gespeicherten Einstellungen und Programmen erstellen.
Wäre auch eine Fernbedienung denkbar?
Das ist mit dieser Steuerung bereits möglich. Aus Sicherheitsgründen darf die Maschine aber nur vor Ort bedient werden.

www.kuendig.ch

Zur Person

Julian Bolz (29) ist bei der Kündig AG seit drei Jahren verantwortlich für die Entwicklung von Steuerungen. Dazu gehören auch Schulungen und der Support der Mitarbeiter sowie Kunden, spezielle Anpassungen gemäss Kundenwunsch und Einbindungen in Leitsysteme. Zudem unterstützt er das Team bei elektrotechnischen Fragestellungen. Nach seiner Ausbildung zum Elektromonteur absolvierte er das Bachelor- und Masterstudium in Electrical Engineering an der Fachhochschule Rapperswil (HSR).

ph

Veröffentlichung: 13. Februar 2020 / Ausgabe 7/2020

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