1972 begonnen, 2017 fertig gestellt

Zeichnung und vollendetes Stück. Bild: Etienne Chevalley

Schreinerlehrling. Was als «ein toller Unsinn» im Juni 1972 seinen Anfang nahm, konnte Etienne Chevalley nach 45 Jahren nun endlich fertig stellen. Die Entstehungsgesichte eines fantasievollen Holzmodells.

Etienne Chevalley absolvierte 1972 bis 1975 seine Schreinerlehre. In der Berufsschule erhielten die Lernenden den «Schreinerlehrling», der dazumal vom Verband Schweizerischer Schreinermeister und Möbelfabrikanten (VSSM) herausgegeben und an alle Lehrlinge verteilt wurde. In der Juni-Ausgabe des Jahres 1972 fand sich unter dem Titel «Ein toller Unsinn – aber realisierbar» eine Zeichnung eines fantasievollen Holzgebildes, mit der Aufforderung, dieses doch anzufertigen.

Eine knifflige Aufgabe

Chevalley gefiel diese Aufgabe und er machte sich daran, das Modell herzustellen. Er fertigte sich anhand der Abbildung seine eigenen Werkzeichnungen an und begann mit der kniffligen Aufgabe. Doch nachdem er die Grundhölzer mit Grat und Gratnut zusammengesetzt hatte, stand er beim nächsten Schritt an und wusste nicht weiter. Das gute Stück blieb liegen. In Vergessenheit geriet es aber nicht.

Ohne Plan, keinen Plan

Als Etienne Chevalley den zweiten Anlauf nahm, hatte er bereits die Lehre und die Rekrutenschule erfolgreich hinter sich gebracht und arbeitete bei der Schreinerei Schwaiger in Zürich. «Die Schwierigkeit bestand darin, die passende Grösse für das Modell zu finden, hatte ich doch nur diese Abbildung. Ausserdem musste ich die Verbindungen richtig ausnehmen und ausstemmen», erinnert sich Chevalley zurück. Wieder kam der junge Schreiner nicht weiter und legte die Arbeit erneut zur Seite.

Alle guten Dinge sind drei

Beim dritten Anlauf, den der mittlerweile gestandene Schreiner letzten Sommer nahm, sollte es klappen. Chevalley ist unterdessen für die ETH Zürich tätig und arbeitet im «Raplab», der Holzwerkstatt für Architekturstudenten, die dort selbstständig ihre Architekturmodelle herstellen können. Die Studierenden bekommen dabei von Etienne Chevalley und seinen Kollegen die fachliche Anleitung. Mit viel Sorgfalt machte sich Chevalley wieder hinter das Holzgebilde. Er machte für jedes Stück zuerst ein Muster und testete dabei auch verschiedene Hölzer. Er pröbelte so lange, bis er das richtige Vorgehen hatte.

Das Eckige muss ins Runde

Bei den Rundstützen brauchte es dann verschiedene Anläufe. «Im runden Holtz ist es sehr schwierig, genau gegenseitig zu stemmen, darum waren die Dreieckleisten im ersten Modell nicht genau parallel» beschreibt er sein Vorgehen. «Beim zweiten Modell, welches ich gleichzeitig machte, ging ich von eckigen Hölzern aus, um genau anreissen zu können. Erst danach habe ich die Stützen rund gedrechselt. So gelang mir auch die Verjüngung im oberen Teil.»

Ausführungstechnisch kein Unsinn

Heute hat Etienne Chevalley zwei fertige Modelle. Dafür brauchte er über alles gesehen etwa zwei volle Arbeitstage, peilt Chevalley den Aufwand grob über den Daumen. Es habe ihm grossen Spass gemacht, den «tollen Unsinn» endlich fertig stellen zu können und er werde das Holzgebilde aus Föhre, Zeder und Mansonia in Ehren halten.

Wort halten

Damals schrieb «Der Schreinerlehrling», dass Fotos von fertiggestellten Stücken mit Namen des Herstellers veröffentlicht würden. Diesem Versprechen kommen wir natürlich auch heute, 45 Jahre nach Veröffentlichung, sehr gerne nach. Den «Schreinerlehrling» gibt es zwar in dieser Form nicht mehr. Er wurde durch das «Standby – Die Seiten für Lernende» ersetzt, welche einmal im Monat in der SchreinerZeitung zu finden sind. Nichtsdestotrotz: versprochen ist versprochen.

ids

www.vssm.ch/standby
www.traumjob-schreiner.ch

Die Zeichnung erschien in der Juni-Ausgabe des «Schreinerlehrlings» im Jahr 1972 mit folgendem Text:

«Ein toller Unsinn – aber realisierbar»

Die über diesem Text wiedergegebene Zeichnung hat der Redaktor als Neujahrsgruss von einem Schreinermeister erhalten, den er nicht nur als hervorragenden Fachmann, sondern auch als Freund alles Musischen kennt. Es braucht schon eine musische Ader, seine Freunde zum Jahreswechsel so fein auf den Sinn des Unsinns hinzuweisen, wie es dieser Zeichnung und dem Folgenden Vers von Max Mumenthaler geschehen ist: «Wenn aber irgendwo ein toller Unsinn blüht, dann spürt der gute Mensch auch sein Gemüt.»

Als Schreiner kann man es selbstverständlich nicht lassen, das phantasievolle Holzgebilde zwar als amüsantes Spiel mit Prismen und Walzen, Leisten und Keilen, daneben aber auch unter speziellen fachlichen Aspekten zu betrachten. Der technisch geschulte Fachmann, der sich gewohnt ist, Holzteile sinnvoll zu verbinden, stellt dabei schmunzelnd fest, dass der «Unsinn» nur im Funktionellen liegt, also dann zum Vorschein kommt, wenn die Frage nach dem Zweck des komplizierten Objekts beantwortet werden soll. Ausführungstechnisch gesehen, bietet es zumindest keine unüberwindlichen Schwierigkeiten. Eine simple Bastelarbeit für Jedermann ist das Herstellen eines solchen Gebildes allerdings auch wieder nicht, denn es verlangt bei der Zeichnerischen Vorarbeit wie bei der Ausführung Sorgfallt und fachliches Können.

Wir können uns vorstellen, dass es Schreinerlehrlinge gibt, denen es Spass macht, die den «tollen Unsinn» zunächst in einer korrekten, exakten Werkzeichnung darzustellen und das Stück dann aus Hartholz – z.B. Buche, Birnbaum oder Nussbaum – anzufertigen. Zweifellos würde das an sich nutzlose Ding in saubrer Ausführung als Geschenk oder als Erinnerung an die Lehrzeit viel Freude machen. Falls wir von einem ausgeführten Stück eine gute Foto erhalten, werden wir diese – selbstverständlich mit dem Namen des Herstellers – im «Schreinerlehrling» veröffentlichen.

 

Veröffentlichung: 01. August 2018

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