Gesunder Menschenverstand ist gefragt

Holz ist wohngesund. Das süsse Rosenholz duftet und schmeckt sogar recht gut. Bild: Christian Härtel

Wohngesundheit.  Die längste Zeit unseres Lebens verbringen wir in geschlossenen Räumen. Wichtig ist deshalb die Qualität der Raumluft. Deren gesundheitliche Bewertung rückt immer mehr in den Vordergrund. Viele Aspekte sind bislang jedoch gar nicht bekannt.

Das wohngesunde Bauen und Ausbauen findet in jüngerer Zeit vermehrt die Aufmerksamkeit von Bauherren und Konsumenten. Handwerker und Hersteller von Baustoffen haben das sensible Thema ebenfalls als Aktionsfeld für sich im Blick. Produkte, wie Beschichtungen und Werkstoffe, die einen positiven Beitrag zum Raumklima leisten können, rücken dabei in den Fokus der Beteiligten. Denn das Thema verweist mindestens in zwei Richtungen. Einerseits gilt es, eine zu hohe Konzentration an Emissionen aus verbauten Materialien und Hilfsstoffen zu vermeiden, andererseits ist die dauerhafte Bindung von Schadstoffen aus der Innenraumluft durch den Einsatz entsprechender Werkstoffe erwünscht.

Eine gute Nachricht vorab: Es gibt kaum mehr Meldungen über geschlossene Kindergärten wegen zu hoher Formaldehydkonzentrationen in der Raumluft, die von Holzkonstruktionen oder Innenausbauten mit Holzwerkstoffen stammen.

Fehler oft beim Verbauen

«Die Formaldehydkonzentrationen in der Raumluft hat man mittlerweile ganz gut im Griff. Die Probleme in der Vergangenheit betrafen oft Fehler bei der Anwendung, dem Bauen und Verbauen vor Ort», sagt Volker Lehmkuhl, zuständig für die Kommunikation beim deutschen Sentinel Haus Institut. Der Parketthersteller Bauwerk kann zum Beispiel eine ganze Reihe von Produkten nachweislich als «wohngesund» ausweisen. Für den Handwerker sind freiwillige Prüfungen und Zertifikate hilfreich, weil sie ihn auch bei Haftungsfragen entlasten. Taucht später ein Problem auf, kann der Schreiner beim Einsatz solcher Produkte auf seine erfüllte Sorgfaltspflicht verweisen. Denn flüchtige organische Verbindungen (VOC), Radon oder auch Kohlendioxid, Feinstaub und Elektrosmog kommen nach wie vor in zu hoher Dosis in Räumen vor.

Ein generelles Problem sind die Begriffe: «Wohngesund» ist zunächst so vielsagend wie «ökologisch» oder «nachhaltig». Es kommt dabei auf das Bewertungsverfahren, die Festlegung von Richtwerten für Schadstoffkonzentrationen und die Einschätzung der Wirkung auf den Menschen an. Aber: «Wohngesund bezieht sich in erster Linie auf die Qualität der Innenraumluft, die man nach wissenschaftlichen Kriterien exakt messen und dann mit Empfehlungswerten – ausdrücklich keine Grenzwerte – abgleichen kann. Gäbe es Grenzwerte, dürfte sicher kein Raucher mehr zu Hause rauchen», weiss Lehmkuhl.

Neue Lösungen in Form von Verfahren oder Produkten entstehen meist aus einem Bedürfnis heraus oder auch einer Bewusstwerdung eines Problems. Und das ist beim Thema Wohngesundheit durchaus vorhanden. Der Anlass des gestiegenen Interesses gründet auf den heute aus energetischen Gründen äusserst dicht ausgeführten Gebäudehüllen.

Dafür sorgen auch Dämm- und Dichtstoffe, die ihrerseits wiederum für eine Belastung der Innenraumluft, etwa mit VOC, verantwortlich sein können. Je dichter die Gebäudehülle, desto eher rückt die Wohngesundheit ins Blickfeld, weil auch Schadstoffe schlechter entweichen können.

Ältere Spanplatten gasen aus

Also sollte man sich ein paar Dinge vergegenwärtigen, wenn man mit dem Thema hantiert. Am Beispiel Holz kann man die Zusammenhänge gut aufzeigen. So ist naturbelassenes Holz zunächst über jeden Zweifel erhaben. Aber auch das gibt – je nach Holzart – verschiedene Stoffe ab, darunter auch das wichtige Formaldehyd. Die Konzentrationen allerdings liegen laut Literatur je nach Holzart zwischen 0,002 und 0,009 ppm. Mit diesen Mengen liefert Vollholz keinen signifikanten Beitrag zur Formaldehydbelastung in Innenräumen.

Dagegen haben Holzwerkstoffe aus Spänen durch den hohen Anteil an Bindemitteln deutlich höhere Konzentrationen an Emissionen, die relevant sind. Vor allem ältere Spanplatten gasen unablässig aus. Die Emissionen halten so lange an, wie die Spanplatte durch das Bindemittel zusammengehalten wird, also über den gesamten Lebenszyklus hinweg. «Es gibt in allen Bereichen geprüft emissionsarme Produkte. Schadstofffreie Werkstoffe gibt es aber generell nicht», sagt Lehmkuhl. Hilfreich sind in diesem Zusammenhang die technische Dokumentation «Holzwerkstoffe in Innenräumen» sowie eine Produkteliste, beides von der Lignum herausgegeben. Denn es gibt auch Materialien, die keine zugesicherten Eigenschaften aufweisen. «Das eine, alles sagende Label für wohngesunde Holzwerkstoffe gibt es jedoch nicht. Die Produktliste der Lignum bietet deshalb hier eine wertvolle Hilfestellung. Sind Produkte nicht gelistet, muss man das Kleingedruckte beim Hersteller genau ansehen», sagt Daniel Savi, Geschäftsleiter der Zürcher Büro für Umweltchemie GmbH. «Wird ein formaldehydfreies Bindemittel bei den Holzwerkstoffen verwendet, ist man auf der sicheren Seite. Ist dies nicht der Fall, muss geprüft werden, wie hoch die Emissionen im jeweiligen Fall sind», erklärt der Experte.

Von Elektrosmog und Metallschrauben

Wer unter «wohngesunde Schreinerarbeiten» im Internet sucht, landet unweigerlich auf den Seiten von Herstellern metallfreier Betten. Richtig ist zunächst, dass auch die Schweiz zunehmend von nicht ionisierender Strahlung, dem sogenannten Elektrosmog, durchdrungen wird. Manche Menschen reagieren darauf besonders sensibel. Einige wenige Schrauben und Metallteile sind jedoch dabei kaum relevant. Die vermeintliche Notwendigkeit eines komplett metallfreien Bettes ist daher eher im esoterischen Bereich anzusiedeln.

Dennoch gewinnt das Thema generell an Aufmerksamkeit. Ein Schutz gegen die elektromagnetischen Felder ist möglich, aber aufwendig: Zum Beispiel kann man die häusliche Elektroinstallation mittels Metallgeweben in der Wand abschirmen. Dann sollten allerdings auch das Smartphone und der elektrische Wecker tabu sein. Die unheilvolle Wirkung einiger Schrauben und Beschläge aus Metall, die keinen zusammenhängenden Rahmen bilden, ist wissenschaftlich nie erwiesen worden. Wer also mit dem Wissen um die Metallfreiheit besser schläft, soll sich auch so einrichten.

Es liegt nicht nur am Schreiner

Zwar kann der Schreiner und Holzbauer durch sein Verhalten zum schadstoffarmen Bauen und Ausbauen beitragen, doch sind es oft andere Materialien und Arbeitsgattungen, die eigentlich das Heft in die Hand nehmen sollten. Dies betrifft Oberflächenbeschichtungen von Metallen, Innenraumfarben und Putze, aber auch gegossene Kunstharz-Bodenbeläge, Teppichböden oder Schaumstoffe in Polstermöbeln.

Wenig hinterfragt werden auch die konventionellen Heizungslösungen in Form von Konvektionswärme, also der Luftzirkulation, die erhebliche Luftumwälzungen im Raum zur Folge haben. Ganz im Gegensatz zur Strahlungswärme, wie sie von Flächenheizungen oder Kachelöfen abgegeben wird. Sie minimieren die Luftverwirbelung und damit werden auch weniger Schadstoffe in der Luft transportiert.

Materialien, die die Luft verbessern

Für den Schreiner relevant sind neben dem Formaldehyd auch Lösemittel aus der Welt der VOC. «Etwa bei der Parkettrenovation. Wird dieses abgeschliffen und neu oberflächenbeschichtet, kann es unter Umständen zwei Monate dauern, bis die Konzentration von Lösemitteln dem Minergie-Eco-Standard genügt. Wird die Zeit nicht eingeplant und der Raum nicht gut gelüftet, kann man bei der Prüfung durchaus eine böse Überraschung erleben», so Daniel Savi vom Büro für Umweltchemie. Auch der Einsatz von Dichtstoffen ist für Schreiner eine Quelle von Problemen. Diese sollten ebenfalls entsprechend geprüft und bewertet sein.

Montageschäume sind generell wohngesundheitlich problematisch. Sie lassen sich leicht durch mechanische Befestigung und durch die Dämmung einer Fuge mittels Stopfmaterialien wie Hanf oder Schafwolle ersetzen. Letztere bindet sogar Schadstoffe, hat also eine positive Bilanz bezüglich der Innenraumluft-Qualität.

Solche Verbesserungen, sprich Materialien, die hinsichtlich der Luftschadstoffe als Filter oder Fixierer dienen, sind nicht selten. So sind etwa Trockenbauplatten am Markt, die diesbezüglich wirken. Auch Parkett-Versiegler, die Formaldehyd absorbieren, und Nanobeschichtungen von Gläsern, die sodann mittels Licht Feinstäube binden können, sind inzwischen zur Marktreife gelangt und werden auch angeboten.

Dass Holz einen positiven Effekt auf den Menschen hat, ist übrigens auch empirisch belegt. So wird der Schreiner laut Umfragen vom Kunden als äusserst sympathisch empfunden. Wenn das nicht am täglichen Umgang mit Holz liegt.

www.sentinel-haus.eu
www.umweltchemie.ch
www.lignum.ch

ch

Veröffentlichung: 28. März 2019 / Ausgabe 13/2019

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